Gelöschte Artikel Fall Spiess-Hegglin: Medienexperte kritisiert die «Blick»-Gruppe

Anna Kappeler

10.4.2019

Diego Yanez, Direktor der Schweizer Journalistenschule MAZ, hat wenig Verständnis dafür, dass Ringier Artikel in der Schweizer Mediendatenbank SMD gelöscht hat.
Diego Yanez, Direktor der Schweizer Journalistenschule MAZ, hat wenig Verständnis dafür, dass Ringier Artikel in der Schweizer Mediendatenbank SMD gelöscht hat.
Bild: Keystone/Walter Bieri

Der Ringier-Konzern löscht in der Mediendatenbank SMD Artikel über die Zuger Ex-Politikerin Jolanda Spiess- Hegglin. Für MAZ-Direktor Diego Yanez ist das nicht nachvollziehbar, wie er «Bluewin» sagt.

Der «Fall Spiess-Hegglin» wirft immer mehr medienethische Fragen auf: Am Mittwoch hat sich nicht nur das Zuger Kantonsgericht mit dem Fall befasst, jüngst wurde auch bekannt, dass inzwischen zahlreiche «Blick»-Artikel zur Causa aus der Schweizer Mediendatenbank SMD gelöscht wurden. Darüber hatte die «NZZ» berichtet. Von 240 Texten sind mit Ausnahme des ersten Artikels vom 24. Dezember 2014 alle verschwunden. Gegenüber «Bluewin» bestätigt Ringier nun, dass der Medienkonzern selbst die Artikel aus dem Verkehr gezogen hat. «Es trifft zu, dass Ringier praktisch alle eigenen Artikel in der SMD gelöscht hat», sagt Ringier-Mediensprecher René Beutner.

Doch darf Ringier mir nichts, dir nichts Artikel aus der SMD löschen? Ist die SMD als Mediendatenbank nicht verpflichtet, für Vollständigkeit im Archiv zu sorgen und eben keine Artikel daraus zu entfernen? Auf Nachfrage von «Bluewin» sagt Beutner: «Als Unternehmen ist das die logische Reaktion auf die angedrohte Gewinnherausforderung. Damit ist sichergestellt, dass sich die allfällige Gewinndiskussion auf einen genau begrenzten Zeitraum beschränken wird», so Beutner weiter.

«Ein Schuldeingeständnis von Ringier?»

Dieses Verhalten von Ringier löst bei Diego Yanez, dem Direktor der Schweizer Journalistenschule MAZ, Kopfschütteln aus. « Was mich verwirrt und mir auch widersprüchlich erscheint: Ringier verteidigt sich vor Gericht mit der Aussage, sauber gearbeitet zu haben», sagt Yanez zu «Bluewin». Der Medienkonzern weise ja alle Anschuldigungen von Spiess-Hegglin zurück. Und trotzdem habe Ringier nun die Artikel dazu in der SMD gelöscht. «Ist das also ein Schuldeingeständnis von Ringier? Ich weiss es nicht. Aber nachvollziehen kann ich das Verhalten nicht», sagt Yanez.



Ringier AG, SRG SRF sowie Tamedia AG sind zu je einem Drittel Aktionäre der SMD. Auch von SMD-Geschäftsführer Roberto Nespeca wollte «Bluewin» wissen, ob die Datenbank nicht dazu verpflichtet sei, alle Artikel für seine Nutzer zugänglich zu halten. Nespeca sagt dazu lediglich: «Zu Themen rund um hängige juristische Verfahren unserer Partner nehmen wir grundsätzlich keine Stellung.»

«Neuland in der Medienlandschaft»

MAZ-Direktor Yanez betont dafür: «Was das Ausmass der gelöschten Artikel betrifft, ist mir kein vergleichbarer Fall bekannt. Das alles ist in diesem Umfang also Neuland in der Schweizer Medienlandschaft.» Weiter sagt er: «Aus medienethischen Gründen kann es durchaus richtig sein, Artikel mit Unwahrheiten aus der SMD zu löschen. Gerade weil die SMD ein Archiv ist, sollten auch nur sauber recherchierte Texte darin abrufbar sein», so Yanez. Aber das sage er losgelöst vom aktuellen Fall.

Der Ringier-Konzern indes muss damit rechnen, jeglichen mit den «Blick»-Artikeln über Spiess-Hegglin erwirtschafteten Gewinn zurückzuzahlen. Das könnte den Konzern laut Berechnungen von Online-Experte Hansi Voigt eine Million Franken kosten. Spiess-Hegglin könnte die Frage vor Gericht bringen, ob mit einer Persönlichkeitsverletzung Geld verdient werden darf. In einem späteren Verfahren könnte die Politikerin von Ringier fordern, all das Geld abzuliefern, das der Konzern mit der Berichterstattung über Spiess-Hegglin verdient hat. Auf Juristen-Deutsch heisst das «Gewinnabschöpfung».

Auch unter diesem Gesichtspunkt macht die Löschung der Artikel in der SMD für MAZ-Direktor Yanez keinen Sinn: «Die Unterlagen dazu wird Hansi Voigt trotz Löschung der Artikel ja nach wie vor haben», sagt er.

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