Die Young Boys trotzen im Playoff-Hinspiel der Champions League gegen Ferencvaros Budapest einigen Widerwärtigkeiten. Dass sie dennoch mit guten Chancen ins Rückspiel gehen, verdanken sie sich selber.
Noch in der letzten Saison wäre ein 3:2-Heimsieg kein günstiges Ergebnis gewesen. Die zwei Auswärtstore des Gegners hätten die Chancen herabgesetzt. Nach der neuen Regelung ist in den K.o.-Duellen des Europacups jedes Tor gleich viel wert, ob daheim oder auswärts erzielt. So kann man das 3:2 vom Wankdorf wie ein Halbzeitresultat ansehen. Die zweiten 90 Minuten werden in Budapest gespielt.
Die Berner spielten ab der 25. Minute mit einem Mann weniger, nachdem Silvan Hefti wegen eines Haltens im Strafraum mit der Roten Karte ausgeschlossen worden war. Wie sich ein Platzverweis in vielen Fällen auswirkt, sah man beispielsweise im EM-Viertelfinal zwischen der Schweiz und Spanien. Remo Freuler sah nach 77 Minuten Rot. Hierauf wurden sie Schweizer eingeschnürt. Sie konnten kaum atmen und kamen mit grösster Mühe heil und ohne Gegentor über die 90 Minuten und über die Verlängerung. Eine Mannschaft wie die Spanier, spielstark und für das Pressing gut organisiert, nützt einen solchen Vorteil, ohne dass der Gegner viel dagegen machen kann.
Young Boys zu zehnt wie zu elft
Am Mittwochabend im Wankdorf war es sehr viel anders. In den fast 70 Minuten zahlenmässiger Unterlegenheit spielten die Berner, als wären sie zu elft auf dem Platz. Vor allem spielten sie. Sie kamen in dieser Zeit zu guten Angriffen, zu Chancen und zu 2:1 Toren.
David Wagner konnte erstmals in dieser Saison ganz konkret zeigen, dass er als Cheftrainer und Nachfolger von Gerardo Seoane sehr wahrscheinlich eine gute Wahl ist. Er hätte den ausgeschiedenen Hefti durch den wohl nahezu gleichwertigen Schattenspieler Quentin Maceiras ersetzen und dafür einen Offensiven opfern können. Es wäre die klassische, auch logische Disposition gewesen. Aber Wagner wechselte nicht aus. Er beauftragte seinen rechten Flügelspieler Christian Fassnacht, alles andere als ein gelernter Back, Heftis Dossier zu übernehmen – und dazu nach seiner Gewohnheit auch etwas für den Angriff zu tun. Fassnacht bewältigte die herkulische Aufgabe bravourös. Gerade über die rechte Seite machten die Young Boys Druck.
Erinnerungen an Leverkusen
Dass sie das Rückspiel mit einem kleinen Vorsprung angehen, verdanken die Berner nicht nur dem taktischen Trick, sondern mehr noch ihrer Leidenschaft. Sie sind wieder an dem guten Punkt angelangt, an dem sie letzten Februar in den Sechzehntelfinals der Europa League waren – als sie mit leidenschaftlicher Leistung, Kampf und Können Bayer Leverkusen eliminierten.
David Wagner war nach dem Match gegen Ferencvaros Budapest ein Groll anzumerken. Ohne dass er Konkretes sagte, wurde offensichtlich, dass sich Wagner über den renommierten schottischen Referee William Collum aufregte. Die Rote Karte gegen Hefti wird ihn weniger gewurmt haben als die Tatsache, dass Collum Ferencvaros' Ukrainer Igor Charatin nach einem üblen, brutalen und gefährlichen Foul an Jordan Siebatcheu kurz vorher nicht vom Platz gestellt hatte. Siebatcheu verletzte sich tatsächlich. Er spielte noch weiter, bis es früh in der zweiten Halbzeit nicht mehr ging. Ob er das Rückspiel wird bestreiten können, ist offen.