Kolumne Ein Stück helvetische Alltagskultur – ein Hoch auf den Apéro

Marianne Siegenthaler

18.2.2019

Das Apérölen gehört zur Schweiz wie das Matterhorn.
Das Apérölen gehört zur Schweiz wie das Matterhorn.
Bild: Keystone

Apéros sind ein wichtiger Teil der helvetischen Alltagskultur. Das «Apérölen», ist wohl die unkomplizierteste Form von Sozialevent. Und wer keine Lust hat auf Geselligkeit, geht früh nach Hause.

Der Apéro gehört zur Schweiz wie das Matterhorn, sagt man. Und so ist das Glas Weisswein, das Bier oder das Cüpli mit Knabberzeug fester Bestandteil unserer Alltagskultur. Natürlich für die meisten nicht täglich. Aber wenn man es darauf anlegt, könnte man praktisch jeden Abend an einem Apéro verbringen.

Wobei, Abend trifft es gar nicht richtig. Der Apéro findet in der Übergangszeit zwischen Arbeit und Freizeit statt. Und dafür ist jeder Anlass recht: Geschäftseröffnungen, Meetings, bestandene Prüfungen, Lesungen, Abschied vom Job, Geburtstag, Vernissage, Neuzuzüger – einen guten Grund für ein, zwei Gläser in geselliger Runde gibt es immer.

Doch die Apéro-Kultur will auch gepflegt sein. Billiger Weisswein zu pampigem Blätterteiggebäck, und das bereits am späteren Nachmittag, das kann den ganzen Abend ruinieren. Und selbst wenn es keinen «Chateau Migraine», also Kopfwehwein gibt, dann sorgen die falschen Häppchen für schlechte Laune.

Stehend und mit einem Glas in der Hand ist man nämlich etwas eingeschränkt, was die Nahrungszufuhr anbelangt. So tropft die Gazpachosuppe auf die Bluse und die Mayo vom Thoncanapé aufs Hemd. Doch damit nicht genug: Wer bei den Spinatküchlein zuschlägt, riskiert, dass ihm grüne Fäden zwischen den Zähnen hängenbleiben – und wetten, keiner macht einen darauf aufmerksam?

Wer keine Lust hat, geht nach Hause

Kommt dazu, dass man ja seit Mittag nichts mehr gegessen hat, entsprechend zügig fährt der Alkohol von Weisswein und Champagner ins Blut beziehungsweise ins Hirn. Und bevor man mit jedem zum zweiten Mal angestossen hat – Anstossen und sich dabei in die Augen schauen, ist bei Apéros heilige Pflicht! –, ist man schon leicht beschwipst.

Und gerät dann beim Heimfahren in eine Polizeikontrolle. Oder trifft in der S-Bahn auf eine Kollegin, die sich allerhand Gedanken über die Alkoholfahne macht – und diese Gedanken womöglich auch noch mit anderen teilt.

Trotzdem möchten die meisten nicht aufs Apérölen verzichten. Denn es gibt wohl kaum einen Sozialevent, an dem es so locker und ungezwungen zu und hergeht. Weder muss man auf die Minute pünktlich erscheinen, noch gibt es einen Dresscode.

Wer kein Cüpli mag, trinkt etwas anderes. Wer auf Diät ist, verzichtet auf die Schinkengipfeli. Wer keine Lust auf Networking hat, unterhält sich eben mit dem Menschen, der besonders sympathisch ist.

Aber das Allerbeste: Man muss auch nicht ewig durchhalten beziehungsweise das Ende der Veranstaltung abwarten. Wer keine Lust mehr auf Geselligkeit hat, geht einfach nach Hause.

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