Recyclingprojekt Aus vollen Windeln werden Katzenstreu und Wäscheklammern

tafi

23.1.2019

Um die 2000 Wegwerfwindeln verbraucht jedes Kleinkind pro Jahr bis es trocken ist. In einer Pilotanlage will ein grosser Windelhersteller nun das Recycling der Windelberge testen.
Um die 2000 Wegwerfwindeln verbraucht jedes Kleinkind pro Jahr bis es trocken ist. In einer Pilotanlage will ein grosser Windelhersteller nun das Recycling der Windelberge testen.
Keystone / Symbolbild

Babys sind toll. Aber sie produzieren auch viel Müll, vor allem wenn sie Windeln tragen. Ein grosser Windelhersteller startet nun ein Recycling-Projekt, gegen das es allerdings auch Vorbehalte gibt.

Etwa fünf Windeln verbraucht ein Kleinkind pro Tag, etwa 2000 pro Jahr. Es ist ein gigantischer Müllberg, den die lieben Kleinen da hinterlassen, bis sie trocken sind. Der Pampers-Hersteller Procter & Gamble will nun laut einem Bericht von «20 Minuten» in einer Recycling-Anlage im norditalienischen Treviso die Windelberge abbauen. Eigentlich eine gute – wenngleich keine neue – Idee, die allerdings auf einige Vorbehalte trifft.



Etwa 10'000 Tonnen Wegwerfwindeln und Inkontinenzprodukte für Erwachsene soll die Pilotanlage in Treviso pro Jahr verarbeiten können. Aus dem reziklierten Plastik entstehen laut «20 Minuten» Schulbänke, Wäscheklammern und Katzenstreu. Laufe die Anlage erfolgreich, sollen bis 2030 neun weitere folgen.

71 Kilogramm Windelmüll pro Person

Was sich nach dem neu entdeckten grünen Gewissen eines Grosskonzerns anhört, ist freilich kein ganz neuer Hut. Schon 1999 wurde im niederländischen Arnheim eine Recyclinganlage für Windeln in Betrieb genommen, die allerdings aus wirtschaftlichen Gründen scheiterte. Mittlerweile hat das Recyclingunternehmen ARN eine neue Anlage in Weurt bei Nijmegen gebaut, die jährlich rund 15.000 Tonnen Windeln recyceln könne.

Nach Angaben eines Sprechers werden die Windeln in einem Stahl-Reaktor bei 250 Grad Celsius unter einem Druck von 40 Bar erhitzt. In der verbliebenen Flüssigkeit würden sich die Plastikbestandteile absetzen, die nach dem Erkalten abgeschöpft werden könnten. Aus dem aus Fäkalien und Urin entstandenen Gas werde Energie gewonnen, der Rest werde in eine nahegelegene Abwasseranlage geleitet.



Anlagen wie in Italien und den Niederlanden sind jedoch nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Etwa eine Tonne Windelmüll produziert ein Kleinkind, bis es trocken ist, rechnet «20 Minuten» vor. Eine Anlage wie die von Procter & Gamble könne den Windelmüll einer Region mit einer Millionen Einwohner verarbeiten, schreibt die «Süddeutsche Zeitung» in einem Bericht. Für die Schweiz, in der jede Person laut Bundesamt für Umwelt (Bafu) pro Jahr 71 Kilogramm Windelmüll produziert, wären mindestens acht solcher Aufbereitungsfabriken nötig.

Zweifel an der Machbarkeit

Und auch dort müssten die Windeln erstmal hingelangen. «Die Logistik ist ein ungelöstes Problem», sagt Rolf Buschmann vom deutschen Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Dass sich Sammelstellen für benutzte Windeln etablieren, wie sie sich P&G-Vizechef Roberto Marinucci vorstellt, darf durchaus angezweifelt werden. Auch wenn er in der Annahme Recht haben dürfte, dass viele Eltern bereit seien, etwas für die Umwelt zu tun.

Die Umweltaktivistin Gabriele Kull von Stopp Plastic Pollution Schweiz ist vom Windelrecycling nicht überzeugt. «Fabriken brauchen Energie und Wasser und für die Produktion von Recyclingprodukten wird oft Frischplastik verwendet. Windelproduzenten sollten sich auf kompostierbare Windeln spezialisieren, das ist ressourcenschonender, als Fabriken zu betreiben», gibt sie in «20 Minuten» zu bedenken. Auch das Bafu ist von der Recyclingidee nicht voll auf begeistert, da sich bei «einer Windelsammlung (...) verschiedene hygienische, gesundheits- und krankheitsbezogene Fragestellungen stellen.»

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