Diese fünf Folgen der Attacke auf das World Trade Center sind kaum bekannt
Der Tag, an dem der Himmel über New York grau wurde: Die Bilder von 9/11 sind in das Gedächtnis ganzer Generationen eingebrannt. So manche Folge des Anschlags war dabei nicht vorhersehbar. Fünf Fakten im Video.
09.09.2021
Zornig haben die USA nach dem 11. September 2001 nach Schuldigen gesucht. 20 Jahre später ist Osama bin Laden zwar tot und Al-Kaida dezimiert, doch das Sicherheitsproblem hat sich eher verschärft.
Von Philipp Dahm
11.09.2021, 11:58
Philipp Dahm
Der Tag, der die Welt veränderte, jährt sich heute nun schon zum 20. Mal. Kurz zuvor haben die USA den längsten Krieg ihrer Geschichte beendet. Der Abzug hätte eigentlich heute enden sollen, doch wegen der Bedeutung des Datums und aus Angst vor Anschlägen wurde der Termin auf den 31. August verlegt.
«Unsere Lebensart, unsere Freiheit wurde angegriffen», sagt George W. Bush am Abend der Attacke im TV. «Die Sucher nach den Hintermännern dieser Untaten läuft. Wir werden keinen Unterschied machen zwischen den Terroristen, die diese Taten vollbracht haben, und den, die sie beherbergen.»
Die Attentate haben ein Problem offenbart: Wie bekämpft man Terroristen, die transnational arbeiten? Washington antwortet mit dem War on Terror, der bis heute andauert. Zwei Staaten bekommen die geballte Wut zu spüren: Die Kampagne gegen den Irak dauert von 2003 bis 2011, die in Afghanistan von 2001 bis 2021.
Islamistische Hydra
Erklärtes Ziel des so getauften War on Terror war die Auslöschung des al-Qaida-Netzwerks. Vordergründig mag das mit der Liquidierung des Kopfes hinter den Anschlägen erreicht worden sein, doch auch nach Osama bin Ladens Tötung im Jahr 2011 geht der Kampf der USA weiter. Erst der Abzug aus Kabul am 31. August 2021 beendet nach 20 Jahren die Mission.
Operation Neptune Spear – die Tötung Osama bin Ladens
Osama bin Laden auf einem Foto aus Afghanistan von 1988 – er hat die Terrororganisation Al Qaida gegründet und ist für die Anschläge vom 11. September 2001 verantwortlich. Seither ist er auf der Flucht vor der Rache von Uncle Sam. Jahrelang kann er sich ...
Bild: Keystone
... vor seinen Häschern im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan verstecken, obwohl er der wohl meistgesuchte Mann in der US-Geschichte ist. Das Foto ist aus dem Jahr 1998: Seit diesem Jahr benutzte der Terrorist keine Telefone mehr.
Bild: Keystone
Die CIA kam bin Laden durch seinen Kurier auf die Schliche, der Abu Ahmed al-Kuwaiti hiess. Seine Stimme konnte identifiziert werden. Sein Aufenthaltsort: dieses Haus in Abbottabad in Pakistan.
Bild: Keystone
Der US-Geheimdienst begann, das Haus zu überwachen, in dem sich vor allem al-Kuwaiti und seine Familie aufhielten, aber aus dem zuweilen auch ein Mann in den Hof trat, den die Amerikaner «Pacer» tauften.
Bild: Keystone
War «Pacer» der meistgesuchte Mann der Welt? Die Berater von Barack Obama haben dem US-Präsidenten einen Luftangriff empfohlen, doch Sicherheit hätte das Weisse Haus nur beim Einsatz eines Kommandos.
Bild: Keystone
Obama gab grünes Licht für die Operation Netune Spear – dieses Bild aus dem «Situation Room» des Weissen Hauses geht später um die Welt. Vize Joe Biden und Präsident Obama (von links) schauen gebannt zu, als sie laufend über den Einsatz informiert werden.
Bild: Keystone
Für die Aktion mussten die beteiligten Soldaten vorübergehend aus der Armee aus- und in die CIA eintreten, weil sich die USA nicht im Krieg mit Pakistan befunden haben. Kommando-Einheiten der Navy Seals (im Archivbild zu sehen) meldeten sich freiwillig.
Bild: Keystone
Zwei hochmoderne Helikopter mit Tarneigenschaften sollten die Soldaten ins Ziel bringen, während sich zwei Chinook-Helikopter als Unterstützung im Hintergrund bereit hielten. Das Kommando flog im Schutze der Dunkelheit das Ziel an, ...
