In der vergangenen Saison räumt Bayern München national und international alles ab. Trainer Hansi Flick wird über den Klee gelobt, er bietet schlichtweg keine Angriffsfläche. Ein paar Monate später droht sich der Wind zu drehen.
Seit dem 4. November 2019 ist Hansi Flick Trainer beim FC Bayern München. Er übernimmt damals (zunächst als Interimslösung) eine total verunsicherte Mannschaft, die zu viele Gegentore kassiert und in der Bundesliga nach einer krachenden 1:5-Niederlage gegen Frankfurt nach zehn Runden mit vier Punkten Rückstand auf Mönchengladbach nur Rang vier in der Tabelle belegt.
Schon in seinem ersten Spiel als Cheftrainer führt Flick Bayern München zu einem 4:0-Kantersieg über Erzrivale Borussia Dortmund. Es folgen ein 4:0 bei Fortuna Düsseldorf und ein 6:0 in der Champions League gegen Roter Stern Belgrad. Bilanz nach drei Spielen: drei Siege und ein Torverhältnis von 14:0.
Nach zwei 1:2-Niederlagen gegen Leverkusen und Gladbach scheint der Flick-Effekt bereits wieder verpufft. Doch es folgt eine Serie von sieben Pflichtspielsiegen und bis zum Saisonende sollte es überhaupt gar keine Niederlage mehr absetzen. Flick wird gefeiert, er sei ein «Menschenfänger», ist vielerorts zu lesen, die «Bild» titelt bereits vergangenen Februar in grossen Lettern «Flick ist der ALLES-BESSER-MACHER». Als der 55-Jährige vor wenigen Wochen nicht zum Welttrainer des Jahres gekürt wird, ist die Verwunderung (zu Recht) gross, schliesslich hat er die Bayern zum ersten Triple-Triumph seit 2013 geführt. Zwei weitere Titel kommen hinzu, denn die Bayern haben das Verlieren verlernt.
«Natürlich ist das ein Schock, wir sind enorm enttäuscht»
Vor der Saison stellt sich ganz Fussball-Deutschland die Frage: Wer soll diese Bayern stoppen? Zwar setzt es bereits am zweiten Spieltag eine krachende 1:4-Niederlage gegen Hoffenheim ab, doch danach marschiert die Flick-Elf in gewohnter Manier von Sieg zu Sieg. Seit Mitte November haben die Münchner allerdings nur sechs von zwölf Spielen gewonnen, zuletzt setzt es zwei Niederlagen in Folge ab. 2:3 gegen Mönchengladbach, gefolgt vom Peinlich-Aus in der 2. Runde des DFB-Pokals gegen Zweitligist Holstein Kiel.
«Natürlich ist das ein Schock, wir sind enorm enttäuscht», sagt Flick nach dem Spiel. Erstmals seit knapp 21 Jahren scheitert Bayern in der zweiten Cup-Runde. Nach der Gladbach-Pleite rechnet die «Süddeutsche Zeitung» vor, dass es in der Liga 24 Gegentore nach 15 Spielen zuletzt im Jahr 1981 gab. Um vielsagend nachzuschieben, dass in jener Saison der HSV Meister geworden sei. Ein Menetekel?
Noch steht Hansi Flick nicht im Kreuzfeuer der Kritiker
Noch ist die Deutsche Presse gnädig mit Flick. Dass die Bayern seit dem 24. Oktober nie mehr zu Null gespielt haben, das wird nicht dem Trainer angekreidet, in der Kritik stehen die Spieler. Als Flick übernommen hatte, da wurde er allerdings besonders dafür gelobt, dass er es geschafft hat, die Bayern-Defensive, die unter Vorgänger Niko Kovac kränkelte, auf Anhieb stabilisieren konnte.
«Die Krise der Bayern ist perfekt», analysiert Nico Holter aus der «ntv-Sportredaktion». Eine mutige Aussage, denn noch führt der FCB die Bundesliga-Tabelle mit zwei Punkten Vorsprung auf RB Leipzig an, vier Punkte Vorsprung sind es auf Leverkusen, fünf auf Dortmund. Zudem steht die Flick-Elf im Achtelfinal der Champions League. In den zwei wichtigsten Wettbewerben ist man also weiterhin auf Kurs. Salopp ausgedrückt: Es ist eine Krise, in der alle anderen Klubs gerne stecken würden.
Sollten die Bayern am Sonntag allerdings gegen Freiburg den nächsten Rückschlag erleiden, dann dürften die Krisen-Verschreier wie Pilze aus dem Boden schiessen. Kein unmögliches Szenario, denn die Breisgauer reiten auf einer Erfolgswelle. Am vergangenen Wochenende feierte die Mannschaft von Christian Streich einen 5:0-Sieg gegen Köln, es war der fünfte Vollerfolg in Serie – Vereinsrekord!
Und dann würde nur noch wenig fehlen und die Frage stünde im Raum: Ist Flick noch der richtige Trainer für die Bayern? So läuft das heutzutage leider: Top oder Flop – dazwischen gibt es nichts.