Klatsch und Tratsch Wie soll man mit der Gerüchteküche bei der Arbeit umgehen?

dpa

2.1.2019

Gerüchte sind oft nur harmlos, können aber sogar schädlich fürs Arbeitsklima sein.  
Gerüchte sind oft nur harmlos, können aber sogar schädlich fürs Arbeitsklima sein.  
Bild: iStock

Tuscheln und lästern ohne Grenzen: In Firmen kursieren mitunter wilde Geschichten. Wahr sind sie nicht unbedingt. Wie sollen sich Mitarbeiter am besten verhalten? Experten geben Tipps.

«Hast du schon gehört? Die Chinesen wollen den Laden übernehmen!» Oder: «Kennst du den Meier aus der Buchhaltung? Der ist verheiratet, hat zwei kleine Kinder und hat sich beim Weihnachtsessen die neue Teamleiterin geangelt!» So oder so ähnlich beginnen bei der Arbeit unzählige Geschichten aus der Gerüchteküche. Das ist meist zwar ganz unterhaltsam, aber nicht immer harmlos.

Denn das Wenigste davon entspricht der Wahrheit – schliesslich wird man beim Weitererzählen oftmals kreativ: Lücken werden logisch ergänzt, wie Coach Gabriele Bringer vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen erklärt. «Die Information wird bei jeder Weitergabe um eine Nuance verändert.» So entferne sich das Erzählte von der Wahrheit, aber es werde nicht bewusst gelogen.

Das bedeutet konkret: Vielleicht übernehmen nicht «die Chinesen» «den Laden», sondern die Führungsetage wird um einen Mitarbeiter mit asiatischen Wurzeln ergänzt. Der Meier und die neue Teamleiterin haben sich bei einem Glas Wein vielleicht auch nur angeregt über die Durchschlafprobleme des Nachwuchses ausgetauscht.

Gerüchte können verbinden, aber auch ausgrenzen

Und so bahnen sich die Geschichten aus der Gerüchteküche ihren Weg durch das Unternehmen. Um es positiv zu sehen: Zunächst einmal ist dieses Phänomen ein Beweis dafür, dass Menschen soziale Wesen sind und Interesse aneinander haben, wie Bringer erklärt. Und die Gerüchte sind oft schneller als der Dienstweg.



Ausserdem ist Tratschen laut Coach und Autor Bernd Wittschier verbindend: «Es ist einfach schön, mit Kollegen über jemanden zu reden. Das schafft Gemeinsamkeiten auch mit Leuten, mit denen man sonst nichts gemeinsam hat.»

Das Problem: Die Informationen werden in der Regel nicht hinterfragt. Es sei verrückt, was Menschen übereinander glauben, sagt Bringer. Sie erzählt von einem Fall aus der Praxis: Sie beriet eine Teamleitung, der ein schwieriges Gespräch mit einer Mitarbeiterin bevorstand. Es hiess, sie habe in einer Tabledance-Bar oben ohne getanzt. Die Frau wurde im Unternehmen schon komisch angeguckt, es wurden zweideutige Andeutungen gemacht.


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Nach dem Gespräch stellte sich heraus, dass sie lediglich auf einem Sommerfest einmal an einer Zeltstange getanzt hatte – und zwar vollständig angezogen.

Im weitesten Sinne um Dienstliches gehe es beim Lästern oft, wenn Dinge im Unternehmen unklar seien, sagt Wittschier. Er nennt das Beispiel einer anstehenden Fusion. «Wenn man nicht weiss, wo es hingeht, schürt das Ängste: Was passiert mit mir als Arbeitnehmer?» Geschichten entstehen und machen die Runde. Das kann zu Demotivation und Frustration führen und sogar Kündigungen nach sich ziehen.

Wo viel getratscht wird, läuft etwas schief

Eine klare Grenze zwischen harmlosen Geschichten und Tratsch, der das Arbeitsklima gefährdet, ist aber nicht leicht zu ziehen. Laut Wittschier sind Klatsch und Tratsch grundsätzlich meist ein Zeichen dafür, dass etwas schiefläuft. Schliesslich gebe es Grund für Spekulationen. Oder die Mitarbeiter würden sich nicht trauen, etwas offen auszusprechen.



Dass das Arbeitsklima vergiftet ist, merke man aber auch an etwas anderem: «Die verbale Kommunikation bekommt einen konfrontativen Stil», sagt Wittschier. Damit meint er Aussagen etwa über Kollegen oder Vorgesetzte wie: «Sollen die doch sehen, wie sie klarkommen.» Oder es heisst über bestimmte Aufgaben schlicht und ergreifend: «Das mache ich nicht. Kann die ja alleine machen.»

Zeichen für ein vergiftetes Arbeitsklima sei aber auch, wenn man sich komplett wegducke. «Man will mit der anderen Seite gar nicht mehr kommunizieren», erklärt Wittschier. Das könne in der täglichen Arbeit Grund für verheerende Fehler sein. Wenn es so weit gekommen ist, rät der Coach zum offenen Gespräch. «Auch wenn man es nicht glaubt: Oft lassen sich auch noch so verfahrene Situationen kitten.»

Wer nicht mittratscht, ist kein Spielverderber

So weit muss es aber gar nicht kommen. Am besten ist es, sich am Getratsche möglichst nicht zu beteiligen, meint Coach und Etiketten-Expertin Elisabeth Bonneau. Aber nicht mitmachen – das ist ein bisschen knifflig.

Bonneau rät, Gerüchte nicht mit Ablehnung wie «Da mache ich nicht mit!» zu blockieren und den Kollegen nicht mit Belehrungen wie «Was ihr macht, ist Mist!» vor den Kopf zu stossen. Stattdessen könne man sich die Geschichten anhören, mit einem freundlichen «Ach, interessant» quittieren und das Gehörte für sich behalten.

«Das ist höflich, zeigt aber auch, dass es nicht das eigene Ding ist», erklärt Bonneau. Wer auf die Tratsch-Eröffnungsfrage «Hast du schon gehört?» tatsächlich die Möglichkeit bekommt, zu antworten, könne freundlich aber bestimmt entgegnen: «Nein, aber das ist mir auch ganz lieb.»



Andere Regeln gelten für Vorgesetzte: «Als Chef sollte man auf jeden Fall der Spielverderber sein und Klatsch und Tratsch unterbinden», betont Bonneau. Wenn jemand trotzdem erzählt, kann die Vorgesetzte fragen: «Was stellen Sie sich jetzt vor, was ich mit dieser Information mache?» Oder auch: «Würden Sie der Person das auch ins Gesicht sagen?»

Denn so unterhaltsam und nett Gerüchte auch sein mögen – es hilft, einmal innezuhalten und sich zu fragen: Würde ich wollen, dass so etwas über mich herumgeistert?

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