Bild: WikiCommons/Yuvalnato
... wobei einer der beiden Helikopter kurz vor dem Gebäude abstürzte. Die Soldaten blieben aber unverletzt, drangen von zwei Seiten auf das Haus vor und dann in das Gebäude ein.
Bild: Symbobild: US Navy
Die Spezialeinheit tötet im unteren Stockwerken Kurier al-Kuwaiti, seinen Bruder Abrar und dessen Frau Bushra. Als sie in den zweiten Stock hinaufgehen, erwischen sie Osama bin Ladens Sohn Khalid und sprengen sich den Weg ...
Bild: Keystone
... in den dritten Stock frei, wo sich der Gesuchte und zwei Frauen versteckt haben. Die Frauen werden beiseite gestossen, bevor der US-Soldat Robert J. O'Neill, bin Laden mit zwei Kopfschüssen liquidiert.
Bild: Keystone
Die Seals meldeten am 2. Mai 2011: «Für Gott und Vaterland – Geronimo, Geronimo, Geronimo.» Möglicherweise war Geronimo der Codename für bin Laden, doch diese These ist umstritten. Als die Soldaten um Bestätigung gebeten werden, antworten sie: «Geronimo – EKIA» (enemy killed in action).
Bild: Symboldbild: Keystone
Der grösste Feind der USA ist tot: Barack Obama schüttelte Admiral Mike Mullen die Hand. Aussenministerin Hillary Clinton schaut zu. Den Leichnam nimmt das Kommando mit. Er wird später ...
Bild: Keystone
... eingeäschert, doch kein Land will seine sterblichen Überreste übernehmen. Auch seine Heimat Saudi-Arabien nicht. Seine Asche wird schliesslich nach muslimischem Ritual keine 24 Stunden nach seinem Tod vom Flugzeugträger USS Carl Vinson aus im Arabischen Meer verstreut.
Bild: Keystone
Ein indischer Zeitungsstand am 3. Mai: Die Nachricht vom Tod des Terroristen schlug ein wie eine Bombe.
Bild: Keystone
Die «Times» erschien am 5 Mai 2011 in einer Aufmachung wie schon beim Tod von Adolf Hitler oder Saddam Hussein.
Bild: Keystone
Während die Öffentlichkeit in den USA noch am 2. Mai in frenetischen Jubel ausbrach ...
Bild: Keystone
... und erleichtert aufatmete, ...
Bild: Keystone
... sorgte der Einsatz in Pakistan ...
Bild: Keystone
... oder Ägypten für Demonstrationen gegen die USA:
Bild: Keystone
Die pakistanische Armee transportiert Teile des abgestürzten Helikopters ab: Es ist unklar, ob der pakistanische Geheimdienst über den Angriff Bescheid wusste. Die Regierung erfuhr jedenfalls erst später vom Einsatz.
Bild: Keystone
Das Haus, in dem bin Laden sein Leben liess, wurde 2012 abgerissen.
Bild: Keystone
Eines der letzten Fotos von bin Laden zeigt den Terroristen in seinem Unterschlupf wenige Tage vor seinem Tod am 2. Mai 2011. Er wurde 54 Jahre alt.
Bild: Keystone
Operation Neptune Spear – die Tötung Osama bin Ladens
Osama bin Laden auf einem Foto aus Afghanistan von 1988 – er hat die Terrororganisation Al Qaida gegründet und ist für die Anschläge vom 11. September 2001 verantwortlich. Seither ist er auf der Flucht vor der Rache von Uncle Sam. Jahrelang kann er sich ...
Bild: Keystone
... vor seinen Häschern im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan verstecken, obwohl er der wohl meistgesuchte Mann in der US-Geschichte ist. Das Foto ist aus dem Jahr 1998: Seit diesem Jahr benutzte der Terrorist keine Telefone mehr.
Bild: Keystone
Die CIA kam bin Laden durch seinen Kurier auf die Schliche, der Abu Ahmed al-Kuwaiti hiess. Seine Stimme konnte identifiziert werden. Sein Aufenthaltsort: dieses Haus in Abbottabad in Pakistan.
Bild: Keystone
Der US-Geheimdienst begann, das Haus zu überwachen, in dem sich vor allem al-Kuwaiti und seine Familie aufhielten, aber aus dem zuweilen auch ein Mann in den Hof trat, den die Amerikaner «Pacer» tauften.
