Rahmenabkommen in der Schwebe So hat sich das Verhältnis der Schweiz zur EU entwickelt

lmy

23.4.2021

Das Verhältnis der Schweiz zur EU ist seit längerem angespannt.
Das Verhältnis der Schweiz zur EU ist seit längerem angespannt.
KEYSTONE

Bundespräsident Guy Parmelin spricht heute in Brüssel über das Rahmenabkommen. Eine Geschichte der Beziehung der Schweiz zur Europäischen Union.

Die EU ist der wichtigste Handelspartner der Schweiz, alle grossen Nachbarländer sind dabei. Das Verhältnis ist mit einem Netz von Verträgen geregelt, dazu zählen 20 bilaterale und 100 weitere Abkommen. Seit einigen Jahren wird über ein institutionelles Rahmenabkommen diskutiert. Heute spricht Bundespräsident Guy Parmelin in Brüssel mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen darüber.

Wie sind wir so weit gekommen? Die wichtigsten Jahreszahlen.

1951: Gründung der ersten europäischen Gemeinschaft

Im April 1951 gründeten Belgien, West-Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), den ersten Zusammenschluss dieser Art. Damit wurden die Zölle auf Kohle und Stahl zwischen den Mitgliedsstaaten abgeschafft. 1957 entstand zusätzlich die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG).

Die Verträge wurden laufend erweitert, mehr Länder kamen dazu. 1992 gründeten 12 Mitgliedsstaaten mit dem Vertrag von Maastricht die Europäische Union (EU). Heute sind 27 Länder dabei, mit Grossbritannien verabschiedete sich vergangenes Jahr zum ersten Mal ein Mitglied.

1960: Schweiz bei EFTA-Gründung dabei

1960 war die Schweiz bei der Gründung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) dabei, neben Dänemark, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden und Grossbritannien. Die meisten Mitglieder wechselten später zur EU, momentan besteht die EFTA neben der Schweiz aus Liechtenstein, Island und Norwegen.

1972: Freihandelsabkommen Schweiz–EWG

Die Schweiz schloss 1972 ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), das vom Volk gutgeheissen wurde. Das führte vor allem zu einem Abbau von sogenannten tarifären Handelshemmnissen, also Zöllen und Kontingenten bei der Ein- und Ausfuhr von Industrieprodukten.

1992: Beitritt zum EWR wird abgelehnt

Am 6. Dezember 1992 fiel der Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beim Volk durch, der Bundesrat erlitt eine empfindliche Niederlage. Grosser Sieger war Christoph Blocher, der die EWR-Gegner anführte. Er legte damit den Grundstein zum Aufstieg der SVP, die als einzige grössere Partei dagegen war.



Anfang 1992 hatte der Bundesrat ein Beitrittsgesuch bei der EU eingereicht, auch um zu signalisieren, dass der EWR-Beitritt nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer vollen Mitgliedschaft ist. Das kam nicht bei allen gut an, 50,3 Prozent der Bevölkerung und 16 Kantone lehnten den Beitritt zum EWR bei einer Stimmbeteiligung von fast 80 Prozent ab.

2000: Bilaterale I vom Volk angenommen

Am 21. Mai 2000 nahm das Schweizer Volk die erste Tranche der Bilateralen Verträge mit der EU an. Sie umfassten neben der Personenfreizügigkeit die Bereiche technische Handelshemmnisse, öffentliches Beschaffungswesen, Landwirtschaft, Land- und Luftverkehr sowie Forschung.

Die Verhandlungen dazu hatte der Bundesrat nach dem EWR-Nein aufgenommen, um sicherzustellen, dass die Schweiz am Binnenmarkt der EU teilhaben kann. Diese wurden 1999 abgeschlossen und im Jahr darauf dem Volk vorgelegt.

2001: Initiative «Ja zu Europa» wird abgelehnt

Im März 2001 kam eine Volksinitiative der Neuen Europäischen Bewegung Schweiz (Nebs) zur Abstimmung, die eine sofortige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU forderte. Nicht mal ein Viertel der Schweizer und kein einziger Kanton stimmte dafür.

2004: Bilaterale II kommen

Die zweite Tranche der bilateralen Verträge wurde 2004 abgeschlossen. Diese regelte allem voran den Beitritt zu den Abkommen von Schengen, also die Abschaffung der Grenzkontrollen zur EU sowie von Dublin, das regelt, welcher Staat für den Asylantrag eines Schutzsuchenden zuständig ist. Gegen den Beitritt zum Schengen-Abkommen kam ein Referendum zustande, im Juni 2005 nahm das Volk das Abkommen aber an. Auch die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf die 10 neuen Mitgliedsstaaten der EU wurde im selben Jahr angenommen.

Seit 2013: Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen

Der Bundesrat verabschiedete im Dezember 2013 ein Mandat zu Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU. Unter diesem Dach sollten die bilateralen Abkommen gebündelt werden. Die Aussenpolitische Kommission des Ständerats hatte diese Idee bereits 2002 ins Spiel gebracht, 2008 erteilte das Parlament dem Bundesrat einen entsprechenden Auftrag. 



Als im Februar 2014 die Masseneinwanderungsinitiative der SVP angenommen wurde, nahm die EU das Projekt kurzzeitig aus der Agenda. Im Mai 2014 begannen dann die Verhandlungen. Seit November 2018 liegt ein Vertragsentwurf vor, der allerdings einige offene Punkte enthält. Umstritten bleiben unter anderem die flankierenden Massnahmen und die Unionsbürgerrichtlinie. Seit Oktober 2020 ist Livia Leu Chefunterhändlerin.