Analyse zur Nati Wo der Schuh drückt und eine Ausrede, die wir nicht gelten lassen

Von Patrick Lämmle

6.6.2022

Harmonierten auf dem Platz nicht: Die Spieler der Schweizer Nati.
Harmonierten auf dem Platz nicht: Die Spieler der Schweizer Nati.
Getty

2021 schafft es die Nati in den EM-Viertelfinal und lässt in der WM-Quali Europameister Italien hinter sich. Sensationell. Im Jahr 2022 setzt es bislang nur Enttäuschungen ab. Müssen wir uns Sorgen machen?

Von Patrick Lämmle

Beim 1:2 im Testspiel im März gegen England zeigte die Mannschaft von Murat Yakin in der ersten Halbzeit eine starke Leistung. Im Wembley knapp zu verlieren, kein Grund, in Panik zu verfallen. Drei Tage später remisierte die Schweiz in einem für viele Spieler sehr emotionalen Spiel gegen den Kosovo. Ein Resultat, mit dem am Ende irgendwie alle leben konnten.

Mehr Sorgen bereiten da die zwei Auftritte in der Nations League. Nach dem 1:2 gegen Tschechien setzt es gegen Portugal eine 0:4-Klatsche ab. In beiden Spielen erreicht die Mannschaft nicht ansatzweise ihr bestes Niveau. Wo drückt der Schuh?

Bereitet dir die Schweizer Nati Sorgen?

Das Pressing, das keines ist

Die Abstände zwischen den Linien sind viel zu gross, weil die Mannschaft nicht als Mannschaft agiert. Das Pressing, das dann eben gar keines ist, verpufft. Beim Pressing geht es darum, geschlossen als Mannschaft anzugreifen, mit dem Ziel, den Ball zu erobern. Das klappt nur, wenn alle Spieler mitmachen, denn nur so geraten die Gegenspieler unter Druck.

Die Schweizer machten das über weite Strecken mangelhaft. Die erste Reihe konnte oft mit einfachen Pässen überspielt werden, weil die Mittelfeldspieler und die Verteidiger nicht nachrückten, respektive zu spät.

Werden die gegnerischen Mittelfeldspieler erst angelaufen, wenn sie den Ball bereits unter Kontrolle haben, ist es zu spät. Für Fussballer auf diesem Niveau ist es dann ein Leichtes, den Ball in die Spitze zu passen. Die Verteidiger sehen sich dann immer wieder mit Angreifern konfrontiert, die mit Tempo auf sie zulaufen, äusserst schwierig unter diesen Umständen gut auszusehen.

Einerseits kann das mit mangelhafter Kommunikation zwischen den Mannschaftsteilen zu tun haben, andererseits mit der Einstellung. Will ich jeden Ball gewinnen, bin ich bereit, auch ohne Ball Meter abzuspulen, ist der absolute Wille da, das Spiel zu gewinnen? Bin ich bereit, nach Ballverlusten blitzschnell umzuschalten, um hinter den Ball zu kommen? Die teils erschreckend schwachen Zweikampfwerte liefern die Antwort: Kaum einer war in den beiden Spielen bereit, alles aus sich rauszupressen. Wenn dann auch noch individuelle Fehler hinzukommen, dann sieht es schnell einmal zappenduster aus.

Fehlende Präsenz in der Box

Aber auch im Spiel mit dem Ball hat vieles nicht gepasst. Über die Aussenbahnen hat die Schweiz zu wenig Druck aufgebaut und wenn doch mal ein Ball vom Flügel zur Mitte gespielt wurde, dann mangelte es an der Präsenz im Sechzehner. Selbst ein perfekter Pass zur Mitte kann unter diesen Umständen keinen Schweizer Abnehmer finden. Gegen Tschechien kam noch die ungenügende Chancenauswertung hinzu. Aber immerhin hat man sich in dieser Partie die eine oder andere Chance erarbeitet, darauf lässt sich aufbauen.

Eine Ausrede, die wir nicht gelten lassen

In den Analysen wurde oft thematisiert – zugegebenermassen weder von den Spielern, dem Trainer noch den Staffmitgliedern –, dass die Spieler eine lange Saison hinter sich haben und es deshalb auch verständlich sei, dass der letzte Wille fehle. Keine Frage, manch einer dürfte auf dem Zahnfleisch laufen. Auch gutverdienende Fussballer sind keine Roboter, sondern einfach nur durchtrainierte Topathleten. Aber selbst die brauchen irgendwann eine Pause, um den Kopf durchzulüften und die Batterien aufzuladen.

Bloss: Auch die tschechischen Nationalspieler haben eine lange Saison hinter sich und die Portugiesen erst recht. Der 37-jährige Ronaldo hat 39 Spiele auf Vereinsebene in den Beinen, der 39-jährige Abwehrboss Pepe deren 32. Von Müdigkeit keine Spur. Ausser, dass ein frischer CR7 den Schweizern vielleicht noch drei Tore mehr eingeschenkt hätte. Aber mit jeder Faser seines Körpers wollte Ronaldo dieses Spiel gewinnen.

Die Nations League ist ja eh nicht wichtig …

Nicht alle sind begeistert von der Nations League, auch hausintern sind die Meinungen geteilt. Es sei doch eh nur ein weiterer Wettbewerb, damit die Uefa noch mehr Geld scheffeln kann. Letzteres mag ein Grund sein, dass der Wettbewerb ins Leben gerufen wurde.

Und doch ist die Nations League auch für die Spieler attraktiver als herkömmliche Testspiele. Zumindest so lange, wie man in der höchsten Liga mitspielen darf und auf attraktive Gegner trifft. Steigt die Schweiz aber ab, dann heissen in der kommenden Ausgabe die Gegner nicht Spanien, Portugal oder Tschechien, sondern beispielsweise Armenien, Israel und Montenegro. Es wäre ein krasser Rückschritt und der Motivation der Spieler garantiert nicht zuträglich.

Deshalb gilt es nun in den zwei kommenden Spielen gegen Spanien und Portugal eine Schippe draufzulegen. Und dann ab in die wohlverdienten Ferien.

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