Für David Graf sollten die Olympischen Spiele in Tokio das letzte sportliche Highlight vor dem fliegenden Wechsel ins Amt des Nationaltrainers sein. Der Plan wurde vom Coronavirus durchkreuzt.
30. und 31. Juli 2020 – David Graf hatte sich die Tage dick angestrichen: Olympische Spiele in Tokio, BMX-Wettkampf. Die Bühne für das letzte sportliche Ausrufezeichen vor dem Rücktritt und dem Wechsel ins Trainermetier. Die Gelegenheit, mit dem Gewinn seiner ersten Olympiamedaille abzutreten und sich mit dem Grossanlass zu versöhnen, der ihm bislang kein Glück gebracht hat. Auch der Plan für die Karriere danach war skizziert. Der Vertrag mit Swiss Cycling als künftiger BMX-Nationalcoach ist seit letztem November unterzeichnet.
Nun könnte es Anpassungen geben. Die Olympischen Spiele sind verschoben, und David Graf steht vor der Frage: Karriere verlängern und Zukunftsplan verwerfen oder daran festhalten und den Olympia-Traum begraben? «Es ist zu früh, um mir grosse Gedanken zu machen», sagt der 30-Jährige darauf angesprochen. Aus der Ruhe bringt ihn die Ausnahmesituation keineswegs: «Es gibt Schlimmeres im Moment als das Sportlerleben. Ich persönlich bin vergleichsweise in einer ziemlich entspannten Lage und glaube auch, dass mir der Verband keine Steine in den Weg legen würde, sollte ich weitermachen wollen. Ich sehe mich sicher nicht als das grosse Opfer der Krise.»
«Ich war noch nie so schnell wie jetzt»
Zwölf Rennen hätten es eigentlich noch sein sollen für Graf, mit jenem in Tokio als Höhepunkt. Zehn Anläufe hätte er im Weltcup bis Mitte Mai gehabt, um den ersehnten ersten Sieg zu erringen, anschliessend die WM in Houston als Olympia-Hauptprobe. Die Realität sieht nun so aus: Drei Weltcuprennen haben Anfang Februar in Australien stattgefunden, die restlichen sind wie die WM ausgesetzt, die Olympischen Spiele auf 2021 verschoben.
Ein normales Training war für das Schweizer BMX-Aushängeschild in den letzten Tagen nicht mehr möglich. Die Sportanlagen an Grafs Trainingsbasis in Stuttgart sind geschlossen, öffentliche Krafträume und vergleichbare Einrichtungen zu. Und doch wäre Grafs Verfassung vielversprechend gewesen – auch deshalb, weil der Winterthurer in den letzten zwei Jahren noch einmal einen Zacken zugelegt hat. In Stuttgart profitierte er von einer der besten Trainings-Infrastrukturen für BMX-Fahrer, die Wohnung seiner Freundin rüstete er im Zuge der Einschränkungen mit diversen Fitness-Geräten aus. «Gemessen an den Leistungsdaten bin ich auf dem Karriere-Höhepunkt. Ich war noch nie so schnell wie jetzt.»
Der 3. Rang im zweiten Weltcuprennen in Shepparton lieferte die Bestätigung, dass der Olympia-Fahrplan stimmt. Doch nun muss Graf umplanen. Es ist bitter für ihn, aber kein Grund sich zu beklagen: «Wie gesagt: Es gibt im Moment wahrlich Schlimmeres als das Leben als Sportler.»