Harte Worte im Interview Umweltexperte echauffiert sich: Greta Thunberg? – «Lächerlich.»

tafi

24.1.2020

Er habe für den Umweltschutz Dreck und radioaktive Stäube eingeatmet: Dass Greta Thunberg als grosse Widerstandskämpferin gefeiert wird, geht dem deutschen Öko-Experten Michael Braungart gehörig gegen den Strich.
Er habe für den Umweltschutz Dreck und radioaktive Stäube eingeatmet: Dass Greta Thunberg als grosse Widerstandskämpferin gefeiert wird, geht dem deutschen Öko-Experten Michael Braungart gehörig gegen den Strich.
Bild: Keystone/Getty Images

Einer der bekanntesten Umweltschützer Deutschlands fühlt sich von Greta Thunberg provoziert. Grünen-Mitbegründer Michael Braungart hält nichts von «Panikmache» in Sachen Klimaschutz.

Michael Braungart hat die deutschen Grünen mitbegründet, kletterte in Basel auf Fabrikschornsteine, um gegen die Umweltverschmutzung zu protestieren, und entwickelt Produkte, die zu hundert Prozent wiederverwertbar sind: Ausgerechnet einer der profiliertesten Umweltschützer Deutschlands stellt Greta Thunberg und der «Fridays for Future»-Bewegung ein miserables Zeugnis aus.

In einem ausführlichen Interview mit dem «Flensburger Tageblatt» beklagt Braungart, dass die aktuelle Klimaschutzbewegung die Katastrophe «einfach nur grösser» macht, «damit sie selber wichtiger erscheinen. Es geht weder ums Überleben des Planeten noch der Menschheit.» Harte Worte, denen der Umweltchemiker einen Rundumschlag wider die Doppelmoral folgen lässt.

«Wir verschaffen den Leuten zurzeit den Eindruck, als täten wir etwas. In Wahrheit stehen unsere Massnahmen in keinem Verhältnis zu dem, was getan werden müsste», urteilt Braungart. Vor allem den Deutschen stellt er ein schlechtes Zeugnis aus. «Wir denken, es reicht, wenn wir ein bisschen weniger zerstören: weniger Auto fahren, weniger Müll, weniger Wasserverbrauch.»

Greta Thunberg? – «Lächerlich.»

Das würde aber die Umwelt nicht schützen, sondern nur weniger kaputt machen. Das sei so, Braungart weiter, «als würde man sagen: ‹Ich schlage mein Kind nur noch fünfmal statt zehnmal.› Wenn eine Plastikverpackung statt acht nur 7,6 Gramm wiegt, denken wir, das sei ein Fortschritt. Wir machen das Falsche perfekt, anstatt zu fragen: Was ist das Richtige?»



Das würde, so findet Braungart, auch Greta Thunberg nicht erkennen. «Sie kann nur schwarz-weiss sehen.» Er selbst habe bei Greenpeace sein Leben eingesetzt, um Gift aufzuhalten. «Ich habe Dreck eingeatmet ohne Ende, radioaktive Stäube. Und dann sitzt da jemand vor dem Parlament, geht nicht zur Schule, wird als grosse Widerstandskämpferin gefeiert und für den Nobelpreis vorgeschlagen. Wie lächerlich. Ich gebe zu, das provoziert mich.»

Stoffreste im Müsli

Dabei sei es durchaus richtig, dass die jungen Leute etwas tun. Panikmache sei aber der falsche Weg. Vielmehr müsse man alles neu denken. «Zuerst das Denken selbst, dann die Produkte. Die Natur kennt keinen Abfall. Alles geht in den Kreislauf zurück.» Für Braungart ist das eine Lebensaufgabe. Als Chemiker hat er das «Cradle-to-Cradle»-Prinzip mitentwickelt. So hergestellte Produkte lassen sich rückstandslos in die Natur oder technische Kreisläufe zurückführen.



Weltweit gibt es bereits 11'000 Produkte, die aus Materialien hergestellt werden, die komplett wiederwertet werden können – vom kompostierbaren Turnschuh, über Reinigungsmittel bis hin zu Bierdosen. «In der Schweiz gibt es ein Unternehmen, das essbare Möbelstoffe produziert.» Er habe selbst schon Stoffreste ins Müsli getan und gegessen.

Das grosse WEF-ABC

Umdenken in Basel

Anstatt Aktionismus brauche es daher, folgert Braungart im Interview, eine neue industrielle Revolution und einen Umbau der Marktwirtschaft. Moderne Technologien liessen sich perfekt für den Umweltschutz nutzen. Braungart selbst arbeitet seit 1986 daran. Damals sei er in Basel im Rahmen einer Protestaktion auf den vereisten Schornstein von Ciba-Geigy, einer Vorgängerfirma von Novartis, gestiegen.



«Der Werksleiter sagte: ‹Das ist zu gefährlich. Kommen sie runter, ich garantiere ihnen, dass sie morgen wieder hochdürfen.› Wir sind natürlich oben geblieben, aber das Spiel hatte sich geändert», erinnert sich Braungart. Später habe er in Hamburg eine Firma gegründet und begonnen, mit der Industrie gemeinsam herauszufinden, «wie ein anderes Verhältnis von Menschen zur Natur aussehen kann.» Eine der ersten Firmen, die auf Braungart zukamen, sei Ciba-Geigy gewesen. «Daraus ist Cradle-to-Cradle entstanden. Finanziert von der Schweizerischen Chemie.»

Mit diesen einfachen Tipps leben Sie nachhaltiger

Zurück zur Startseite