Hochtour Wie ist es eigentlich, einen 4000er zu besteigen?

Cornelia Alig

7.3.2018

Der Piz Bernina ist wohl wie sein ebenso bekannter Nachbar, der Piz Palü, jedem ein Begriff. Umso mehr lohnt es sich, den östlichsten 4000er der Alpen in spektakulärer Umgebung zu besuchen. Bei einer fünftägigen Hochtour habe ich, «Bluewin»-Redaktorin, das gesamte Massiv durchquert – und dabei einige der schönsten Gipfel bestiegen.

Die Zugfahrt könnte von mir aus gerne noch etwas länger dauern. Denn sobald wir in Pontresina GR ankommen, geht das unbekannte Abenteuer los: Eine Hochtour durch das Bernina-Massiv. Vier Gipfel, fünf Tage. Keiner unter 3700 Metern, und als Höhepunkt der einzige 4000er Graubündens, der Piz Bernina. Ich freue mich, klar. Aber so richtig weiss ich ehrlich gesagt noch nicht, worauf ich mich einlassen.

Wenig später stehe ich mit meinem knapp neun Kilo schweren Rucksack, den ich für die nächsten fünf Tage nicht mehr loswerde am Bahnhof in Pontresina GR, wo wir uns mit dem Bergführer und zwei Aspiranten treffen

Wir, das bin ich und sieben Freunde – eine zusammengewürfelte Gruppe, die die Berge liebt. Das Abenteuer «Berninadurchquerung», mit dem Gipfel-Best-of rund um den «Festsaal der Alpen», kann also beginnen – mit der Wanderung durch das Rosegtal zur Tschiervahütte (Schwierigkeit: T2 - Bergwandern auf der Berg- und Alpinwanderskala).

Die SAC-Hütte auf 2538 Metern Höhe dient auch als Ausgangspunkt zum bekannten Biancograt am Piz Bernina oder zum Eselsgrat am Piz Roseg. Wir machen uns dagegen am frühen Morgen des nächsten Tages auf den Weg entlang des Tschiervagletschers zur Fuorcla Boval und über eine etwas steilere Passage zum Gipfel des Piz Morteratsch auf 3751 Metern (Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern auf der Berg- und Alpinwanderskala; WS auf der Berg- und Hochtourenskala). Gipfel um Gipfel reiht sich rund um das ganze Berninamassiv auf.

Das macht Lust auf mehr. Der Abstieg erfolgt ebenfalls über die Fuorcla Boval zur Bovalhütte (2495 Meter). Nach 1240 Höhenmetern Aufstieg und 1280 Höhenmetern Abstieg können wir den Rest des Tages bei Kaffee, Kuchen und strahlendem Sonnenschein vor der SAC-Hütte geniessen und ausklingen lassen.

Auch wenn es vielleicht nicht so klingt, die Nächte sind harter als die Tage. Wir schlafen mindestens zu acht in einem Raum auf einer Matratze die gefühlt gerade mal so breit ist wie mein Allerwertester. Zum Glück liege ich in meinen schmalen Schlafsack, den drehen ist sowieso nicht drin. Um am nächsten Morgen nicht wegen Sauerstoffmangel zusammenzubrechen, müssen wir das Zimmerfenster auflassen. Ich schlafe mit Stirnband und in meinen langen Unterhosen, denn es ist saukalt. Die langen Unterhosen kann ich immerhin am nächsten Morgen gleich anbehalten, den ein Pyjama sucht man auf der Packliste vergebens. Und trotzdem schlafe ich gut, weil ich immer gut schlafe.

Überquerung des Morteratschgletschers

Am dritten Tag überqueren wir den Morteratschgletscher zur Isla Pers und steigen über die Gemsfreiheit zur Fortezza auf. Das Wetter ist besser als vorausgesagt, dennoch ist es bewölkt und teilweise neblig. Der Felsgrat ermöglicht den Zugang zur Bellavistaterasse.

Von Ostgipfel gelangen wir zum Hauptgipfel auf 3922 Metern Höhe (Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern auf der Berg- und Alpinwanderskala; ZS auf der Berg- und Hochtourenskala). Nach 1650 Höhenmetern Aufstieg ist der Abstieg zur Marco-e-Rosahütte (3597 Meter) mit 550 Höhenmetern bald geschafft.

Von der italienischen Seite aus besteigen wir am nächsten Tag wieder bei bestem Wetter den Piz Bernina (4049 Meter), der einzige 4000er im Kanton Graubünden, über den Spallagrat – erst etwas steiler danach ausgesetzt der Gratkante entlang, insgesamt 450 Höhenmeter (Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern auf der Berg- und Alpinwanderskala; ZS auf der Berg- und Hochtourenskala).

Es ist der östlichste Berg dieser Höhe in den Alpen und bietet neben einem abwechslungsreichen Aufstieg auch eine atemberaubende Rundsicht über den östlichen Alpenraum. Auf dem gleichen Weg gelangen wir zurück zur Hütte.

Gute Weitsicht

Ebenfalls von der Marco-e-Rosahütte aus findet am letzten Tag die Abschlusstour über die drei Gipfel des Piz Palü (3900 Meter) statt (Schwierigkeit: WS auf der Berg- und Hochtourenskala). Von der Fuorcla Bellavista kletterten wir über den Westgrad zum Piz Spina bis wir den Hauptgipfel (3900 Meter) des bekannten Berges der Region erreichen.

Die Weitsicht ist gut wie selten, sodass wir aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Ein abwechslungsreicher Abstieg (1280 Höhenmeter) führt durch ein Spaltenlabyrinth unter die Fuorcla Trovat. Wegspuren führen danach zurück zur Bergstation der Diavolezzabahn.

Die Tour ist zu Ende. Nach fünf Tagen ohne Dusche und gerade so vielen Kleidern, dass ich mich wenigsten einmal frisch anziehen kann, denke ich erst noch «so fest stinken wir gar nicht». Das ändert sich, als sich am Zürich HB die Gruppe trennt und ich allein in die S-Bahn nach Oerlikon steigen muss. Ich stinke doch. Irgendwie tun mir die Leute leid – trotzdem fühle ich mich gerade unglaublich gut zwischen den leichtbekleideten Badegästen. Weil ich gerade eine unglaubliche Tour hinter mich gebracht habe. Und sicher nicht meine Letzte.

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