In einem offenen Brief wendet sich Liverpool-Meistermacher mit einer Liebeserklärung an die Einheimischen. Einzig die ausgelassene Meisterparty ist dem 48-Jährigen ein Dorn im Auge.
«Das ist eine unglaubliche Zeit für unglaubliche Anhänger eines unglaublichen Klubs in einer unglaublichen Stadt.» Mit diesen Worten adressiert Jürgen Klopp in einem offenen Brief nicht nur die Fans, sondern alle Einheimischen Liverpools. Er habe so etwas noch nie getan, schreibt Klopp in der lokalen Zeitung «Liverpool Echo», doch jetzt habe er erstmals das Bedürfnis, direkt zu den Leuten zu sprechen.
«Für einige von Ihnen ist es das Ende einer langen Wartezeit. Aber ob Sie nun 30 Jahre oder 30 Minuten gewartet haben, hoffe ich, dass sie diesen Moment so geniessen, wie sie es verdienen», schreibt der Deutsche. Für diesen Klub zu arbeiten, sei ein grosses Privileg.
Er habe in den letzten fünf Jahren erkennen können, wie speziell dieser Ort sei – und zwar nicht ausschliesslich wegen den zahlreichen Liverpool-Fans. «Ich bin offensichtlich voreingenommen, Liverpool ist mein Klub. Aber ich bin nicht so voreingenommen, als dass ich nicht sehen kann, dass Everton-Fans die andere Seite der Medaille sind und dass die bestehende Rivalität so wichtig für die Identität der Stadt ist», hat Klopp auch für das Lager des Stadtrivalen lobende Worte. «Everton ist in jeder Hinsicht ein grosser Rivale. Ich brauche niemanden, der mich daran erinnert.»
Lobeshymne für die eigenen Fans
Dann widmet sich «The Normal One» aber den eigenen Fans und appelliert, sich nicht vom grossen Punktevorsprung täuschen zu lassen. In beinahe jeder Partie habe man um jeden Zentimeter kämpfen und einen Weg finden müssen, um zu gewinnen: «Das ist eine harte Liga und sie wurde auf die harte Tour gewonnen, egal was die Tabelle sagt». Bei noch sieben ausstehenden Partien weisen die «Reds» einen uneinholbaren Vorsprung von 23 Punkten auf den ersten Verfolger Manchester City auf.
Die Mannschaft habe verstanden, was es bedeutet, diese Stadt zu repräsentieren. «Das ist das Benzin in ihrem Tank, das immer da ist und uns auf jedem Schritt des Weges angetrieben hat», ist Klopp überzeugt. Ohne «die besten Fans, die sich ein Vereine wünschen kann» wäre das alles nicht möglich gewesen. Der Erfolgstrainer schwärmt: «Ich liebe eure Leidenschaft, eure Lieder, eure Weigerung, eine Niederlage hinzunehmen, euer Engagement euer Verständnis für das Spiel und euer Vertrauen in das, war wir tun.»
Nachdem er auch Klublegenden wie Steven Gerrard oder Kenny Dalglish sowie die «herausragenden Besitzer» in den höchsten Tönen lobt, setzt es für den eigenen Anhang allerdings noch Kritik ab. Die Szenen, die sich nach dem gesicherten Meistertitel am berühmten Pier Head abspielten, sind dem Deutschen ein Dorn im Auge. «Ich bin ein Mensch und eure Leidenschaft ist auch meine Leidenschaft. Aber im Moment ist es das Wichtigste, dass wir diese Arten von öffentlichen Versammlungen nicht haben», sagt er.
«Wenn die Zeit reif ist, werden wir feiern»
Tausende Menschen hatten am Freitag in Liverpool die erste Meisterschaft seit 30 Jahren gefeiert. Dabei kippte die Stimmung, es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Behörden ermitteln nach unsachgemässem Einsatz von Feuerwerkskörpern ausserdem wegen Brandstiftung. Der entstandene Schaden soll sich auf umgerechnet knapp 11'000 Euro belaufen. Auf Fotos in britischen Medien waren ausserdem Berge von Müll zu sehen. Der Klub bezeichnete die Geschehnisse als «völlig inakzeptabel».
«Wir schulden es den Schwächsten, dem Gesundheitspersonal, die so viel gegeben und denen wir applaudiert haben, sowie der Polizei und den örtlichen Behörden, die uns als Verein helfen», schreibt Klopp und versichert: «Wenn die Zeit reif ist, werden wir feiern. Wir werden diesen Moment geniessen, und wir werden die Stadt rot anmalen. Aber vorerst bleibt bitte zuhause, soweit das möglich ist. Das ist weder die Zeit, um sich in grossen Gruppen im Stadtzentrum aufzuhalten, noch um sich in der Nähe von Fussballstadien zu versammeln.»