Regieren in Krisen-Zeiten Alt Bundesrat Leuenberger: «Dann steht man nachts auf»

tsha

18.3.2020

Moritz Leuenberger war von 1995 bis 2010 Mitglied des Bundesrates und erlebte in dieser Funktion auch den «schwarzen Herbst». (Archivbild).
Moritz Leuenberger war von 1995 bis 2010 Mitglied des Bundesrates und erlebte in dieser Funktion auch den «schwarzen Herbst». (Archivbild).
Bild: Keystone

«Man ist nur noch Bundesrat, zu 100 Prozent und 24 Stunden lang» – das sagt Moritz Leuenberger über den «schwarzen Herbst» 2001. Der Altbundesrat über die Lehren, die er damals gezogen hat – und die jetzige Coronakrise.

Moritz Leuenberger war Bundesrat, als im Jahr 2001 der «schwarze Herbst» die Schweiz erschütterte: die Anschläge vom 11. September in den USA, der Amoklauf von Zug, das Grounding der Swiss, der Grossbrand im Gotthardtunnel und der Absturz einer Crossair-Maschine forderten viele Tote und Verletzte.

Leuenberger bewies sich damals als Krisenmanager. Die aktuelle Corona-Krise erinnere ihn nun «vor allem an die Veränderung, die eine solche Situation bewirkt», erklärte Leuenberger im Interview mit CH Media: «Es geht nur noch um die bundesrätliche Rolle und die Verantwortung, die das Volk erwartet.»

Und: «Man ist nur noch Bundesrat, zu 100 Prozent und 24 Stunden lang.» Es sei deshalb wichtig, die eigenen Kräfte gut einzuteilen, da man nicht wisse, wie lange dieser Krisenmodus andauere. «Dazu gehört auch genügend Schlaf.» Aber manchmal klingele nachts halt das Telefon, und dann stehe man auf.

«Mitgefühl ja, aber keine Panik»

Wichtig für die Politik sei es nun, nicht in Panik zu verfallen. «Panik bedeutet für mich irrationale Unfähigkeit», so Leuenberger. Betroffenheit und Mitgefühl auszudrücken, sei aber wichtig. Entscheidend ist für Leuenberger auch die richtige Kommunikation. So habe er 2001 beim Brand im Gotthardtunnel entschieden, nicht zur Unfallstelle zu gehen, um die Rettungsarbeiten nicht zu behindern – ein Fehler, wie er heute sagt.

«Technisch hatte ich recht, aber meine Haltung geriet vielen Leuten in den falschen Hals. Da realisierte ich, wie wichtig Empathie und symbolische Akte sind.»

Beim Amoklauf in Zug habe er dann anders reagiert und «sofort alles liegen» gelassen. Zu einer guten Kommunikationsstrategie gehöre für ihn aber auch «das Eingeständnis, dass wir nicht immer alles im Griff haben und dass es nicht einfache Lösungen gibt».



Dem jetzigen Bundesrat stellt Leuenberger in der Corona-Krise ein gutes Zeugnis aus: «Ich finde, der jetzige Bundesrat erfüllt seine Aufgabe sehr gut. Ich fühle mich auf jeden Fall als Bürger sehr gut repräsentiert.»

Ganz anders blickt Leuenberger freilich auf das Krisenmanagement von Donald Trump: «Eine solche Person ist dem Amt nicht gewachsen, und sie versagt sowohl technisch als auch kommunikativ.»

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