Ciao Küsschen! Mit Ellbogen und Fuss – das Virus verändert unsere Begrüssung

Sabine Dobel, dpa

17.3.2020

Prinz Charles begrüsst Rolling-Stones-Gitarrist Ronnie Wood während den Prince's Trust Awards in London mit einem «Namaste».
Prinz Charles begrüsst Rolling-Stones-Gitarrist Ronnie Wood während den Prince's Trust Awards in London mit einem «Namaste».
Bild: Getty Images

«Gib schön die Hand» – das war der Spruch der Eltern, den man als Kind hasste: Mancher drückte zu fest, andere fühlten sich eklig feucht an. Jetzt ist der Händedruck offiziell ausgesetzt. Corona hat die Etikette geändert.

Ellbogen statt Küsschen? Faust statt Umarmung? Seit sich das Coronavirus SARS-CoV-2 ausbreitet, grüsst man sich anders. Weltweit kommen mit der Pandemie wegen der Ansteckungsgefahr Etikette und Rituale auf den Prüfstand.

Händedruck ist out. Ärzte raten zu häufigem Händewaschen und weniger körperlicher Nähe. Auch deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer hielt sich daran – und wies kürzlich die Hand von Kanzlerin Angela Merkel zurück. Und mancher mag froh sein, derzeit Donald Trump den Handschlag verweigern zu können – der tätschelnde «Trumpshake» ist berüchtigt.

Die Menschen suchen nun nach passenden Alternativen.

Prinz Charles probierte es mit dem indischen Gruss «Namaste»: Hände aneinandergelegt und eine kleine angedeutete Verbeugung. Andernorts legen Politiker die Hand aufs Herz – oder nicken sich zu.

«Wuhan Shake» oder «Foot Shake»

«Es gibt unendlich viele verschiedene Begrüssungsformen», sagt die Verhaltensbiologin Imme Gerke, die unter anderem interkulturelle Schulungen anbietet. Sie selbst beherrsche allein 20 Formen – und suche aus, was passend sei. «Dann stellt sich die Frage nach dem Handschlag gar nicht mehr. Das ist das, was wir heute unter Vielfalt verstehen.»

Nicht angezeigt ist derzeit die Berührung mit der Stirn oder der «Nasenkuss» bestimmter Völker – und auch die Bussi-Gesellschaft muss sich vorerst zurücknehmen. Im Internet kursieren dafür Videos, in denen sich Leute beim «Wuhan Shake» oder «Foot Shake» zur Begrüssung mit den Füssen einen Kick geben oder sich berührungsfrei die Hände nur angedeutet in der Luft reichen.

Händedruck ist out: Der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer hielt sich daran – und wies die Hand von Kanzlerin Angela Merkel zurück.
Händedruck ist out: Der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer hielt sich daran – und wies die Hand von Kanzlerin Angela Merkel zurück.
Bild: Keystone

Weil Patienten schon vor den ersten Symptomen ansteckend sein und Viren an den Händen haben können, empfehlen Fachleute den grundsätzlichen Verzicht auf den Händedruck. «Jeden unnötigen Kontakt sollte man zurzeit vermeiden», sagt Petra Gastmeier, Leiterin des Nationalen Referenzzentrums (NRZ) für Surveillance von nosokomialen Infektionen in Berlin.

Die Übertragung geschehe, wenn man sich anschliessend mit den eigenen Händen in sein Gesicht fasse, erläutert der Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene DGKH, Peter Walger. «Die Viren, die an den Händen kleben, trägt man dann in die Schleimhäute der Nase, der Augen oder des Mundes.» Wie viel Prozent der Coronavirus-Infektionen über den Handschlag übertragen werden, könne allerdings niemand sagen.

Weitere Gefahr: Tröpfcheninfektion

Aber es geht um mehr: Wer Hände schüttelt, ist dem anderen nah – und hier droht eine weitere Gefahr: Tröpfcheninfektion. «Das Händeschütteln zu untersagen, macht nur Sinn, wenn man den Abstand von ein oder besser zwei Metern einhält», sagt Walger. «Schon allein um diesen Abstand einzuhalten, schüttelt man nicht mehr die Hände.»

