Kolumne Fleischersatz – leckerer Hype oder gehypter Unsinn?

Von Charoline Bauer

13.9.2019

Bestand Fleischersatz bis vor wenigen Jahren hauptsächlich aus Getreide oder Soja, gibt es inzwischen zahlreiche Alternativen in allen möglichen Varianten.
Bestand Fleischersatz bis vor wenigen Jahren hauptsächlich aus Getreide oder Soja, gibt es inzwischen zahlreiche Alternativen in allen möglichen Varianten.
Bild: Keystone

In der Ökobilanz etwa gewinnt das vegane oder vegetarische Schnitzel ganz klar. Aber die Bezeichnung Fleischersatz ist komisch, sogar falsch. Und: Lohnt sich überhaupt das Probieren?

Fleischersatz. Das klingt schon komisch. Schliesslich steckt das Wort «Ersatz» drin – und ein Ersatz ist ja erfahrungsgemäss nie so gut wie das Original. Doch stimmt diese These wirklich?

Ja und nein. In der Ökobilanz gewinnt das vegane oder vegetarische Schnitzel ganz klar, und beim Proteingehalt kann es ebenfalls mithalten, auch wenn die enthaltenen pflanzlichen Eiweisse keine ganz so gute Bioverfügbarkeit haben wie tierisches Protein.

Vielen ist allerdings die bei den meisten Produkten doch recht lange Zutatenliste ein Dorn im Auge. Verständlich. Wenn man aber auf die Fleischpackung alle Zusatzstoffen drucken würde, mit denen die Tiere zuvor gefüttert wurden, dürfte sich das ausgleichen.

Geschmackssache – wie (fast) immer

Und wie sieht es beim Geschmack aus? Ganz einfach: Ist Geschmacksache. Auch Fleisch schmeckt ohne Marinade oder sonstige Gewürze nicht sonderlich aromatisch, und wie man sein Fleisch am liebsten würzt, ist genauso dem persönlichen Geschmack geschuldet, wie die Beantwortung der Frage, welches Fleischersatzprodukt man am liebsten mag.

Ebenso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger bei den fleischfreien Burgern, Steaks, Schnitzel und Fleischbällchen ist die Konsistenz. Denn die haptische Wahrnehmung im Mund ist für den kulinarischen Genuss nicht zu unterschätzen.

Und hier haben die neuesten veganen und vegetarischen Ersatzprodukte ordentlich aufgeholt. Ich hatte schon vegane Würstchen im Mund, deren Konsistenz und Geschmack so fleischähnlich war, dass ich sicherheitshalber noch einmal auf die Verpackung schauen musste, ob ich im Supermarkt nicht aus Versehen daneben gegriffen hatte. Aber nein, kein Tier enthalten.

Tofu, Seitan, Tempeh, Soja, das alles ist für eingefleischte bzw. «eingepflanzte» Vegetarier und Veganer ein alter Hut. Aber der Lebensmittelmarkt steht nicht still und sucht immer nach neuen Produkten, die die Konsumenten ihm aus der Hand fressen.

Asiatische Jackfruit – schon probiert?

Manches ist gar nicht neu, sondern war vorher nur in Europa kein grosses Ding. Die asiatische Jackfruit zum Beispiel. Das Fruchtfleisch der unreifen Frucht wird plötzlich überall aufgetischt – zum Beispiel als Fake Pulled Pork.

Auch der Beyond Meat Burger war in allen Medien und gefühlt auch in aller Munde. Der vegane Burgerbelag besteht zu einem grossen Teil aus Erbsenprotein und kommt von einem Start-up in Kalifornien. Die einen vergöttern das vegane Hacktätschli, die anderen hassen es. Das Beyond Meat von Partnern aus der Fleischindustrie vertrieben werden, schmeckt mir allerdings so gar nicht.

Warum brauchen Veganer und Vegetarier Fleischersatz, liesse sich fragen. Brauchen wir nicht, liesse sich antworten. Überhaupt finde ich die Bezeichnung Fleischersatz auch falsch. Zutreffender wäre: Fleischalternative. Denn nur weil man kein Tier essen mag, egal ob aus ethischen oder gesundheitlichen Gründen, heisst das noch lange nicht, dass man den Geschmack von Fleisch nicht mag. Das hat auch die Industrie erkannt und jagt dieser neuen Kundengruppe hinterher.

In der Schweiz gibt es bisher 14 Prozent Veganer und Vegetarier. Dazu kommen 17 Prozent Flexitarier, die nur hin und wieder Fleisch essen. Europaweit sind es bereits geschätzte 75 Millionen Menschen, die sich vegan oder vegetarisch ernähren. Ein grosser Magen, äh Markt, der gefüttert werden will. Fazit: Ausprobieren lohnt sich – für die Geschmacksnerven und die Umwelt!

Hier gibt es an jedem Freitagmorgen eine Autoren-Kolumne – abwechselnd zu den Themen Mode, Digitales Leben, Essen und Muttersein. Heute: Essen.

Charoline Bauer ist Autorin und Ernährungscoach aus Berlin. Sie schreibt für verschiedene Verlage zu allen Themen, die das Leben lebenswert machen. Als Ghostwriterin realisierte sie in den letzten Jahren mehrere Bücher in Zusammenarbeit mit bekannten Social-Media-Stars. Mit ihrer Schwester betreibt sie ausserdem einen eigenen Fitness- und Ernährungsblog.

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