Drama-Situationen (6) William Wallace hat die Schnauze voll

Diese Situation erinnert an Nummer 24, der Rivalität zwischen Ungleichen, also David gegen Goliath. Doch hier scheint sie sehr eng definiert worden zu sein, warum dem so ist, bleibt auch mir schleierhaft. Bei dem Muster hier ist es allerdings nicht immer ein Kampf zwischen einem buchstäblichen Sterblichen und einer göttlichen Figur, es kann auch der innere Konflikt beschrieben werden – beispielsweise bezüglich der eigenen Überzeugung.

Einen solchen Zwiespalt erlebt Truman Burbank (Jim Carrey) im fantastischen Film «The Truman Show». Truman scheint alles zu haben, was er braucht. Er lebt in einer wunderschönen kleinen Stadt, hat eine charmante und aufmerksame Ehefrau namens Meryl (Laura Linney), einen grossartigen Job als Versicherungsberater, seinen besten Freund Marlon (Noah Emmerich) und – nicht zu letzt – ein sonniges Gemüt. Doch Truman hat auch Fragen: Warum musste sein Vater sterben, als er noch ein Kind war? Was befindet sich ausserhalb der Stadt, quer übers Wasser? Und warum scheint seine Frau in ihrem eigenen Heim Produkte anzuwerben?

Die Antwort darauf ist einfach: Trumans komplettes Leben ist eine Reality-TV-Show, die von einem Millionenpublikum geschaut wird. Alle, die ihm begegnen, sind Schauspieler*innen. Nur er ist sich der tristen Realität nicht bewusst. Seine Fragen werden zu Zweifel und weiterer Neugier, also handelt Truman entgegen seiner Überzeugung und fordert die höhere Macht heraus – er beginnt neben der vorgegebenen Spur zu agieren und die Wahrheit ans Licht zu bringen.

32

Irrtümliche Eifersucht

Figuren:

• ein Eifersüchtiger
• ein Besitz, der die Eifersucht auslöst
• ein vermeintlicher Mitschuldiger
• ein Grund für den Irrtum

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Der Eifersüchtige wird Opfer eines Irrtums und auf ein Objekt eifersüchtig, das ihn mit dem Besitzer in einen Streit verfallen lässt. Das klingt jetzt erst mal etwas kompliziert, doch das ist es gar nicht. Ein Protagonist ist hierbei einfach auf einen Sachverhalt, einen Besitz eifersüchtig – fälschlicherweise.

Beschrieben wird diese Situation im Buch und Film «The Girl on the Train» mit Emily Blunt in der Hauptrolle. Darin fährt Rachel Watson (Blunt) täglich mit dem Zug nach Manhattan, dabei passiert sie den Vorort, in dem sie und ihr Ex-Mann gewohnt hatten. Sie beobachtet dabei die umliegenden Häuser und ihr Augenmerk fällt immer wieder auf das junge Ehepaar Megan und Scott. Sie scheinen glücklich verheiratet zu sein und Rachel empfindet Eifersucht, wünschte sie sich doch ein solches Leben mit ihrem Ex-Mann Tom. Wie so oft, trügt der Schein – Vorsicht: Es wird stellenweise ziemlich blutig.

33

Fehlurteil

Figuren:

• ein sich täuschender Richter
• ein Opfer einer Tat/eines Fehlers
• ein Grund für die Tat/den Fehler
• ein Schuldiger

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Ja, gegen Ende werden diese Muster nicht wirklich simpler, wie Sie wahrscheinlich schon gemerkt haben. Aber auch hier sieht es verwirrender aus, als es wirklich ist: Der Richter verurteilt fälschlicherweise das Opfer einer Tat statt den wahren Schuldigen. Dabei missinterpretiert er den Grund für eine Tat. Dies wird oftmals durch eine List des wahren Schuldigen herbeigeführt.

Perfekt inszeniert wird dieses Motiv im Roman «Der Graf von Monte Christo» von Alexandre Dumas. Darin wird der junge Seefahrer Edmond Dantès beschuldigt, sich mit Verrätern verschworen zu haben. Dies hat sein falscher Freund Danglars erfunden. Als der Strafverfolger Villefort davon Wind bekommt, schickt er Dantès ins Gefängnis.

