Late Night USA «Trump ist kein Schweizer Sackmesser, eher ein spitzer Stock»

Von Philipp Dahm

9.8.2019

Angeblicher Anruf im Weissen Haus: Wayne LaPierre soll Trump gewarnt haben.
Angeblicher Anruf im Weissen Haus: Wayne LaPierre soll Trump gewarnt haben.
Screenshot: YouTube

Mässigt sich Donald Trump nach den Amokläufen in den USA? Von wegen: Er greift sogar die an, die ihn loben. Vielleicht liegt es an dem Warnschuss, den die Waffenlobby auf ihn abgegeben hat.

«Donald Trump ist kein Schweizer Sackmesser, sondern ein spitzer Stock», begräbt Seth Meyers gleich zu Beginn seiner «Late Night»-Show die Hoffnung, der US-Präsident schlage nach den Amokläufen einen gemässigteren Ton an.

Und immer wieder werde dem 73-Jährige ja vorgeworfen, seine Rhetorik radikalisiere. «Meine Kritiker sind politische Leute, die Argumente vorbringen», antwortet er vor dem Weissen Haus am 8. August darauf.

«Ich stimme zu. Die bringen Argumente. Aber das ist keine Verteidigung, sondern nur eine Beschreibung dessen, was passiert», kontert Meyers – und parodiert: «Meine Kritiker sind Menschen, die Sätze mit ihrem Mund formen, und aus diesen Mündern kommen Worte, die Englisch sind ...»

Nein, Trump habe keine Kreide nach den Amokläufen gefressen. Er könne nicht einmal einige Stunden die Füsse stillhalten, bevor er wieder gegen jemanden austreten müsse, meint der Moderator. Als Ersten erwischt es Joe Biden, der in Iowa eine Wahlkampfrede gehalten hat, die Trump «soooo langweilig» fand.

Die «Lamestream Media» – ein Kofferwort aus lame, lahm und Mainstream Media – müsste mit miesen Einschaltquoten rechnen, und wenn Biden ins Weisse Haus zügelte, stünde es schlecht um die Nation. «Aber wenigstens China würde sich freuen». Als der Demokrat Biden auf Trumps Tweet angesprochen wird, sagt er bloss: «Hat er nichts Besseres zu tun?»

Biden zu Trumps Tweet: «He should get a life.»
Biden zu Trumps Tweet: «He should get a life.»

Das Problem sei schlicht, dass es nun einmal Trumps Lebensinhalt sei, sich mit anderen anzulegen. Sogar mit jenen, die ihm gar nichts täten, betont Meyers. «Zum Beispiel hat er einen völlig bizarren Streit mit der Bürgermeisterin von Dayton, Nan Whaley, und mit Sherrod Brown, Abgeordneter von Ohio, vom Zaun gebrochen.»

Obwohl sich die beiden Demokraten nicht negativ über Trumps Besuch in Dayton geäussert hätten – neun Menschen wurden dort erschossen –, sei der Präsident auf Twitter auf Kollisionskurs gegangen. «Jetzt denken Sie vielleicht: Wie könnte er deswegen böse sein? Wenn Sie das denken, haben Sie nicht Donald Trumps Hirnkrankheit.»

Meyers kommt ab Minute 4:24 dann so richtig in Fahrt: «Ich frage im Ernst: Worüber zum Teufel sprichst du? Wie kannst du nach dem, was sie gesagt haben, wütend auf sie sein? Welche Chemikalie fehlt in deinem Gehirn, dass du so bist? Ist es dieselbe, die dafür verantwortlich ist, wo du hinläufst?» Dazu zeigt er einen Ausschnitt vom Beginn der Woche, in dem der Präsident auf dem Rasen des Weissen Hauses vor den Reportern davonläuft, aber Gattin Melania vergisst und deshalb wie ziellos durch die Gegend irrt.

Trump  vorm Weissen Haus: Bloss weg von den nervigen Reportern! Moment, da war doch was? Mist, Melania vrgessen. Ich stell' mich einfach hier hinten hin und tue, als sei nichts passiert.
Trump  vorm Weissen Haus: Bloss weg von den nervigen Reportern! Moment, da war doch was? Mist, Melania vrgessen. Ich stell' mich einfach hier hinten hin und tue, als sei nichts passiert.

Ab Minute 5:04 folgt ein Ausschnitt, in dem Nan Whaley erstmals den Tweet Trumps liest: Die Politikerin ist völlig verdutzt: «Oh Mann. Naja, er lebt eben in seiner Twitter-Welt.»

Der wahre Grund für die Twitter-Ohrfeige dürfte ein anderer sein: Die Demokraten hatten den Spitalbesuch nicht kritisiert, wohl aber den Einfluss der National Rifle Organisation (NRA) aufs Weisse Haus. «Die Waffenlobby gibt republikanischen Kandidaten Millionen von Dollar», moniert etwa der Abgeordnete Brown. «Im Senat geht nichts voran, weil [der republikanische Mehrheitsführer] Mitch McConnell und Trump [mit ihnen] im Bett liegen.»

Die Demokraten Brown und Whaley haben den Einfluss der NRA kritisiert, wofür es von Trump Twitter-Tadel gab.
Die Demokraten Brown und Whaley haben den Einfluss der NRA kritisiert, wofür es von Trump Twitter-Tadel gab.

Dass dieser Schuss ein Treffer ist, legt Trumps Reaktion auf die Frage nach schärferen Waffenkontrollen nahe, wie ab Minute 7:15 zu sehen ist. «Ich habe viele Gespräche in den letzten beiden Tagen geführt. Ich denke, es wird eine Antwort geben, wir werden eine Antwort geben, die wirklich sehr gut sein wird – über alles hinausgehend, was es bis jetzt gegeben hat. Ich denke, wir können Hintergrundchecks wie nie zuvor machen. Ich glaube, Demokraten und Republikaner sind nah am Abschluss eines Gesetzes über etwas mit Hintergrundchecks. »

NRA setzt Trump Pistole auf die Brust

Angeblich hat der Chef der Waffennarren am Dienstag sogar im Weissen Haus angerufen, um – im Jargon geblieben – einen Warnschuss abzugeben: Wayne LaPierre soll gewarnt haben, dass strengere Kontrollen nicht gut bei seinen Mitgliedern ankommen würden. Es sei also kein Wunder, dass Trump derart vage war, als Reporter ihn auf das Thema angesprochen haben. Er ist ein Meister darin, viele Worte zu benutzen, um absolut nichts zu sagen.

Late Night USA – Amerika verstehen

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Meyers beleuchtet ab Minute 9:05 noch, dass Trump und sein Team ja auch noch jene Rechnung von knapp 570'000 Dollar in El Paso offen hätten – Unkosten einer republikanischen Wahlkampfveranstaltung im Februar.

Dabei sollte es an Geld nicht fehlen: Wer bei einer kommenden Spendensammlung in den Hamptons, New York, an Trumps Tisch sitzen will, kann sich dort für sage und schreibe 250'000 Dollar einkaufen. Der Präsident sei ein Ganove wie der Chef der NRA, ärgert sich Meyers. Warum? Nun ja: Wayne LaPierre hat sich von seinem Verein ein sechs Millionen Dollar teures Anwesen in Dallas kaufen lassen.

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