Zaghafte LockerungCorona kurios: Gelato gibt es in Rom nur noch mit Schutzhelm
Annette Reuther, dpa/tjb
10.5.2020
In der Virus-Krise fehlt vielen Italienern der geliebte Kaffee und ein gutes Glace. Nun dürfen Cafés und Gelaterie immerhin wieder Take-away anbieten. Doch die Tradition der Italiener nimmt durchaus kuriose Züge an.
Das Glace der Zukunft kommt mit einer langen Plastikzange durch ein Loch in einer Plexiglaswand gefahren. Paolo Costantini trägt einen Schutzhelm mit Plastikvisier, Plastikhandschuhe und eine Atemschutzmaske.
«Das, was vor Covid war, kann man vergessen. Wir müssen unsere Arbeit komplett neu erfinden», sagt der preisgekrönte Eismacher aus Rom. Vor seiner Gelateria «Il Gelatone» in Sichtweite des Kolosseums steht eine Desinfektionsmaschine für die Hände, mit einem Thermoscanner soll die Temperatur der Kunden gemessen werden, bevor sie eintreten. Am Boden kleben schwarz-gelbe Streifen, die den notwendigen Mindestabstand zwischen zwei Menschen signalisieren.
Italien ist stolz auf seine Glacetradition. Bei sommerlichen Temperaturen wie jetzt strömen die Menschen normalerweise zu ihrer Gelateria, holen sich eine Glace in der Waffel oder im Becher und ziehen weiter. Jetzt sieht diese Tradition eher wie ein Besuch im Krankenhaus aus, so viel Schutzmaterial wird aufgefahren. «Wir versuchen, unser Personal und unsere Kunden, so gut es geht, zu schützen», sagt Costantini.
Das Land lebt von seiner Gastronomie
Seit Montag haben etwa 60 Millionen Italiener wieder etwas Freiheit dazugewonnen: Sie können Spazieren oder draussen Sport treiben. Das Land gehört zu den weltweit am schlimmsten von Corona betroffenen Ländern. Bars, Restaurants und eben Glaceläden können nun immerhin wieder Take-away anbieten. Aber im Glaceladen darf man die Glace nur in Plastikwannen mitnehmen, nicht wie üblich in der Waffel oder im Becher. Costantini übt mit seiner Plastikzange dennoch schon mal, die Waffel so vorsichtig zu greifen, dass sie nicht zerbröselt.
Erst im Juni dürfen Kaffeebars, Konditoreien und Restaurants wieder für Besucher öffnen. Für viele Betreiber ist das eine Katastrophe. Italien lebt von seiner Gastronomie. Sie ist nicht nur die Existenz vieler Menschen, sondern auch Lebensgefühl. Der Branchenverband Fipe schätzt die Verluste bis Juni auf 34 Milliarden Euro. 50'000 Unternehmen könnten bis dahin schliessen, 350'000 Menschen ihren Job verlieren.
Espresso über die Gasse
Und das Kaffeetrinken an der Bar gehört in Italien genauso dazu wie ein gutes Gelato. Doch auch auf diese sonst so gesellige Tradition müssen die Menschen noch länger verzichten. Stattdessen ist nun Kaffee-to-go das höchste der Gefühle – eine Sitte, die in Italien bei weitem nicht so verbreitet ist wie nördlich der Alpen.
Das Coronavirus hat die Welt im Griff: Menschen sollen in ihren Wohnungen bleiben, teils werden Ausgangssperren verhängt. Die Folge: Leere überall. So menschenleer und autofrei ist die Strasse des 17. Juni am Brandenburger Tor in Berlin selten.
Bild: Keystone/dpa/Carsten Koall
Auf den Arroyo Seco Parkway in Los Angeles verirrt sich dieser Tage kaum noch ein Auto.
Bild: Keystone/AP Photo/Mark J. Terrill
Wer schon einmal in London war, kann sich kaum vorstellen, dass sich auf der Westminster Bridge keine Touristen drängen. Doch lediglich ein Bus ist auf der berühmten Brücke mit Blick auf das London Eye zu sehen.
Bild: Keystone/AP Photo/Frank Augstein
Vor dem Gateway to India in Mumbai drängen sich an normalen Tagen Einheimische und Touristen. Doch von «normal» kann aktuell an keinem Ort der Welt die Rede sein.
Bild: Keystone/AP Photo/Rajanish Kakade
Auf den Strassen von Kuwait City ist weit und breit kein Auto zu sehen.
Bild: Keystone/epa/Noufal Ibrahim
An der Klagemauer in Jerusalem trifft man sonst auf viele Gläubige. Doch auch Israel ist fest im Griff der Coronakrise.
Bild: Keystone/Epa/Abir Sultan
Lediglich wenige Jogger und Radfahrer ziehen ihre Kreise auf der National Mall in Washington, D.C.