Bild: Keystone
War «Pacer» der meistgesuchte Mann der Welt? Die Berater von Barack Obama haben dem US-Präsidenten einen Luftangriff empfohlen, doch Sicherheit hätte das Weisse Haus nur beim Einsatz eines Kommandos.
Bild: Keystone
Obama gab grünes Licht für die Operation Netune Spear – dieses Bild aus dem «Situation Room» des Weissen Hauses geht später um die Welt. Vize Joe Biden und Präsident Obama (von links) schauen gebannt zu, als sie laufend über den Einsatz informiert werden.
Bild: Keystone
Für die Aktion mussten die beteiligten Soldaten vorübergehend aus der Armee aus- und in die CIA eintreten, weil sich die USA nicht im Krieg mit Pakistan befunden haben. Kommando-Einheiten der Navy Seals (im Archivbild zu sehen) meldeten sich freiwillig.
Bild: Keystone
Zwei hochmoderne Helikopter mit Tarneigenschaften sollten die Soldaten ins Ziel bringen, während sich zwei Chinook-Helikopter als Unterstützung im Hintergrund bereit hielten. Das Kommando flog im Schutze der Dunkelheit das Ziel an, ...
Bild: WikiCommons/Yuvalnato
... wobei einer der beiden Helikopter kurz vor dem Gebäude abstürzte. Die Soldaten blieben aber unverletzt, drangen von zwei Seiten auf das Haus vor und dann in das Gebäude ein.
Bild: Symbobild: US Navy
Die Spezialeinheit tötet im unteren Stockwerken Kurier al-Kuwaiti, seinen Bruder Abrar und dessen Frau Bushra. Als sie in den zweiten Stock hinaufgehen, erwischen sie Osama bin Ladens Sohn Khalid und sprengen sich den Weg ...
Bild: Keystone
... in den dritten Stock frei, wo sich der Gesuchte und zwei Frauen versteckt haben. Die Frauen werden beiseite gestossen, bevor der US-Soldat Robert J. O'Neill, bin Laden mit zwei Kopfschüssen liquidiert.
Bild: Keystone
Die Seals meldeten am 2. Mai 2011: «Für Gott und Vaterland – Geronimo, Geronimo, Geronimo.» Möglicherweise war Geronimo der Codename für bin Laden, doch diese These ist umstritten. Als die Soldaten um Bestätigung gebeten werden, antworten sie: «Geronimo – EKIA» (enemy killed in action).
Bild: Symboldbild: Keystone
Der grösste Feind der USA ist tot: Barack Obama schüttelte Admiral Mike Mullen die Hand. Aussenministerin Hillary Clinton schaut zu. Den Leichnam nimmt das Kommando mit. Er wird später ...
Bild: Keystone
... eingeäschert, doch kein Land will seine sterblichen Überreste übernehmen. Auch seine Heimat Saudi-Arabien nicht. Seine Asche wird schliesslich nach muslimischem Ritual keine 24 Stunden nach seinem Tod vom Flugzeugträger USS Carl Vinson aus im Arabischen Meer verstreut.
Bild: Keystone
Ein indischer Zeitungsstand am 3. Mai: Die Nachricht vom Tod des Terroristen schlug ein wie eine Bombe.
Bild: Keystone
Die «Times» erschien am 5 Mai 2011 in einer Aufmachung wie schon beim Tod von Adolf Hitler oder Saddam Hussein.
Bild: Keystone
Während die Öffentlichkeit in den USA noch am 2. Mai in frenetischen Jubel ausbrach ...
Bild: Keystone
... und erleichtert aufatmete, ...
Bild: Keystone
... sorgte der Einsatz in Pakistan ...
Bild: Keystone
... oder Ägypten für Demonstrationen gegen die USA:
Bild: Keystone
Die pakistanische Armee transportiert Teile des abgestürzten Helikopters ab: Es ist unklar, ob der pakistanische Geheimdienst über den Angriff Bescheid wusste. Die Regierung erfuhr jedenfalls erst später vom Einsatz.
Bild: Keystone
Das Haus, in dem bin Laden sein Leben liess, wurde 2012 abgerissen.
Bild: Keystone
Eines der letzten Fotos von bin Laden zeigt den Terroristen in seinem Unterschlupf wenige Tage vor seinem Tod am 2. Mai 2011. Er wurde 54 Jahre alt.
Bild: Keystone
Al-Qaida hat in Afghanistan sicherlich nicht mehr eine Basis wie noch anno 2001, und auch Staaten wie Saudi-Arabien haben sich von den Extremisten abgewandt und ihnen gar Staatsbürgerschaften entzogen – wie im Falle von bin Laden. Doch regional existieren nach wie vor nicht nur im Kaukasus, sondern auch in Ländern wie dem Jemen oder Syrien noch al-Qaida-Zellen.
