Naturparadies Vesterålen – die Inseln mit 100 Prozent Walgarantie

Bernd F. Meier, dpa

6.4.2019

Für solch ein Motiv kommen viele Feriengäste nach Vesterålen – die Inselgruppe eignet sich ideal dafür, Wale zu beobachten.
Für solch ein Motiv kommen viele Feriengäste nach Vesterålen – die Inselgruppe eignet sich ideal dafür, Wale zu beobachten.
Source: Asgeir Helgestad/Artic Light AS

Die Vesterålen hoch im Norden Norwegens sind längst nicht so bekannt wie die Lofoten. Die Inseln locken Wanderer in nordische Landschaften. Und werben mit 100 Prozent Walgarantie.

Steil windet sich der schmale Wanderpfad bergan. Dass die norwegische Königin Sonja auf der Rundstrecke bereits mehrere Male unterwegs war, macht es nicht leichter. Oben auf dem Bergrücken entschädigt die Aussicht auf das Nordpolarmeer die Mühen.

Die Wandergruppe begeht die 15 Kilometer lange Dronningruta. Bis zu acht Stunden wird sie unterwegs sein auf der Tour am Nordrand der Insel Langøya, die über den 448 Meter hohen Finngamheia führt. Es ist der höchste Punkt der landschaftlich abwechslungsreichen Route mit ihren Felsen, Bergseen, Bächen und sumpfigen Küstenzonen.

Vesterålen steht im Schatten der Lofoten. Dabei sind die Inseln ebenso wie die prominenten Nachbarn ein wahres Naturparadies. «Die Lofotenberge sind schroff, es gibt dort wenige Wanderrouten. Wir haben die grünen Alpen im Nordmeer», sagt Kjetil Paulsen, 48, Tourismusmanager in der Gemeinde Sortland. Nur auf einer Seite sind die Berge felsig, auf der anderen fallen sie sanft ab.

Wandern und Wale

Vesterålen ist weitläufig und zeigt alle Landschaftsbilder Nord-Norwegens: gezackte Felsen, Birkenwaldungen, grasgrünes Weideland, Schaf- und Kuhwiesen, Moore und einsame Binnenseen.

Durch nordische Landschaft: Wanderer unterwegs auf der Dronningruta, der Route der Königin. 
Durch nordische Landschaft: Wanderer unterwegs auf der Dronningruta, der Route der Königin. 
Source: Christian Roth Christensen

Zum Wandern und Wale beobachten kommen die meisten Reisenden nach Vesterålen mit den Hauptinseln Andøya, Langøya und Hadseløya. Feriengäste müssen in der Hauptsaison von Juni bis Anfang August trotz eines Boom des Wandertourismus nicht mit Massen rechnen.

Das Hurtigruten-Museum in Stokmarknes hat das ganze Jahr über geöffnet. Der Küstenort auf Hadseløya gilt als Gründungsstätte der legendären Postschifflinie, die am 2. Juli 1893 mit dem Dampfschiff «Vesteraalen» den regelmässigen Betrieb entlang der Küste zwischen Trondheim und Hammerfest aufnahm. Das Museum entführt in die Vergangenheit der «schnellen Linie» (Hurtigruten).



Seit 1936 verkehren die Hurtigruten-Schiffe täglich zwischen Bergen und Kirkenes. Dabei werden 34 Häfen angelaufen, in Vesterålen sind es Stokmarknes, Sortland und Risøyhamn. Auch im Winter versorgen die Schiffe die abgelegenen Küstenorte, wenn Gebirgsstrassen durch Schnee und Eis für den Autoverkehr unpassierbar sind.

Wale beobachten

Nach Andenes kommen Reisende aus aller Welt zur Walsafari. «Wir garantieren zu 100 Prozent, dass sie während einer Bootstour mit uns Wale sehen», verspricht eine Werbung. Ob das stimmen kann?

Postschiff auf Kurs: Die Hurtigruten-Schiffe laufen drei Häfen der Vesterålen an.
Postschiff auf Kurs: Die Hurtigruten-Schiffe laufen drei Häfen der Vesterålen an.
Source: Bernd F. Meier

«Ja klar, wir wissen, wo die Wale sind», sagt Geir Maan, 66. Der Seebär ist Eigner und Kapitän des Motorschiffs «Reine». Seit 1992 hat er schon Tausende Touren hinaus aufs Meer gemacht und dabei nach eigenen Worten Zehntausende Wale beobachtet. Bis zu 70 Tonnen schwere Pottwale im Juni und August, hin und wieder auch Delfine. Im Winter sind es die Buckel- und Schwertwale, die den Heringsschwärmen folgen.

Nur ein paar Meilen entfernt von der Küste fällt der Meeresgrund des Festlandssockels hinab auf 2000 Meter. «In diesem Bereich, dem Bleik-Canyon, finden die Wale ihre Nahrung», erklärt Maan. Zwischen zwei und vier Stunden dauert die schaukelige Bootstour, je nach Wind und Wetter hinaus aufs offene Meer oder in den stilleren Andfjord zwischen den Inseln Andøya und Senja.