34

Reue

Figuren:

• ein Täter
• ein Opfer oder eine Sünde
• ein Verhörer

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Endlich wieder eine selbsterklärende Situation. Das Ziel hierbei ist einfach: Dem Täter soll vom Verhörer ein Geständnis entlockt werden. Dieses Muster ist besonders interessant aus zwei Gründen: Einerseits müssen Autor*innen fähig sein, ein Gleichgewicht zwischen den beiden Parteien herzustellen. Die Balance der Figuren soll sich immer leicht in die eine oder in die andere Richtung bewegen. Keine darf klar die stärkere Figur sein. Andererseits steht und fällt eine solche Situation mit dem Dialog – dies resultiert aus ersterem Grund.

Das Beispiel hierfür ist ein bisschen unkonventionell aufgrund der doch relativ ernsten Ausgangslage. Die Comedy-Serie «Brooklyn 99» lieferte jedoch eine solche Episode ab, wie sie im Bilderbuch steht.

Die Polizisten Jake Peralta (Andy Samberg) und Raymond Holt (Andrew Braugher) müssen einen Zahnarzt verhören, von dem sie sich absolut sicher sind, dass er einen Kollegen ermordet hat. Leider war der Tatort komplett sauber und der raffinierte Phillip Davidson (Sterling K. Brown) scheint für alle Eventualitäten gewappnet, für alles ein Alibi zu haben.

Die einzige Möglichkeit, ihn zu verurteilen, ist ein Geständnis.

Der hochintelligente Verdächtige hat sich jedes Szenario ausgemalt und liefert dementsprechend immer die perfekte Antwort auf jegliche Fragen von Peralta und Holt. Wie trickst man also einen Trickster aus?

35

Finden einer vermissten Person

Figuren:

• ein Suchender
• ein Gefundener

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Wenn eine vermisste Person nach Monaten, eventuell sogar Jahren, wieder gefunden wird, ist eine herzzerreissende Geschichte garantiert. Die Lücke, die sie hinterlassen hat, ist möglicherweise nicht mehr da. Oder die Person passt nicht mehr in diese Lücke hinein. Sie hat keinen Platz mehr im Leben der alten Bekannten. Dies ist der negative Ausgang einer solchen Erzählung, eine positive folgt aber sogleich.

In «Findet Nemo» geht der alleinstehende Fisch-Vater Marlin auf die Suche nach seinem Sohn Nemo, der im Pazifischen Ozean in der Nähe von Australien verloren gegangen ist. Eine fantastische Reise beiderseits führt die kleine Familie am Ende wieder zusammen.

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Verlust einer geliebten Person

Figuren:

• ein getöteter Verwandter
• ein beobachtender Verwandter
• ein Mörder

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Ein beliebtes Thema in Hollywood, zweifellos. Dieses Muster kommt in verschiedenen Formen daher: Entweder wird die Prämisse als Motivation des Protagonisten verwendet, also er tut gewisse Dinge, wächst über sich hinaus, aus Angst einen geliebten Menschen zu verlieren – zukunftsweisend also. Oder der Verlust der geliebten Personen liegt schon weit zurück und macht einen Protagonisten zu dem, was er heute ist (siehe Batman). Auch könnte der Verlust eines geliebten Partners eine grosse Bürde auf die Schultern eines neuen Partners legen, der seinem Vorgänger das Wasser reichen will.

Sie sehen, diese Situation kann auf viele Arten gebogen werden – wie einem der Sinn gerade steht.

Schreien tut es allerdings nach «Braveheart». Mel Gibson mimt William Wallace, der nach dem Tod seines Vaters und Bruders später auch noch die öffentliche Hinrichtung seiner Frau miterleben muss – alles Gräuel der Engländer. Der Schotte zieht also – nebenbei für die Unabhängigkeit Schottlands – in den Krieg: «Freedom!»

Dies war der letze Teil einer sechsteiligen Serie über die verschiedenen dramaturgischen Situationen, die jeder Geschichte seit Anbeginn der Menschheit zugrundeliegen.

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