Didier Drogba als Idol, Donald Duck als Ablenkung: Der in London geborene Kwadwo Duah gibt vor dem Viertelfinal gegen England Einblicke in seine Gefühlswelt.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Kwadwo Duah kam in England zur Welt und lebte die ersten zwei Jahre in London. Heute verbinde ihn kaum noch etwas mit England.
- Duah spielt bei Rasgrad in Bulgarien und ist damit einer von fünf Nati-Spielern, der nicht in einer der Top-5-Ligen Europas spielt.
- Vielleicht wird sich das nach der EM ändern, verrät er doch, dass er am liebsten in Italien spielen würde.
- «Natürlich würde ich gerne noch mehr spielen, aber letztlich kennt jeder seine Rolle hier», sagt Duah, der das erste Schweizer Tor an dieser EM erzielte.
Er sei quasi der erste Engländer gewesen, der an diesem Turnier ein Tor erzielt habe, wird Duah gleich zu Beginn der Pressekonferenz von einem englischen Journalisten mitgeteilt. Eine Aussage, die Duah zum Schmunzeln bringt. Aber trotz seines Geburtsortes stecke nur sehr wenig England in ihm, antwortet der 27-jährige Stürmer fast entschuldigend.
Seine Eltern verliessen Ghana, «weil sie die Chance auf ein besseres Leben sahen», wie Duah erzählt. Am 24. Februar 1997 wurde Kwadwo Duah geboren, die ersten beiden Lebensjahre verbrachte er im Londoner Stadtteil Tottenham. Doch das sei es bereits gewesen mit den Berührungspunkten zu seinem Geburtsland, so Duah. Denn danach folgte der Umzug in die Schweiz, wo sich die Eltern bessere wirtschaftliche Perspektiven erhofften. Seine Kindheit verbrachte er im Quartier Bern-Bethlehem. London besucht Duah ab und zu, weil er die Stadt mag. Verwandte hat er dort aber keine.
Bitter für die englischen Reporter, die sich wohl mehr Verbindung zu England erhofft hatten. Immerhin: «Ich bin ein grosser Chelsea-Fan», erklärt Duah, vor allem Didier Drogba habe es ihm angetan. Im aktuellen englischen Kader steht mit Cole Palmer ein Chelsea-Spieler, der zum Unmut vieler Fans noch wenig Einsatzzeit bekommen hat. Was er davon halte, wird Duah gefragt. Er sei auch ein wenig überrascht gewesen, denn Palmers Statistiken seien sehr gut. «Mal sehen, vielleicht spielt er ja gegen uns.»
In Embolos Schatten
Viel mehr ist Duah nicht zu entlocken. Selbst wenn man ihn auf so unverfängliche Dinge wie seine Vorliebe für Comics anspricht, bleibt er einsilbig: «Ich mag Donald Duck und so.» Es ist nicht so, dass der Stürmer abgelöscht wirkt, vielmehr scheint er fast schüchtern und vorsichtig. Seine für einen Fussballprofi ungewöhnlich leise Art könnte auch daher rühren, dass Duah lange darum kämpfen musste, in den Kreis der Auserwählten aufgenommen zu werden.
Der Vergleich mit dem nur sieben Tage jüngeren Breel Embolo drängt sich auf. Die beiden kennen sich schon lange, spielten in ihren Juniorenauswahlen (Duah bei YB, Embolo bei Basel) immer wieder gegeneinander. Doch Embolo debütierte 2015 in der Nationalmannschaft und kommt trotz vieler Verletzungen auf 67 Länderspiele. Duah hingegen spielte bis 2017 in der U20 und musste danach sieben Jahre warten, bis die A-Nationalmannschaft ein Thema wurde – weil man Alternativen für den verletzten Embolo brauchte.
Eine dieser Alternativen fanden die Schweizer Trainer im bulgarischen Rasgrad, wo Duah nach verschiedenen Stationen in der Schweiz und einem Jahr in Nürnberg im letzten Jahr gelandet ist. Damit ist er einer der wenigen Exoten im Schweizer Kader, in dem 21 von 26 Spielern in einer der Top-5-Ligen Europas engagiert sind. Dort will auch Duah hin, der leise anfügt, dass er Italien sehr möge. Ob sein Wunsch dank der EM-Auftritte bald in Erfüllung geht?
In St. Gallen alle überzeugt
Um sich auf dieser Bühne zeigen zu können, hat Duah alles getan. Als einer der Wackelkandidaten reiste er ins Vorbereitungslager nach St. Gallen, wo er Yakin und seine Mitspieler unter anderem mit seinen schnellen Läufen in die Tiefe beeindruckte. Auch Granit Xhaka sagte, Duah sei ihm schon kurz nach der Ankunft im Camp aufgefallen. «Er hat einen tollen Abschluss und eine sehr positive Ausstrahlung», sagt der Captain. So wurde aus dem Ergänzungsspieler erst ein fester Bestandteil des Kaders und dann sogar ein EM-Startelf-Spieler.
Und dass er seine leise Seite auch ablegen kann, zeigte Duah nach seinem Tor gegen Ungarn, als sich die Anspannung, als Neuling den hohen Erwartungen einer Nation gerecht zu werden, in einem ausgelassenen Jubel entlud. Dass er in den folgenden Spielen auf die Bank zurückkehren musste, stört Duah nicht. «Natürlich würde ich gerne noch mehr spielen, aber letztlich kennt jeder seine Rolle hier», sagt Duah. Für ihn gebe es sowieso keine grössere Motivation, als da zu sein und das Schweizer Trikot tragen zu dürfen.
Für Duah ist das Turnier die Belohnung dafür, dass er immer an sich und seine Chance geglaubt hat und vor zwei Jahren sogar ein Aufgebot aus Ghana ausschlug. So lässt er auch den Viertelfinal gegen England gelassen auf sich zukommen. Ohne grosse Worte oder Ankündigungen, aber bereit, wenn es ihn braucht.