Der radikale Islamismus ist damit nicht verschwunden. Im Gegenteil: Andere Gruppen wie der so genannte Islamische Staat, die al-Nusra-Front oder Boko Haram füllen die Lücke, verüben weiterhin den Krieg gegen den Westen und bald auch Anschläge nach Europa.
Teile und herrsche
Dasselbe gilt für die einstigen Kriegsgegner: Die Sicherheitslage im Irak ist unterirdisch, Anschläge an der Tagesordnung – und der Staat ist zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden gespaltener denn je, während Amerika seinen Ruf in dem Land völlig verspielt hat, wie etwa die Reaktion der Iraker auf die Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani in Baghdad im Januar 2020 gezeigt hat.
In Afghanistan hat das Weisse Haus bewusst darauf verzichtet, einen stabilen Staat zu etablieren. So haben die USA dort regionale Milizen aufgebaut, die nicht an Kabul, sondern Washington rapportieren. Als Präsident Hamid Karzai dagegen protestiert, werden ihm solange Dollar in den Mund geworfen, bis er über die Schwächung der Regierungsmacht schweigt.
Wen kann es unter solchen Voraussetzungen verwundern, dass jegliche Loyalität in sich zusammenfällt, sobald die USA das Feld räumen? Es ist zwar mehr als fraglich, ob jedwede Art von nation building im Kaukasus je funktioniert hätte, doch Afghanistan konnte nur scheitern, wenn stets nach dem alten Kolonialisten-Motto Divide et impera, also «Teile und herrsche», gehandelt wird.
Politik mit zweierlei Ellen
Ein Problem war und bleibt auch die Zweischneidigkeit der amerikanischen Nahost-Politik: Einerseits soll der radikale Islamismus bekämpft werden, andererseits halten die USA eine enge Verbindung zum saudischen Herrscherhaus, obwohl Riad weltweit Förderer eines besonders strengen Islams ist.
Einerseits malt sich das Weisse Haus gern Werte wie das Eintreten für die Menschenrechte auf die Fahnen, andererseits schaut Washington weg, wenn Saudi-Arabien im Jemen humanitäre Katastrophen herbeibombt. Und natürlich sollen im Irak alle Gruppen fair beteiligt werden, aber dann bitteschön mit weniger Schiiten, um dem Iran ja nicht zu viel Einfluss bekommen zu lassen.
Doch der War on Terror umfasst nicht bloss Schauplätze in Afrika und dem Nahen Osten: Er wird auch offen vor der eigenen Haustür geführt. In den Jahren nach den Anschlägen haben viele Staaten eine enorme Ausweitung der staatlichen Befugnisse durchgedrückt, die die individuellen Rechte und Freiheiten stark ausgehöhlt hat, wie Whistleblower Edward Snowden publik gemacht hat.
2011 hätte Schluss sein müssen
20 Jahre nach 9/11 kann ein Fazit also nur ernüchternd ausfallen. Zuerst konnte man noch den Kopf schütteln, wenn man Geschichten von einfach gestrickten hillbillies in North Carolina hört, die nach den Anschlägen bewaffnet zu Brücken gefahren sind, um diese vor Terroristen zu schützen.
Wer anschliessend die Bilder aus New York, das Ausmass der Zerstörung und die Trauer der Amerikaner gesehen hat, wird Mitgefühl und Solidarität empfunden haben. Was dann jedoch folgte, waren Wut und das Bedürfnis nach Rache – insbesondere in den ersten zehn Jahren nach der Katastrophe. Wie ein wilder Stier ist Onkel Sam über den Planeten galoppiert: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.
20 Jahre 9/11: Er war im Namen der Schweiz vor Ort, als das Entsetzliche geschah
Christian Blickenstorfer ist Botschafter in Washington, als islamistische Terroristen die USA am 11. September 2001 angreifen: Wie er den Moment erlebte, erzählt der pensionierte Top-Diplomat im Gespräch mit «blue News».
10.09.2021
Doch spätestens nach Osama bin Ladens Tötung 2011 hätte die Nation aus ihrem Blutrausch erwachen und umdenken müssen. Heute ist die Welt ist eindeutig weniger sicher als damals – aber 20 Jahre später ist es leider zu spät, das Ruder herumzudrehen. Hoffen wir also, dass es dabei bleibt, dass 9/11 ein einmalig schlimmes Erlebnis bleibt.