«Wir haben Unterwasser-Mikrofone an Bord, um die Wale genau zu orten», sagt der Kapitän. Das Wetter kann jedoch einen Strich durch die Rechnung machen, denn bei Sturm und tosenden Wellen fallen die Touren buchstäblich ins Wasser. Die Gäste bekommen dann ihr Geld zurück, immerhin mehr als 100 Euro für Erwachsene. Jahr für Jahr kommen etwa 20'000 Besucherinnen und Besucher nach Andenes zu den Walsafaris.

Lachsfarm der Vesterålen

Ortswechsel in das 80-Einwohner-Dorf Blokken am Sortlandsund. Hier liegt die Lachsfarm der Vesterålen. Sie ist eine der wenigen Aquakulturen Norwegens, in denen Besucher die industrielle Fischproduktion aus nächster Nähe erleben. «14 Millionen Menschen essen täglich Lachs aus Norwegen», sagt Führer Sverre B. Birkeland. «Bei uns wachsen 300'000 Zuchtlachse heran.»

Die historische Post- und Handelsstation in Jennestad bei Sortland ist heute ein Museum.
Die historische Post- und Handelsstation in Jennestad bei Sortland ist heute ein Museum.
Source: Bernd F. Meier

Zwei bis zweieinhalb Jahre leben die Speisefische in der Aquakultur. Dann wiegen die Lachse sechs Kilo, sind schlachtreif und werden zur Fischfabrik in Stokmarknes gebracht, wo ihnen ein rasches Ende gemacht wird. Nur drei Stunden dauert die Verarbeitung zu versandfertigen Portionen, drei Tage und länger der Transport per Kühllaster nach Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien.

Sverre kam aus Lillehammer nach Vesterålen. Er ist einer der Zuwanderer, die in der Einsamkeit 300 Kilometer nördlich des Polarkreises ihr Lebensglück suchen. Die Zugezogenen stammen aus allen Regionen Norwegens – und manche aus Deutschland.

Verlassene Fischerdörfer

Ssemjon Gerlitz kann sich noch gut an den Tag erinnern, als er zum ersten Mal über die schmale, kurvige Schotterpiste nach Nyksund fuhr. Das war im Dezember 1997. «Die Strasse war halb zugewuchert, und in Nyksund war nichts.»

Nyksund war schon ausgestorben – bis zwei Deutsche dem Ort neues Leben einhauchten.
Nyksund war schon ausgestorben – bis zwei Deutsche dem Ort neues Leben einhauchten.
Source: Christian Roth Christensen

In den 1970er Jahren verliessen die Fischer ihre Heimat im Nordwesten von Langøya. Die Familien siedelten um in das 20 Kilometer entfernte Myre. Besiegelt schien damit das Schicksal von Nyksund, das in alten Zeiten als eines der reichsten und auch grössten Fischerdörfer in Vesterålen galt.

Nur in einem der halb verfallenen Häuser brannte das Licht: Karl Heinz Nickel wohnte dort und hatte sich bescheiden eingerichtet. Gemeinsam machten sich die beiden Rheinländer – Aussteiger Nickel aus Dormagen, Einwanderer Gerlitz aus Hilden bei Düsseldorf – an die Arbeit, um dem verlassenen Dorf neues Leben einzuhauchen.



Mehr als zwei Jahre schufteten sie, legten Frischwasser- und Abwasserleitungen. Freunde und Bekannte kamen in den Ferien aus Deutschland und halfen. «Alleine hätte ich das wohl niemals geschafft», sagt Gerlitz. Zumal Heinz Nickel bei den Arbeiten durch ein tragisches Unglück ums Leben kam.

Beliebtes Touristenziel

Nach und nach kehrten die Norweger zurück nach Nyksund, das heute kein ultimativer Geheimtipp mehr ist. Neben dem urigen Restaurant und Ssemjon Gerlitz' Pension gibt es ein Gasthaus, das von zwei deutschen Zuwanderern geführt wird. Die kleine Kapelle, ein Trödelladen, drei Galerien und eine Bar runden das pittoreske Ortsbild ab.

Der enge Trollfjord gehört ebenfalls zur Inselgruppe der Vesterålen.
Der enge Trollfjord gehört ebenfalls zur Inselgruppe der Vesterålen.
Source: Bernd F. Meier

Auch Passagiere von Kreuzfahrtschiffen erleben für Stunden das kleine Nyksund. Sie kommen per Bus aus Sortland, wo einmal im Monat etwas weniger grosse Schiffe anlegen.

Das Maximum seien 3500 Passagiere pro Schiff, sagt Hafendirektor Rune Werner Mourad. «Wir kurbeln den Tourismus an, aber haben die Verpflichtung, das richtige Mass für Vesterålen zu finden.» Fehler wie auf den Lofoten und am Geirangerfjord mit den riesigen Musikdampfern wollen sie hier vermeiden.

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