Fünf Kameras auf der Rückseite Nokia PureView 9 im Test: Mehr ist noch nicht mehr

Henning Steier

11.4.2019

Das Nokia 9 PureView hat fünf Kameras auf der Rückseite.
Das Nokia 9 PureView hat fünf Kameras auf der Rückseite.
Screenshot: PD

Das jüngste Nokia-Smartphone will mit einem Fünf-Kamera-System die Konkurrenz abhängen. Es bleibt aber auf halber Strecke stehen.

Diese Woche fiel aufmerksamen Branchenbeobachtern auf, dass Google seit Oktober die Liste der meistverbreiteten Android-Versionen nicht mehr aktualisiert hat. Einen Grund nannte das Unternehmen auf Nachfrage nicht. Es könnte damit zu tun haben, dass Google im Gegensatz zu Apple die neusten Versionen erst relativ spät oder gar nicht auf Mobilgeräte bringt. Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Provider eine gewisse Zeit brauchen, um Android anzupassen. Das gilt auch für die Gerätehersteller.

Eine der wenigen Ausnahmen ist HMD Global. Das finnische Start-up hat die Marke Nokia wiederbelebt und sein Flaggschiff Nokia 9 PureView nun auch in der Schweiz auf den Markt gebracht. Wie seine Geschwister setzt es auf Android One. Folglich verstopfen keine unnützen, weil schlechteren Apps eines Herstellers das Smartphone. Man denke etwa an die Browserversuche von Huawei, die Google Chrome, dem Android-Standardbrowser, noch nie das Wasser reichen konnten.

Der für die meisten Nutzer aber grösste Vorteil von Android One: Sicherheits-Updates werden für einen Zeitraum von drei Jahren geliefert, grösse Android-Updates soll es zwei Jahre lang geben. Letztgenanntes ist bei Flaggschiffen anderer Hersteller mittlerweile Standard.

Guter Klang

Zweites wichtiges Abgrenzungsmerkmal des Nokia 9 PureView ist die 5fach-Kamera auf der Rückseite. Der Beiname PureView hat – wie Nokia – unter Handyenthusiasten noch immer einen sehr guten Klang, denn so gab es etwa vor Jahren schon interessante Experimente wie das Nokia PureView 808 mit einer 41-Megapixel-Kamera. Damals wie heute als Partner an Bord: Der renommierte deutsche Hersteller Zeiss.

Aber wie gut ist die Penta-Kamera wirklich? Nach einwöchigem Test ist die Antwort: Es ist die falsche Frage; sie muss lauten: Wie gut kann die Kamera noch werden? Denn HMD Global hat bereits angekündigt, einen Hauptkritikpunkt per Softwareupdate mildern zu wollen: Es dauert bis zu zehn Sekunden, bis man sich ein gemachtes Foto anschauen kann. Das liegt daran, dass das Zusammenrechnen der Bildinformationen dieser Vielzahl an Sensoren für die Hardware einer Höchstbelastung gleichkommt. 

Update erwünscht

Alleine mit Softwareupdates wird man das Problem aber wohl nicht vollständig lösen können. Schon eher lösbar: Der wie bei Konkurrenzgeräten wie dem Huawei P30 Pro und dem Samsung Galaxy S10 ins Display verbaute Fingerabdrucksensor funktionierte im Test nicht immer einwandfrei. Auch hier hat HMD Global Besserung gelobt. 

Zurück zum 5-Kamera-Array-System: Was genau ist dessen Vorteil? Theoretisch sind es drei: Da wäre ein grösserer Dynamikumfang, da die Kameras Fotos mit unterschiedlichen Blendenstufen schiessen können. Wegen der fünf Kameras soll das System deutlich mehr Tiefeninformationen erfassen können, so dass sich die Schärfe nachträglich ändern lassen kann. Nicht zuletzt zudem soll das Kamerasystem bis zu zehn Mal mehr Licht durchlassen als Konkurrenten. Damit wäre das Fotografieren in der Dunkenheit wohl unproblematisch.

Obere Mittelklasse

In der Praxis konnten die Fotos aber nicht überzeugen. Natürlich ist das Gerät mit 700 Franken in der oberen Mittelkasse angesiedelt. Die erwähnte Konkurrenz bewegt sich im Bereich ab 1000 Franken. Doch HMD Global hat das Kamerasystem schon bei der Vorstellung des Geräts so sehr in den Vordergrund gestellt, dass sie zwangsläufig im wahrsten Sinne des Wortes im Fokus stehen muss. 

Aber weder das Fotografieren bei schlechten Lichtverhältnissen noch das nachträgliche Ändern des Fokuspunktes gelangen im Test so wie wir es uns erhofft hatten. Liest man andere Testberichte, sind wir mit unseren Eindrücken nicht allein. Die Branchenbeobachter eint die Hoffnung, dass HMD Global sich damit nicht zufrieden gibt und entweder aus der Software noch mehr herauskitzelt oder mit dem Nokia 10 PureView signifikante Verbesserungen liefert. Der verfolgte Hardware-Ansatz wäre es wert – und das eingangs erwähnte Bekenntnis zu Android One auch.

Fazit

Das Nokia 9 PureView macht optisch, wie man es von Nokia seit jeher kennt, einiges her. Dafür steht auch das scharfe Display, welches das hellste aktueller Smartphone-Flaggschiffe ist. Android One ist ein echter Mehrwert. Auch die Kamera überzeugt bei Tageslicht und Standardaufnahmen. Doch die von HMD Global geweckten Erwartungen kann sie noch nicht erfüllen, was auch damit zu tun haben dürfte, das ein veralteter Rechenkern verbaut wurde, aber irgendwie muss der Hersteller ja diesen Preispunkt erreichen. Wünschenswerte fürs Nokia 10 PureView wären auch ein Speicherkarteneinschub und eine Akkulaufzeit, die wie bei Top-Geräten anderer Hersteller in der Regel fast zwei Tage beträgt. 

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