Sport-Dokumentationen sind beliebt wie nie. Klar, läuft ja sonst nichts. Heute erhalten Sie einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen der vielleicht erfolgreichsten Grümpi-Mannschaft der letzten Dekade.
«Mehrere internationale Produktionsfirmen wollten die Geschichte verfilmen, doch es ist UNSERE Geschichte», wurde Grümpi-Coach Patrizio di Agnello (er heisst in Wirklichkeit anders) bereits nach dem sensationellen Triumph beim Schwerzenbach-Grümpi im Sommer 2016 zitiert. Nun die Wende, zumindest ansatzweise. «In diesen harten Zeiten, wollen wir den Menschen da draussen zeigen, dass man jegliche Hindernisse überwinden kann. Man muss nur daran glauben und alles menschenmögliche dafür tun.» Auf die Millionen aus Hollywood verzichtet man allerdings auch knapp vier Jahre später bewusst: «Das grosse Geld versaut den Fussball seit Jahren, diesem Schicksal verweigern wir uns», so Agnello. Ja, aus diesem Holz sind die Grümpi-(Anti)-Helden geschnitzt.
Seit 2014 nehmen Teleclub-Mitarbeiter jährlich an einem Firmen-Grümpi teil. Bereits bei der Premiere erreichte die Truppe das Finale. Ein Spiel, über das firmenintern noch heute gesprochen wird – dabei fällt das Wort «Zeitspielskandal» inflationär. In Führung liegend dreschte die gegnerische Mannschaft mehrfach den Ball auf die nahegelegenen und nur über einen zeitraubenden Umweg zu erreichenden Eisenbahnschienen, wo in regelmässigen Abständen die S9 und S14 vorbeidonnert. Nachspielzeit? Gibts bei einem Grümpi nicht, da tickt die Uhr gnadenlos weiter, komme was wolle.
2015 musste sich die Truppe nach einem Elferdrama erneut mit dem zweitgrössten Geschenkkorb zufrieden geben. Zwei Bälle landeten im rund hundert Meter hinter dem Spielfeld gelegenen Maisfeld …
«Ich war kurz davor, den Bettel hinzuschmeissen», gesteht Agnello. «Doch eines Nachts, das war ca. drei Wochen nach dem neuerlichen Finaldrama, ist mir im Traum Stan Wawrinka erschienen. Er hat kein Wort gesagt, mir lediglich aufmunternd auf die Schultern geklopft. Wie er das machte, hatte ich freie Sicht auf sein Unterarm-Tattoo: 'Immer versucht. Immer gescheitert. Egal. Versuch es wieder. Scheitere wieder. Scheitere besser.‘ Doch da hatte es noch eine nicht von Tinte befleckte Fläche auf seinem Unterarm und da wusste ich: Unsere Mission ist noch nicht zu Ende. Wir werden nicht als die Gescheiterten in die Geschichte eingehen.»
«Satellit Kanonenschlag» holt sich den Titel
Und so kam es 2016 wie es kommen musste. Die als «Satellit Kanonenschlag» gemeldete Mannschaft machte ihrem Namen alle Ehre und bombte die Gegner aus dem «Stadion». Selbst eine mit GC-Trikots ausgestattete Truppe, alles junge Kicker mit richtigen Fussballerfrisuren – und einem namhaften Supporter Namens Rainer Bieli an der Seitenlinie (kein Witz) –, konnte da nicht dagegenhalten. «An diesem Tag hätte uns keine Mannschaft der Welt stoppen können, das war Fussball in seiner reinsten Form», erinnert sich Agnello. Dass sich Minuten vor dem Final Gewitterwolken bedrohlich aufbauten, um sich dann mit dem Anpfiff zu entladen, verlieh dem ganzen eine fast schon biblisch anmutende Note.
Legendär war dann auch, was sich nach dem Spiel ereignete (s. Video am Anfang des Artikels). «Bei der Jubelfeier knallte ein Spieler von Satellit Kanonenschlag auf dem Bauch rutschend in einen Pfosten, dabei zog es ihm die Hose bis unter die Kniekehlen», schildert Agnello. Schon hallte es durch den Lautsprecher: «Bitte höööred uf, de Rase goht kaputt.» Ein Menetekel für das, was kommen sollte?
