Zukunftsweisend oder PR-Gag? Recycling – Firma braut Bier aus Abwasser

Anja Sokolow, dpa

22.6.2019

Mit Bier aus Abwasser will eine Herforder Firma ein Zeichen für die Nutzung von recyceltem Schmutzwasser setzen. Foto: Christoph Soeder
Mit Bier aus Abwasser will eine Herforder Firma ein Zeichen für die Nutzung von recyceltem Schmutzwasser setzen. Foto: Christoph Soeder
Source: Christoph Soeder

Mit Bier aus Abwasser will eine deutsche Firma zeigen, dass ehemaliges Toilettenwasser durchaus geniessbar sein kann. Das Unternehmen will das Bier nicht verkaufen, sondern ein Zeichen für die Nutzung recycelten Schmutzwassers setzen.

Na dann Prost! Ausgerechnet im Land des Reinheitsgebots gibt es jetzt Bier aus Abwasser. Und es soll sogar geniessbar sein. «Wir wollen zeigen, dass gereinigtes Abwasser nutzbar ist und man damit auch hochwertige Getränke herstellen kann», sagt Jens Scheideler von der Herforder Firma Xylem.

Das Wasser-Technologie-Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen präsentiert sein Bier mit dem englischen Namen «Reuse Brew» bei einer Konferenz zur Wassergewinnung und Wiederverwertung in Berlin.

«Unser Reuse Brew ist nach allen Regeln der deutschen Braukunst gebraut und enthält neben recyceltem Wasser die besten Zutaten, die ein Craftbier benötigt», ergänzt Xylem-Anwendungsmanager und Brauingenieur Jan-Karl Nielebock.

Entlastung für die Wasservorräte?

1000 Flaschen und einige Fässer – insgesamt vier Hektoliter – haben die Herforder in Berlin brauen lassen. Allerdings nicht zum Verkauf, sondern für Werbezwecke.

Gerade in Zeiten von drohender Wasserknappheit wolle man ein Zeichen für die Wiederverwendung von Abwasser setzen, so Scheideler. Europa gelte zwar als wasserreich. Doch nicht in allen Regionen seien die Wasservorräte wirklich gross.

Auch in Berlin und Brandenburg nicht, sagt Stephan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe. «Wir haben mit Spree und Havel zwei Gewässer, die die Bezeichnung «Fluss» nicht wirklich verdienen, weil sie zu wenig Wasser führen». Und das trockene Jahr 2018 habe gezeigt, dass die Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser durchaus eine Entlastung für die Grundwasservorräte sein könnte.

Was passiert mit dem Abwasser?

Die Wasserbetriebe beteiligen sich als Partner an dem Projekt, denn auch das Unternehmen erforscht seit Jahren die Aufbereitung von Abwasser. Dazu gehören neben Schmutzwasser aus Haushalten wie Toilettenwasser, Küchenwasser mit Gemüse- und Speiseresten sowie Putz-, Wasch- und Badewasser, auch Wasser aus Industrie und Gewerbe und Niederschlagswasser. Letzteres enthält den Schmutz von Dächern, Gärten oder auch Strassen.

Noch wird das gereinigte Wasser aus den sechs Berliner Klärwerken nur in Fliessgewässer geleitet und geht wieder ins Grundwasser über, von wo das Trinkwasser gewonnen wird.

Doch Bier aus Abwasser – ist das die Zukunft? Für Natz ist es «eher ein Gag». «Wir wollen zeigen, dass es zumindest technisch möglich ist», so auch der Sprecher der Wasserbetriebe. Er glaube auch, dass Bier aus herkömmlichem Wasser besser schmecke. Denn im Gegensatz zum hochgereinigten Wasser enthalte es noch viele Mineralien als Geschmacksträger.

Woher stammt die Idee?

Die Bier-Idee ist nicht ganz neu. Laut Scheideler hat es auch in den USA schon Brauprojekte gegeben, um Bewohnern verschiedener Regionen die Nutzung von aufbereitetem Abwasser im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft zu machen.

Und auch im Bierland Tschechien gibt es Hopfensaft aus Recyclingwasser. Erst vor wenigen Tagen berichtete «Radio Praha» über eine Kleinbrauerei in Südböhmen, die 15 Hektoliter Bier mit Recycling-Wasser aus einer Prager Kläranlage gebraut hat.

«Auch die Technologie zur Reinigung des Wassers ist nicht neu», sagt Natz. An vielen Orten der Welt werde sie eingesetzt, vor allem in Wassermangel-Gebieten in Afrika. Und auch im Weltall. «Die Astronauten der ISS zum Beispiel können nur 50 Liter pro Kopf mit ins All nehmen und müssen damit monatelang auskommen», so Natz.

Wie funktioniert die Reinigung?

Laut Xylem kann das Wasser in einem mehrstufigen Verfahren so sauber werden, dass es die Qualität vieler Tafelwässer sogar noch übertrifft. Neben Ozon und Aktivkohle können demnach auch Wasserstoffperoxid und UV-Licht eingesetzt werden, um Viren, Keime, Industriechemikalien und andere Schadstoffe zu entfernen.

«Wenn die Energie keine Rolle spielt, kriegen wir Wasser sonstwie sauber», sagt Natz. Doch die Reinigung bis zur höchstmöglichen Stufe sei momentan noch sehr teuer und aufwändig.

In Berlin werde derzeit deshalb auch getestet, ob mit der Reinigung in natürlichen Anlagen die Kosten gesenkt werden können. In Zukunft werde Abwasser auf jeden Fall eine grössere Rolle spielen als bislang, ist Natz überzeugt.

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