Trump als KatzenkriegerEntscheidet künstliche Intelligenz die US-Wahl?
dpa / mar
23.9.2024 - 08:47
Eine Flut raffinierter Deepfakes dank künstlicher Intelligenz – das ist bislang in diesem Wahlkampf noch nicht geschehen. Was die Wähler sehen, ist oft cartoonhaft und grotesk. Aber was bedeutet das?
dpa / mar
23.09.2024, 08:47
26.09.2024, 09:30
dpa
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Obwohl Deepfakes im US-Wahlkampf 2024 befürchtet wurden, dominieren bisher cartoonartige und groteske KI-generierte Bilder die sozialen Medien.
Diese humorvoll erscheinenden Memes werden genutzt, um politische Botschaften und teils rassistische Verschwörungstheorien zu verbreiten.
Die Demokraten nutzen die KI-Bildgeneratoren weniger. Falls doch machen sie sich vor allem über Elon Musk und Donald Trump lustig.
Generative künstliche Intelligenz ist in den vergangenen vier Jahren zunehmend populär geworden – und so hatten Experten im US-Wahlkampf 2024 das Schlimmste befürchtet: Von KI erzeugte Deepfakes, die soziale Medien überfluten und so realistisch sind, dass Wähler nicht wissen, was sie glauben können und was nicht.
Aber bislang ist das nicht eingetreten. KI spielt tatsächlich eine beachtliche Rolle in diesem Wahlkampf. Gefakte, KI-generierte Bilder machen im Internet regelmässig die Runde. Aber was die Wähler anstatt der befürchteten Flut von Deepfakes oft sehen, ist cartoonartig und augenfällig absurd, so sehr, dass auch die naivsten Betrachter es nicht ernst nehmen könnten.
Doch sogar diese Memes können problematisch sein. Ins Auge fallende KI-generierte Fotos und Videos – manche davon sollen lustig erscheinen – sind zu einem nützlichen Werkzeug geworden, falsche und mitunter rassistische Botschaften mit einer klaren politischen Lastigkeit zu verbreiten. Und Kandidaten und ihre Unterstützer helfen mit, sie in sozialen Medien weiterzugeben.
Ein Beispiel dafür ist die Art und Weise, wie Trump und viele seiner Verbündeten völlig unbegründete Verschwörungstheorien, nach denen haitianische Migranten in Springfield (Ohio) Katzen und Hunde stehlen und essen, lebendig halten.
Sie haben diese Behauptungen nicht nur mehrfach wiederholt – sie haben auch damit verbundene, KI-erzeugte Memes verbreitet. Eines davon, auf Trumps Plattform Truth Social, zeigte eine Gruppe von kleinen Katzen, die ein Schild mit der Aufschrift «Lasst nicht zu, dass sie uns essen. Stimmt für Trump!» in die Höhe halten.
Solche KI-generierten Bilder seien neue, virale Mittel, um alte Anti-Immigrations-Narrative zu befördern, sagt Francesca Tripodi, eine Expertin in Sachen Online-Propaganda. Die Memes, mit denen die Behauptung über die Haitianer verstärkt würden, seien alles andere als humorvoll.
«Wenn du gewählte Amtsträger hast, die diese Bildersprache als ein Mittel nutzen, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit lebendig zu erhalten, ist das ein riesiges Problem», so die Soziologin der University of North Carolina in Chapel Hill.
Republikaner spielen Bedeutung runter
Republikaner verteidigen die Bilder als leichtherzige Witze – und Nebenprodukte von Trumps Individualität. «Es gibt eine Persönlichkeitskultur um Trump, die zu dieser diese Art von übertriebenem Kommunikationsstil ermuntert», sagt Caleb Smith, ein republikanischer Stratege. «Die Absicht ist, zu unterhalten, nicht zu täuschen.»
Trump und seine Anhänger sind nicht die Einzigen, die KI-Memes schaffen, aber sie scheinen KI-Bild-Generatoren häufiger zu verwenden als die demokratische Seite. Einige linksgerichtete Nutzer haben KI-Bilder gepostet, die sich über den Milliardär und X-Eigentümer Elon Musk, einen lautstarken Trump-Wahlkampfunterstützer, lustig machen.
Demokraten brachten mit Bezug auf die Gerichtsverfahren gegen Trump auch KI-erzeugte Fotos vom Ex-Präsidenten in Handschellen in Umlauf. Aber Kamala Harris neigt bisher nicht dazu, KI-erzeugte Inhalte zu amplifizieren. Sie bevorzugt eine Bildsprache, die keine KI-Generatoren erfordert.
Gegenwärtig sei in der Wahlkampagne der Demokratin nur das Benutzen generativer KI als Produktivitätswerkzeug gestattet, etwa zur Datenanalyse, sagt Harris-Wahlkampfsprecherin Mia Ehrenberg. Trumps Wahlkampfsprecher Steven Cheung beantwortete spezifische Fragen der Nachrichtenagentur AP nicht, sagte aber, dass sich die Strategie seit Mai nicht geändert habe. Damals hatte Cheung in einer E-Mail erklärt, dass das Wahlkampfteam keine von irgendeinem KI-Unternehmen gelieferten Werkzeuge benutze.
Wenn aus Spass Ernst wird
Das Verwenden gefakter, unterhaltsamer und oft geradezu grotesker Abbildungen für politische Zwecke ist an sich nichts Neues. Aber KI-erzeugte Bilder sind mit ihrem Hyperrealismus schlagkräftiger als zusammengeschusterte Photoshop-Bilder oder politische Cartoons und können neue Aufmerksamkeit auf eine politische Botschaft lenken.
Waren manche der Bilder im Zusammenhang mit den Haustieren in Springfield cartoonartig und albern, hatte man bei vielen den Eindruck, dass sie eine schädliche Verschwörungstheorie verfestigten – zu Lasten einer Gemeinschaft, die inzwischen zahlreiche Bombendrohungen erhalten hat, mit Evakuierungen von Schulen und Regierungsgebäuden als Folge.
US-Wahlen 2024 im Fokus
Amerika wählt am 05. November einen neuen Präsidenten. Aber nicht nur der Präsident, sondern auch 35 Senatssitze, das komplette Repräsentantenhaus sowie elf Gouverneure werden neu gewählt. blue News begleitet die heisse Phase des Duells um das Weisse Haus nicht nur mit dem Blick aus der Schweiz, sondern auch mit Berichten direkt aus den USA.
Patrick Semansky/AP/dpa
Die Geschwindigkeit und Zugänglichkeit generativer KI-Werkzeuge machen es leicht, absonderliche politische Inhalte zu schaffen, die häufig angeklickt werden und vielen «gefallen». Jeder mit einer Internet-Verbindung kann auf KI-Bild-Generatoren zugreifen, sie sind ein billiger und bequemer Weg für Wahlkämpfer, auf Online-Trends zu antworten und eine Botschaft an den Mann oder die Frau zu bringen.
Man habe es in Wahlkämpfen seit sehr Langem mit Desinformation zu tun, es sei kein neues Problem, sagt Teddy Goff, der Direktor für Digitales in Barack Obamas Wahlkampfteam 2012. Aber KI ermögliche es, «diese Sachen schneller zu machen, vielleicht überzeugender und zielorientierter».
Trumps Erwärmung für KI-erzeugte Bilder widerspricht einigen seiner Äusserungen in einem Fox-Business-Interview im vergangenen Frühjahr. Da nannte er künstliche Intelligenz «sehr gefährlich» und «so furchterregend», weil es «keine wirkliche Lösung» der Fragen gebe, die von der fortgeschrittenen Technologie geschaffen würden.