Ab ins Metaverse Darum will Facebook seinen Namen loswerden

Von Dirk Jacquemien

20.10.2021

Vorbild Philip Morris und Blackwater? Facebook will sich Medienberichten zufolge einen neuen Namen geben, um den schlechten Ruf links liegen zu lassen. Kann das gutgehen?

Von Dirk Jacquemien

20.10.2021

Schon nächste Woche könnte Facebook einen neuen Unternehmensnamen bekommen. Wie «The Verge» unter Berufung auf eine zuverlässige Quelle berichtet, wolle CEO Mark Zuckerberg diesen am 28. Oktober auf der eigenen «Connect»-Konferenz bekannt geben, möglicherweise sogar schon früher.

Der neue Name soll dann über den bestehenden Produkten im Unternehmen stehen, die ihre Bezeichnungen behalten werden. Prominenteste Vertreter sind dabei die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram sowie der Messenger-Dienst WhatsApp.

Es wäre eine Kehrtwende in der Markenstrategie des Tech-Giganten. In den vergangenen Jahren setzte Facebook alles daran, dass die Welt weiss, welche Produkte zum Konzern gehören. In WhatsApp und Instagram wurde etwa prominent der Hinweis «from Facebook» in die Menüs der Apps eingebaut. Doch das führte eher dazu, dass der schlechte Ruf von Facebook selbst auf seine anderen Produkte abfärbte.



Das diffuse «Metaverse»

Für unabhängige Beobachter*innen erscheint die geplante Namensänderung daher als verzweifelter Versuch, die toxisch gewordene Marke «Facebook» abzulegen. Doch das Unternehmen selbst will damit offenbar auch einen Strategiewechsel einleiten. Der neue Name solle die Ambitionen von Zuckerberg beim Aufbau des «Metaverse» widerspiegeln. Der hatte schon im Juli gesagt, dass Facebook nicht mehr eine «Social-Media-Firma», sondern eine «Metaverse-Firma» sein solle.

Der Begriff «Metaverse» wurde vom preisgekrönten Science-Fiction-Autor Neal Stephenson in seinem 1992 veröffentlichten Buch «Snow Crash» geprägt. In dessen dystopischer Welt fliehen die Charaktere vor dem traurigen Alltag in eine virtuelle Welt. Facebook stellt bereits Produkte für eine solche Virtual Reality (VR) her, seine Oculus-Reihe an VR-Brillen.

VR-Brillen von Facebook-Tochter Oculus sollte man vielleicht lieber nicht auf öffentlichen Strassen tragen, so wie dieses Model an der Paris Fashion Week.
VR-Brillen von Facebook-Tochter Oculus sollte man vielleicht lieber nicht auf öffentlichen Strassen tragen, so wie dieses Model an der Paris Fashion Week.
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Umbenennung ist beliebte Strategie in der Krise

Wie also könnte Facebook zukünftig heissen? Berühmtestes Rebranding-Beispiel aus der Tech-Welt ist wohl Google, das 2015 das Unternehmen umbaute und eine neue Dachgesellschaft namens «Alphabet» gründete. Google ist hier nominell nur eines von vielen Unternehmen im Alphabet-Reich. Doch Google ist weiterhin für mehr als 90 Prozent des Alphabet-Umsatzes und sogar mehr als 100 Prozent des Gewinns verantwortlich, da die anderen Alphabet-Firmen Verlustgeschäfte sind. Und der Name «Alphabet» ist in der Nicht-Fachöffentlichkeit bis heute weitgehend unbekannt.

Andere Unternehmen mit desaströsem Ruf wählten Fantasienamen. So wurde der Tabakkonzern Philips Morris zu «Altria», die Söldnerfirma Blackwater erst zu «Xe» und dann zu «Academi». Beliebt in der Tech-Welt sind auch Namen aus der Fantasy-Welt, wie bei der Überwachungsfirma Palantir, die vom Zuckerberg-Mentor und «Herr der Ringe»-Fan Peter Thiel mitbegründet wurde.

Bei Facebook scheint jedoch «Horizon» ein führender Kandidat für den neuen Namen zu sein, wie «The Verge» berichtet. Das Wort kommt bereits jetzt in einigen Facebook-Angeboten vor, die mit den Metaverse-Ambitionen zusammenhängen, wie «Horizon Workrooms», ein Virtual Reality-Konferenzsystem.

Wird eine Umbenennung Facebook helfen?

Zuckerberg will die volle Kontrolle

Vor allem geht es Zuckerberg beim Metaverse um Kontrolle. Um auf Facebook-Produkte zuzugreifen, müssen die Nutzer*innen derzeit Hardware und Software von anderen Herstellern verwenden, wie beispielsweise ein iPhone von Apple oder den Browser Chrome von Google. Damit hat Facebook sein Schicksal nicht selbst in der Hand, Änderungen von Dritten könnten das Geschäft, das vor allem auf dem Sammeln von Daten beruht, gefährden.

Beispiele sind in jüngster Vergangenheit etwa die Einschränkung der Werbeverfolgung auf iOS oder Pläne von Google und anderen Browser-Herstellern, Tracking-Cookies zu verbieten. Im Metaverse hätte das Unternehmen dieses Problem nicht. Nutzer*innen würden hier Facebook-VR-Brillen mit einem Facebook-Betriebssystem verwenden, um auf das Facebook-Metaverse zuzugreifen.



Will überhaupt jemand das Metaverse?

Es ist allerdings völlig offen, ob sich das Konzept jemals durchsetzen wird und ein breiter Teil der Bevölkerung wirklich täglich stundenlang in einer virtuellen Welt arbeiten und seine Freizeit verbringen will. Die bisher existierenden Metaverse-Produkte aus dem Facebook-Imperium erscheinen zumindest auf den ersten Blick nicht wie garantierte Erfolgsrezepte.

Beim erwähnten Horizon Workrooms müssen die Teilnehmer*innen die 516 Gramm schwere Oculus-Quest-2-Brille auf dem Kopf tragen, um dann an einem virtuellen Konferenztisch zu sitzen und mit Cartoon-Figuren —Verzeihung, «Avataren» — zu reden. Das sieht derzeit eher nach einem Konjunkturpaket für Orthopäd*innen aus. Es ist schwer vorstellbar, dass irgendein normaler Mensch es für erstrebenswert hält, seinen Arbeitstag so zu bestreiten, wie es Zuckerberg im US-Fernsehen demonstrierte.

Zweifellos werden die Brillen mit der Zeit leichter und kompakter, die Grafik besser, die Erlebnisse spannender. Der Massenmarkt für das Metaverse ist aber wohl noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte weit entfernt. Und es ist nicht ersichtlich, warum ausgerechnet Facebook oder wie immer es heissen wird, hier eine Vorreiterrolle spielen sollte.

Denn dem Metaverse-Konzept am nächsten kommen derzeit vor allem gigantische Online-Spielewelten wie etwa «Fortnite» oder «Roblox». Und diese haben etwas, was für zukünftiges Wachstum essenziell ist und das Facebook schmerzlich vermisst: junge Nutzer*innen.