Damit ist jede nahe Begrüssung auch ohne Hautkontakt keine Lösung. «Auch von Umarmungen – als Alternative zum Händeschütteln – würden wir derzeit abraten», heisst es etwa beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).



Walger ruft zur Besonnenheit und verantwortlichem Verhalten auf. «Wir sollten anerkennen, dass wir eine grassierende Infektion haben, eine Ausbreitung eines Erregers, der sehr viele Menschen betreffen wird.» Eine Priorität müsse sein, die zu schützen, die schwer krank werden könnten: Alte und Kranke. Wer eine Infektion habe, solle aus Rücksicht auf andere den Kontakt reduzieren. Ein einfacher Mundschutz helfe praktisch nicht gegen eine eigene Infektion, könne aber die anderen schützen, wenn man krank sei. Anstelle eines Mundschutzes, derzeit ohnehin ausverkauft – tue es auch ein Schal oder ein Tuch – «alles, was die Tröpfchenverbreitung verhindert».

Mundschutz bei Erkältung

Vielleicht gehört das künftig zum guten Benehmen: Mundschutz bei Erkältung. Beim Gruss hat sich bisher noch kein neuer Ritus durchgesetzt. Oft gesehen ist die Namaste-Geste. Doch dafür braucht man beide Hände – schwierig und wenig elegant, wenn man eine Tasche oder ein Handy in der Hand hält. Nur Lächeln wiederum könne missverstanden werden als ein «Du gefällst mir», meint Gerke.

Ebola-Gruss statt die Hand geben auch gestern Sonntag bei den Regierungsratswahlen im Kanton Thurgau: Jakob Stark (rechts) gratuliert seinem Nachfolger Urs Martin.
Ebola-Gruss statt die Hand geben auch gestern Sonntag bei den Regierungsratswahlen im Kanton Thurgau: Jakob Stark (rechts) gratuliert seinem Nachfolger Urs Martin.
Bild: Keystone

Gerkes favorisierte Alternative der Coronavirus-angepassten Begrüssung ist die offene Hand auf dem Herzen. «Das wird auch bei vielen arabischen Völkern so gemacht.» Es sei oft die Antwort darauf, dass sich Männer und Frauen nicht berühren sollten. «Das wäre doch jetzt eine ideale Begrüssung.» Es sei eine menschlichere Geste als der Faustgruss, den viele Firmen derzeit propagieren und mit dem Barack Obama lässig unter anderem im vergangenen Jahr die Grünen-Fraktionschefin in Bayern, Katharina Schulze, begrüsste.

Zwar dürfte der Faustgruss – auch als «Fist Bump» oder «Ghettofaust» bekannt – an sich virenfreier sein als der Händedruck. Doch der Zwei-Meter-Abstand ist dabei kaum einzuhalten.

Dasselbe gilt für den Ebola-Gruss, den gestern bei den Regierungsratswahlen im Kanton Thurgau Jakob Stark und sein Nachfolgern Urs Martin praktizierten: Dabei berühren sich nur die Ellbogen. Auch der Sänger Howard Carpendale nutzte diese Grussart am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. «Ich habe viele Leute getroffen, die sich Ellbogen an Ellbogen begrüssen. Aber es gibt weltweit so viele Begrüssungsformen – da muss man nicht den Ellbogen erfinden», sagt Gerke.

Die Verhaltensbiologin, die unter anderem bei dem Forscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt lernte, hat noch einen Vorschlag, der bisher kaum genannt wird, nach ihrer Aussage aber weltweit über die Kulturen hinweg verstanden wird: «Es gibt eine Begrüssungsform, die allen Menschen und auch den Primaten angeboren ist: das Hochziehen der Augenbrauen.» Auch kleine Kinder reagierten so. Sich gar nicht mehr zu begrüssen, wäre laut Gerke die schlechteste Idee. Denn: «Die Begrüssung ist ein aggressionshemmender Mechanismus.»

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