Der tiefe Fall …
Rückblickend muss man diese Frage wohl mit «Ja» beantworten. Die Mannschaft, die abseits des grossen Schweinwerferlichts ein Stück Schwerzenbacher Sportgeschichte geschrieben hatte, brach in den folgenden Monaten auseinander. «Von unserem neunköpfigen Team sind zwei zur Konkurrenz abgewandert, einer hat bei der SBB angeheuert. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schwierig es ist, innerhalb nur eines Jahres drei neue Spieler für eine Grümpi-Mannschaft zu finden. Zumal es in den Sommermonaten immer Absagen aufgrund schlecht geplanter Ferien hagelt.»
Gezwungenermassen wurde ein Umbruch eingeleitet und so kann es nicht überraschen, dass «Satellit Kanonenschlag» 2017 bei der Mission Titelverteidigung kläglich scheiterte und sich am Ende mit Rang drei begnügen musste. Immerhin: Auch das drittklassierte Team erhält einen schönen Geschenkkorb, der das Grossraumbüro jeweils in neuem Glanz erscheinen lässt.
… und die himmlische Wiederauferstehung
2018 dann der totale Neustart. Erstmals in der Geschichte meldete Agnello ein Team für den Martin Cup auf dem Hönngerberg an, der Name wurde ebenfalls geändert: «Zenit Ananasexpress» sollte es richten. Auch bei der Kader-Nomination wagte der Coach einen mutigen Schritt und schenkte Tobias B., auch bekannt als T. Benz sein Vertrauen. «Er war damals Praktikant in der Probezeit. Ich habe ihm gesagt, dass er selbst entscheiden muss, ob er das Risiko einer Teilnahme auf sich nehmen will. Sollten wir das Turnier nicht gewinnen, so bedeute das in seinem Fall die sofortige Entlassung.»
Inzwischen ist er dem Praktikantendasein entwachsen und noch immer Teil unseres Teams. Denn der Neustart ist geglückt, «Zenit Ananasexpress» gewann das Frimenturnier in Höngg bei seiner ersten Teilnahme. «Anders als 2016 spielten wir nicht durchgehend diesen brillanten Fussball. Aber in Sachen Mentalität war das Weltklasse. «Im Achtelfinal und im Viertelfinal mussten wir ins Penaltyschiessen und wir haben nicht einen einzigen Elfer verschossen. Und mit Chris A. hatten wir einen Goalie im Kasten, bei dessen Anblick unsere Gegner bereits verloren hatten. Halbfinal und Final waren dann das reinste Schaulaufen. Und wissen Sie was? Benz hat im Halbfinal tatsächlich einen Hattrick geschossen. Du musst diesen jungen Kerlen bloss Vertrauen schenken, dann machen sie Dinge, die sie gar nicht können.»
2019 als Lehrjahr – 2020 wieder ganz oben?
Im vergangnen Jahr ging es in Sachen Turnierdestination zurück zu den Wurzeln. «Lieber wollten wir die Schmach von Schwerzenbach wieder wettmachen als den Titel verteidigen», so Agnello. Neu als «Union Tschnipropetrowski» startend, hat sich die Mannschaft zu Beginn schwer getan. Wenig verwunderlich, standen doch gleich fünf Debütanten im Acht-Mann-Kader. «So gesehen war Platz zwei am Ende doch sehr passabel. Es war denn auch das erste Mal in meinem Leben, dass ich nach einer Finalniederlage keine schlaflose Nacht verbracht hatte.»
Und doch soll 2019 ein (weiterer) Ausrutscher bleiben. Ob es 2020 mit dem Titel klappt? «Das hängt davon ab, ob das Coronavirus im Sommer ein solches Turnier zulässt», so der Coach selbstbewusst. «Wenn wir antreten, dann immer um den Titel zu holen. Ansonsten kannst du gleich zuhause bleiben.» Aufgrund der möglichen Reisebeschränkungen könnte es gar zu einem Novum kommen. Hagelte es in den letzten Jahren jeweils Spielerabsagen en masse – der einzig wahre Grund, weshalb es jedes Jahr zu Rotationen kommt –, dann könnte Teleclub vielleicht gar mit zwei Teams an den Start gehen. Und so sagt Agnello mit wässrigen Augen: «Jede Krise ist auch eine Chance. Lasst uns daran glauben und wir werden gestärkt aus dieser schwierigen Situation hervorkommen. Nicht wir als Grümpi-Team, sondern wir als Gesellschaft.»