Achtung, Europa Macht. Mensch. Salvini.

Von Philipp Dahm

20.8.2019

Italienische Politik ist kein Kontinuum. Das Rücktrittsangebot von Giuseppe Conte könnte den Weg für einen frei machen, der sich mit gnadenloser Konstanz nach oben gearbeitet hat: Populist Matteo Salvini.

Als Matteo Salvini am 9. März 1973 in Mailand zur Welt kommt, deutet natürlich noch nichts auf eine Karriere als populistischer Politiker hin: Der Sohn einer Hausfrau und eines Managers besucht in seiner Geburtsstadt eine katholische Schule und ist bei den Pfadfindern.

Als Schüler am Gymnasium verbringt er seine Freizeit in einem linken Jugendzentrum. In seiner Freizeit findet man «Teo» in der Fankurve der AC Milan. Doch als Salvini 17 Jahre alt ist, tritt er der Lega Nord bei – und macht in dieser Partei Karriere, jener Partei, die propagiert, dass der Süden nur die Bremse des wirtschaftsstarken Norditalien sei. Nach der Schule schreibt sich Salvini dann an der Universität ein: erst Politikwissenschaften, dann Geschichte. Einen Abschluss macht er nie.

Kein Wunder: Bereits 1993 wird er – mit nur 20 Jahren – in den Mailänder Stadtrat gewählt und bleibt zehn Jahre lang Teil des Lokalparlaments. «Teos» damaliges Idol ist Umberto Bossi, der die Lega Nord 1989 mitgegründet hat. Über ihn muss man wissen: Bossi ist Vordenker einer norditalienischen Autonomie, wird Minister im Kabinett Silvio Berlusconis und versucht 1997, ein neues Parlament ins Leben zu rufen – und zwar im ideologisch aufgeblasenen Padanien: Das Gebiet umfasst Mittel- und Norditalien.

Lehrjahre in der Partei-Mühle

2001 wird Bossi erneut Minister unter Berlusconi, doch 2004 wirft ihn ein Hirnschlag kräftemässig aus der Bahn. Zur selben Zeit hat der erst 31-jährige Salvini bereits sechs Jahre Arbeit als Lega-Nord-Parteisekretär hinter sich gebracht. Zu diesem Zeitpunkt scheint «Teo» perfekt in Bossis Fussstapfen zu passen.

Haushaltsstreit im Palazzo Chigi – Salvini am 22. Oktober 2018 in Rom.
Haushaltsstreit im Palazzo Chigi – Salvini am 22. Oktober 2018 in Rom.
Bild: Keystone

Wie sein Vorbild vertritt er einen fremdenfeindlichen Rechtskurs – und Salvini, der wie Bossi doch erklärter Norditaliener ist, kommt wie sein Idol ausgerechnet mit einer Süditalienerin zusammen: Nach der Heirat 2003 wird Sohn Federico geboren. Seine Ehefrau, Fabrizia Ieluzzi, habe seine Verehrung für den Altrechten «nicht besonders gut» gefunden, wie Salvini «La Repubblica» einmal verraten hat. Die beiden hätten sich bis dato nur einmal beim Znacht getroffen: «Und man kann nicht sagen, dass sie besonders nett geblieben ist.»

Des Salvinis neue Kleider – jedem Publikum sein Outfit:

Salvinis nächstes Ziel lautet dann, via Europawahl 2004 ins EU-Parlament in Strassburg einzuziehen. Das Vorhaben gelingt: Und Salvini bleibt dort tatsächlich bis 2018 Abgeordneter. Die Hauptstadt Rom reizt ihn damals offenbar noch nicht: Nach einem Abstecher ins Abgeordnetenhaus von 2008 bis 2009 kehrt «Teo» zurück nach Strassburg und baut sein Profil als Scharfmacher aus.

Königsmord und Kreml-Hilfe 

Salvini schlägt die Rassentrennung im Zugverkehr  vor und macht Front gegen Einwanderer. Eine neue Frau tritt in sein Leben: Mit Giulia hat er eine Tochter, doch auch diese Beziehung geht in die Brüche. Auch parteiintern zieht der Fussballfan in die Schlacht – und wird sodann zum Königsmörder. Ausgerechnet sein früheres Vorbild ist ihm nach dessen Schlaganfall ein Dorn im Auge: Salvini manövriert jenen Bossi aufs Abstellgleis, bis er ihn 2013 schliesslich in einer Wahl in die Knie zwingt.

Matteo Salvini angespannt an einer Vertrauensabstimmung zur Sicherheit in Rom am 5. August 2019.
Matteo Salvini angespannt an einer Vertrauensabstimmung zur Sicherheit in Rom am 5. August 2019.
Bild: Keystone

Er braucht den Altvorderen nicht mehr: Salvini sucht sich neue, mächtige Freunde. Ab 2014 pflegt er regelmässig Kontakt zu Wladimir Putin und baut 2015 die neue rechtspopulistische Fraktion im EU-Parlament mit auf. Die Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit eint ihn mit Gesinnungsgenossen wie Marie Le Pen aus Frankreich, Geert Wilders aus den Niederlanden und der österreichischen FPÖ. Das gemeinsame Feindbild: Europa, der Euro, die Globalisierung – und die Einwanderung.

Seit 2017 ist seine Gruppierung mit der Regierungspartei Einiges Russland verbandelt: Moskau unterstützt die Politiker, die die EU beschädigen – und Russlands Position auf dem Kontinent so verbessern. Das Meisterstück gelingt Salvini jedoch 2018, als er die Lega Nord in die Lega umwandelt. Gerade noch predigt er, der Norden brauche den Süden nicht – und dann fährt Salvini im Wahlkampf in genau jenen Süden und lässt die Menschen dort vergessen, was als gestriges Geschwätz eh keinen mehr interessiert. Und er umgarnt sie.

Am Ziel

Bei den Parlamentswahlen 2018 holt die Partei gut 17 Prozent: Teo wird Innenminister im neuen Kabinett, trommelt gegen «Illegale» und schliesst die Häfen für Flüchtlingsschiffe. Frustwähler und rechtes Stimmvolk belohnen diesen Kurs mit 34 Prozent Stimmenanteil bei den Europawahlen 2019.

Regierungschef Giuseppe Conte hat seinen Rücktritt angeboten.
Regierungschef Giuseppe Conte hat seinen Rücktritt angeboten.
Bild: Keystone

Und nun scheint der Machtmensch am Ziel: Vergangene Woche lässt Salvini die Regierungskoalition platzen, am heutigen Dienstag kündigt Regierungschef Giuseppe Conte seinen Rücktritt an. Wenn Staatspräsident Sergio Mattarella die Demission annimmt, müssen innert 60 Tagen Neuwahlen stattfinden.

Waffenrazzia bei den Neonazis:

Salvini könnte Conte beerben. Ihm bleibt fast auch nichts anderes übrig: Salvini hat ausser in seiner Partei nie einen anderen Job gehabt. Er ist Berufspolitiker, und dies ohne jeden Skrupel: Bereits Ende letzter Woche hat er dem exorbitant verschuldeten Land Steuererleichterungen versprochen.

Er würde alles versprechen, wenn es ihm dazu dient, sein Ziel zu erreichen. So war es immer.

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