Sie wurden viermal Olympiasieger und sind gemeinsam die beiden erfolgreichsten Schweizer Olympioniken aller Zeiten. Nun heisst es Abschied nehmen: In Peking bestreiten Simon Ammann und Dario Cologna ihre letzten Spiele. Wehmut wird aufkommen.
Cologna schlug erstmals 2010 in Vancouver über 15 km zu. Vier Jahre später in Sotschi folgten Gold über 15 km und im Skiathlon. 2018 in Pyeongchang gab es nochmals Gold über 15 km. Damit ist der Bündner auch der erste Langläufer in der Geschichte der Winterspiele, der dreimal in Folge in der gleichen Disziplin Gold gewinnen konnte.
Und der erste Schweizer Langläufer überhaupt, der Olympiasieger wurde. Daneben wurde der 35-Jährige 2013 Weltmeister im Skiathlon, gewann viermal den Gesamtweltcup und triumphierte ebenfalls viermal an der Tour de Ski.
Nun geht diese einmalige Karriere Ende Saison zu Ende – in Peking betritt er ein letztes Mal die ganz grosse Bühne. Diese Entscheidung traf und kommunizierte der Münstertaler bereits vor dem Saisonauftakt, «damit ich den Kopf frei habe und mich zu 100 Prozent auf meine sportlichen Ziele konzentrieren kann», wie er betonte.
In Peking nochmals «voll angreifen»
Und den Hauptfokus legte er dabei auf seine olympische Dernière in Peking. «Dort will ich noch einmal voll angreifen», machte er klar. Und dort will er auch nochmals seine Topform erreichen. Der bisherige Saisonverlauf war für Cologna nicht einfach, immer wieder gab es gesundheitliche Rückschläge.
Deshalb gehört der vierfache Olympiasieger an seinen insgesamt vierten Winterspielen in China realistisch betrachtet nicht mehr wirklich zu den Medaillenkandidaten, auch wenn er selbst stets festhielt: «Von einer Medaille träume ich immer noch. An einem guten Tag, wenn alles zusammenpasst, ist noch immer etwas möglich.»
Hinsichtlich seiner Ambitionen sprach er dabei auch immer wieder von der Schweizer Staffel, wo die Chancen auf einen Exploit womöglich am grössten seien. Es wäre eine fast schon kitschig schöne Geschichte, wenn Dario Cologna zum Abschluss tatsächlich zusammen mit seinen Teamkollegen ein letztes Mal auf dem Olympiapodest stehen würde.
Colognas Trumpf im Vergleich zu vielen seiner Konkurrenten ist seine Routine und sind seine von Erfolg gekrönten Erfahrungswerte bei den speziellen Voraussetzungen an Olympischen Spielen. Von diesen kann auch Simon Ammann zehren. Und das in noch ausgeprägterer Form.
2002 als Harry Potter der Lüfte abgefeiert
Der 40-jährige Toggenburger bestreitet in Peking seine siebten Olympischen Spiele. 1998, 2002, 2006, 2010, 2014, 2018 und jetzt 2022. Niemand aus der Schweiz kommt als Aktiver auf so viele Olympiateilnahmen. 2002 in Salt Lake City und 2010 in Vancouver gewann Ammann jeweils zweimal die Goldmedaille, sowohl auf der Normalschanze wie auch auf der Grossschanze.
Damals, vor 20 Jahren und als 20-Jähriger war «Simi» die Schweizer Sensation. Zehn Jahre lang hatte es zuvor keinen Schweizer Weltcupsieg im Skispringen mehr gegeben – bloss eine WM-Bronzemedaille (1997 durch Sylvain Freiholz). Dann kam Ammann, wurde als erster Schweizer Olympiasieger im Skispringen, als erster Skispringer seit dem Finnen Matti Nykänen 1988 Doppel-Olympiasieger und zu einem der Stars der Spiele.
Seine ulkigen Grimassen im legendären Silbermantel der Schweizer Olympia-Delegation zierten die Titelseiten der grössten amerikanischen Zeitungen, Ammann wurde als Harry Potter der Lüfte abgefeiert, sogar in die Show des US-Kult-Talkmasters David Letterman eingeladen und verkaufte sich dort vor einem Millionen-Publikum auch als Showman glänzend.
Den Trumpf der Erfahrung ausspielen
2010 in Vancouver wiederholte Ammann sein Olympia-Kunststück und wurde erneut Doppel-Olympiasieger. Er überholte damit Nykänen, der dreimal Einzel-Gold gewonnen hatte, als erfolgreichsten Olympia-Skispringer aller Zeiten. 2010 war ohnehin das erfolgreichste Jahr seiner Karriere – der Toggenburger konnte damals auch sechs seiner insgesamt 23 Weltcupsiege feiern, gewann den Gesamtweltcup und siegte auch noch an der Skiflug-WM in Planica.
Ähnlich wie Cologna muss auch Ammann im Spätherbst seiner Karriere nun kleinere Brötchen backen, auch er gehört nicht wirklich zu den Medaillenanwärtern. «Ich freue mich mega auf die Winterspiele», frohlockt er aber dennoch.
Wegen der Pandemie ist noch niemand auf den Olympia-Schanzen gesprungen. Die Bedingungen in Asien könnten ausserdem speziell sein. «Pyeongchang hat dies ja gezeigt. Das Wetter, die Kälte … Das war eine grosse Herausforderung», so der vierfache Olympiasieger.
Der grosse Unterschied beim Thema Rücktritt
Routinierte Athleten können mit solchen Situationen oft besser umgehen als ihre jüngeren Kollegen und könnten daher im Vorteil sein. Und da liegt dann die Chance von Simon Ammann. Ganz ähnlich wie bei Cologna.
Mit dem Wort «Rücktritt» geht Ammann indes komplett anders um als sein Nordisch-Kollege Cologna. Er hat diesen schon mehrfach verschoben. 2020 teilte der Toggenburger in einem Communiqué mit, dass er die Karriere um zwei Jahre verlängere, die Olympischen Spiele 2022 in Peking erklärte er zu seinem letzten grossen Ziel. Seither ist es zu diesem Thema still geworden und Ammann tritt so auf, als sei seine mutmasslich letzte Saison ein ganz gewöhnlicher Winter.
Gedanken an Abschied von den Weltcup-Stationen oder eben Olympischen Spielen will er gar nicht erst zulassen. Emotionen dürften in Peking aber trotzdem aufkommen, denn die Chancen, dass die Schweizer Olympia-Legende auch im Alter von 44 Jahren an den Olympischen Spielen 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo noch dabei sein wird, liegen praktisch bei null.
Dario Cologna und Simon Ammann. Die beiden erfolgreichsten Schweizer Olympioniken aller Zeiten. Zwei der besten Schweizer Sportler überhaupt. Wir werden sie vermissen, sie werden eine riesige Lücke hinterlassen. Umso schöner, dass wir sie in Peking nochmals an Olympischen Spielen geniessen können. Auch wenn uns dabei die Wehmut begleiten wird.
blue News blickt in der Serie «Olympia-Countdown» auf die Spiele in Peking – das war Teil 5 von 7.