Italien müsse seine teuren Staatsschulden verringern, um sich von den Kräften des Marktes zu befreien, meint Cottarelli. Staatspräsident Mattarella will ihn zum Ministerpräsidenten machen, aber der designierte Regierungschef hat auch Feinde.
Carlo Cottarelli hat 25 Jahre für den Internationalen Währungsfonds gearbeitet und glaubt fest an den Euro und die Notwendigkeit einer Verringerung der Staatsschulden in Italien. Am Montag hat Staatspräsident Sergio Mattarella den Ökonomen als neuen Ministerpräsidenten vorgeschlagen.
Erste Regierungserfahrung sammelte Cottarelli in der kurzlebigen Mitte-links-Regierung von Enrico Letta. Er war dafür zuständig, Bereiche zu finden, in denen die Regierungsausgaben gekürzt werden können. Er fand Einsparpotenziale von 32 Milliarden Euro, verliess die Regierung aber verbittert, nachdem der Widerstand gegen Kürzungen in der Bürokratie zu einem Hindernis geworden war.
Mattarella beauftragte Cottarelli mit dem Versuch, eine Regierung zu bilden, die Italien bis zu einer vorgezogenen Wahl führen kann. Laut Cottarelli könnte es bereits im Herbst zu einer Neuwahl kommen.
Cottarelli versuchte mit seinen ersten Äusserungen, die Märkte und die europäischen Partner Italiens zu beruhigen. Er versicherte, dass seine Regierung umsichtig mit der Staatsverschuldung umgehen werde. Mit 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist sie in der EU die höchste nach der von Griechenland.
«Die sieben Todsünden der italienischen Wirtschaft»
Cottarelli versprach, Brüssel zu drängen, auf die Sorgen der Italiener zu reagieren. Ein solcher Dialog müsse vollständig anerkennen, dass die Rolle Italiens in der EU als Gründungsmitglied essenziell sei, ebenso wie die weitere Beteiligung an der Eurozone, sagte er.
Cottarelli hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und Bankwesen von der Universität von Siena und einen Master der London School of Economics. Er arbeitete sieben Jahre bei der italienischen Zentralbank und dann eines beim Ölkonzern Eni, bei beiden in der Forschung. Dann ging er zum IWF, für den er 25 Jahre tätig war und wo er sich auf Geldpolitik, Kapitalmärkte und Finanzangelegenheiten fokussierte.
Seit Oktober leitete er eine Beobachtungsstelle für öffentliche Finanzen an der katholischen Universität von Mailand. Auf Twitter hat er 15'000 Follower.
Kürzlich schrieb er das Buch «Die sieben Todsünden der italienischen Wirtschaft», das als Leitbild für eine neue Regierung betrachtet werden kann. Als Sünden listet er Korruption, Steuerhinterziehung, bürokratischen Sumpf, Langsamkeit der Justiz, niedrige Geburtenrate, den Unterschied zwischen Nord und Süd und Schwierigkeiten bei der Akzeptanz des Euros auf.
In seiner letzten Rolle ist Cottarelli regelmässig in italienischen Medien aufgetreten, um die Finanzpläne der populistischen Parteien zu bewerten, die gehofft hatten, zusammen eine Regierungskoalition einzugehen: die Fünf-Sterne-Bewegung und die rechtsgerichtete Lega. Ihr Versuch, eine Regierung zu bilden, scheiterte am Beharren auf einen Wirtschaftsminister mit Euro-feindlichen Ansichten. Der Staatspräsident sagte, dass dies eine Bedrohung für die Ersparnisse und Investitionen der Italiener sei.
«Die Sache jetzt aufzugeben, scheint mir ein Fehler zu sein»
Cottarelli sagte Radio Radicale vor zwei Wochen, der Hauptfehler von Bewegung und Lega sei, dass sie «die Leute irgendwie glauben machen, dass ohne den Euro alle Probleme verschwinden würden.... Nun versuchen sie zu sagen, dass wir genetisch inkompatibel mit dem Euro sind.»
Er wies das Argument zurück, dass Italien strukturell schwächer als Deutschland sei. Die Botschaft müsse sein: «Wenn wir eine Währung teilen, müssen wir uns anders verhalten.» Die Inflation in Italien sei derzeit niedriger als die in Deutschland, was Italien wirtschaftlich wettbewerbsfähiger mache. «Die Sache jetzt aufzugeben, scheint mir ein Fehler zu sein», sagte er.
Cottarelli hat auch betont, dass die enormen Staatsschulden, die jährlich etwa 60 Milliarden Euro Zinsen kosten, verringert werden müssten, um Italien von den Kräften des Marktes zu befreien.
Solche Referenzen machten ihn für Mattarella zu einer naheliegenden Wahl. Die Aussichten auf eine neutrale Regierung wurden aber von den beiden populistischen Parteien gedämpft, die sie als weiteren Versuch von Partikularinteressen darstellten, Italien gegen den Willen des Volkes zu kontrollieren.
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