Bild: Keystone/AP Photo/Andrew Harnik
Bilder, die sich auf der ganzen Welt ähneln: Statt vor Touristenmassen zu flüchten haben Tauben nun die Plätze für sich, so auch in Paris.
Bild: Keystone/AP Photo/Thibault Camus)
Die Champs Elysee in Paris ohne Stau, stattdessen lediglich zwei Ordnungshüter der berittenen Polizei auf einer der berühmtesten Strassen der Welt.
Bild: Keystone/AP Photo/Christophe Ena
Strassenmusiker Ron Sinclair spielt auf dem völlig vereinsamten Hollywood Boulevard in Los Angeles.
Bild: Keystone/AP Photo/Chris Pizzello
Lediglich ein Tuk-Tuk ist vor dem Grossen Palast in Thailands Hauptstadt Bangkok zu sehen.
Bild: Keystone/epa/Rungroj Yongrit
Ein Muss für Touristen in San Francisco ist Fisherman's Wharf. Doch auch hier ist derzeit keine Menschenseele zu sehen.
Bild: Keystone/AP Photo/Jeff Chiu
Auch in Moskau sind die Menschen seit Kurzem angehalten, in ihren Wohnungen zu bleiben. Das führt unter anderem zu einem völlig vereinsamten Roten Platz.
Bild: Keystone/AP Photo/Pavel Golovkin
Leere auch in den Strassen von Istanbul mit Blick auf den Galataturm.
Bild: Keystone/epa/Erdem Sahin
Auf die berühmte Karlsbrücke in Prag hat sich nur ein einzelner Passant verirrt.
Bild: Keystone
Ein einsamer Imbissstand in der Nähe des berühmten Times Square in New York zeigt, dass das Coronavirus auch die USA voll und ganz einnimmt. Wo sich sonst Touristen drängeln und Autos in Staus stehen, herrscht gähnende Leere.
Bild: Keystone
Eine Strasse im Schatten der grossen Notre Dame Kathedrale in Paris zeigt, dass in Frankreich die Menschen in ihren Häusern bleiben.
Bild: Keystone
Selbst im berühmten Amüsierviertel auf der Reeperbahn in Hamburg ist es menschenleer.
Bild: Keystone
Normalerweise stehen hier die Menschen Schlange, um sich das Kolosseum anzuschauen. Doch auch in Rom sind die Menschen angehalten, nicht aus dem Haus zu gehen.
Bild: Keystone
Um am Trevibrunnen in Rom eine Münze ins Wasser werfen zu können, muss man sich sonst zwischen Leuten hindurch drängeln. Aktuell findet man keine Menschenseele an der Touristenattraktion.
Bild: Keystone
Auch in Bern sind die Strassen inzwischen leer und verwaist.
Bild: Keystone
In Bayern wurden Ausgangsbeschränkungen verhängt – die Folgen sind leere Strassen und Plätze, so wie hier am Marienplatz zu sehen.
Bild: Keystone
Auf der berühmten Strasse «La Rambla» in Barcelona drängen sich das ganze Jahr über Touristen. Nun haben die Tauben die Einkaufsmeile für sich allein.
Bild: Keystone
Lediglich ein einzelner Velofahrer ist noch auf dieser Strasse in Wien unterwegs. Auch in Österreich gelten massive Einschränkungen im öffentlichen Leben.
Bild: Keystone
Die Ulica Piotrkowska im polnischen Lodz ist eine der längsten Einkaufsstrassen Europas. Doch an einen Shoppingbummel denkt hier aktuell niemand mehr.
Bild: Keystone
Hier steht man morgens oder nachmittags am Tresen, kippt einen Espresso aus heissen Tassen und hält einen Tratsch mit dem Nachbarn. Doch in Covid-Zeiten ist das ein Gesundheitsrisiko. Barbesitzer ersinnen daher auch hier Plastiktrennwände oder Eingangsbeschränkungen, um «soziale Distanz» einzuhalten, wenn sie denn mal wieder öffnen dürfen.
Juan Cataneo hat alles vorbereitet, damit er diesen Montag den Kaffee im römischen Stadtviertel Monti aus einem Fenster seiner Bar verkaufen kann. Er hat Glück, so müssen die Leute gar nicht erst in sein Café hinein und mit Plexiglas voneinander getrennt werden. «In Keramiktassen darf ich den Cappuccino allerdings nicht servieren», sagt er. Manche Kunden kommen daher nun mit eigenen Tassen. Denn für Kaffeekenner ist der Kaffee im Plastik- oder Pappbecher einfach nur ein Frevel. Doch in der Not und nach zwei Monaten selbst gebrautem Kaffee sind wohl selbst die Italiener bereit, ein paar Abstriche bei ihrem Lieblingsgetränk zu machen.
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