Mehr Kaffee, mehr Abfall Nespresso brüht das Kapselsystem neu auf – mit altbekannten Folgen

Mara Ittig

24.8.2018

Mehr Kaffee, mehr Abfall: Ein Mann sortiert Nespresso-Kapseln in einer Sortier-Anlage im waadtländischen Moudon.
Mehr Kaffee, mehr Abfall: Ein Mann sortiert Nespresso-Kapseln in einer Sortier-Anlage im waadtländischen Moudon.
Bild: Keystone

Nespresso bringt mit Vertuo eine neue Kapselgrösse auf den Schweizer Markt. Die neue Kapsel verspricht Kaffeegenuss im Grossformat. Versucht der Schweizer Kaffeehersteller damit, den Problemen im angestammten Markt etwas entgegenzusetzen?

Lange Zeit schrieb Nespresso ein wahres Erfolgsmärchen und konnte Wachstumsraten im zweistelligen Bereich vermelden – Jahr für Jahr. Was anfänglich intern für einen Rohrkrepierer gehalten wurde, entpuppte sich zum ersten Schritt einer Kaffeerevolution: «Nespresso - what else?».

Seit einigen Jahren wird dem Kapsel-Hersteller allerdings immer mal wieder ein schlechter Geschäftsgang nachgesagt. Stimmt das? Genaue Geschäftszahlen gibt die Firma keine bekannt. 

Es werden immer noch viele neue SHops eröffnet: 2017 waren es 80. Hier ein Nespresso-Store in Paris.
Es werden immer noch viele neue SHops eröffnet: 2017 waren es 80. Hier ein Nespresso-Store in Paris.
Bild: Nespresso

Unbestritten ist, dass das enorme Wachstum eingebrochen ist, die Wachstumskurve fällt deutlich flacher aus. Man wächst zwar noch, aber im mittleren einstelligen Bereich. Vor allem in Schwellenländern.

Der Kapsel-Boom ebbt ab

Schuld daran ist unter anderem das umständliche Vertriebssystem und Nestlés strikte Weigerung, die Kapseln im Detailhandel anzubieten. Seit man juristisch die Segel strecken und die Monopolstellung aufgeben musste, fluten Kopien von Chicco D'Oro, Jacobs oder La Semeuse die Regale. Und wer ohnehin schon wegen Salat, Shampoo und Salz im Coop steht, kauft auch gleich den Kaffee dort.

Für alle, die gerne viel Kaffee in der Tasse haben, gibt's nun das Vertuo-System von Nespresso auch in der Schweiz.
Für alle, die gerne viel Kaffee in der Tasse haben, gibt's nun das Vertuo-System von Nespresso auch in der Schweiz.
Bild: Nespresso

Hinzu kommt, dass der Kapsel-Boom langsam abebbt. Plötzlich sind Getränke wie Filterkaffee (heisst jetzt ganz hip Pour Over) und Cold Brew gefragt sowie nachhaltige Kaffee-Produkte aus kleinen Mikro-Röstereien. Auch Vollautomaten legen an Marktanteil zu, weil sie erschwinglicher geworden sind. Apropos Nachhaltigkeit: Auch da leidet Nespresso. Das Kapselprodukt generiert viel Abfall – einigen zu viel, sie steigen um auf umweltfreundlichere Möglichkeiten, ihren Kaffee zuzubereiten. 

Das Monopol ist zurück...

Nun also die Gegenoffensive: Nespresso Vertuo ist im angelsächsischen Raum – wo man den Kaffee gerne in grösseren Dimensionen trinkt –  schon seit 2014 erhältlich. In Europa machte neben Grossbritannien Frankreich 2016 den Anfang.  Die neuen Kapseln ergeben nicht nur mehr Kaffee (die Variante Alto füllt einen 414-Milliliter-Becher), sondern verfügen auch über eine neue Technik, mittels derer der Kaffee durch ein neuartiges Rotationsverfahren aus der Kapsel gepresst wird, statt wie bis anhin mit Druck.

Starbucks-Kaffee: Was steckt drin?

Laut Nespresso entspreche die grössere Füllmenge von bis zu fast einem halben Liter einem Kundenbedürfnis: Fast ein Fünftel der Befragten in der Schweiz wünsche sich grössere Portionen. Preislich wird eine Kapsel zwischen 48 und 65 Rappen liegen - das ist mehr als die herkömmlichen kosten; ist ja auch mehr drin. Die Vertuo-Kapsel braucht eine eigene Maschine, beides soll ab Ende September auch in der Schweiz erhältlich sein.

... und der Abfallberg wächst

Es gibt allerding auch mehr Abfall - und auch eine neue Maschine muss her für all jene, die in den Genuss der Vertuo-Kapseln kommen wollen. Das ist nicht wirklich ökologisch, auch wenn die neue Kapsel ebenfalls aus Aluminium ist und recycelt werden kann. Zurück bleibt der fahle Nachgeschmack, dass durch die neue Kapsel mehr Müll anfällt.

Die gereinigten und gepressten Kapseln stehen zum Abtransport bereit: Die Paletten à 1000 Kilogramm werden weiterverkauft.
Die gereinigten und gepressten Kapseln stehen zum Abtransport bereit: Die Paletten à 1000 Kilogramm werden weiterverkauft.
Bild: Keystone

Es sei die Frage gestattet, wieso man bei Nestlé nicht mehr Geld in die Entwicklung nachhaltiger Lösungen steckt, statt sich auf die Aufrechterhaltung des Monopols zu fokussieren? 

Die Kapseln gibt es vorerst nur bei Nespresso zu kaufen. Und damit das so bleibt, ist jede Kapsel mit einem Strichcode versehen, der nicht nur Infos über die richtige Zubereitung an die Maschine weitergibt, sondern auch vor Klonen schützt. Man hat also wieder ein Kapsel-Monopol.

Wer seinen Kaffee lieber mit aufgeschäumter Milch trinkt, bleibt lieber beim alten System. Man kann ja auch zwei Kapseln nehmen, wenn mal der grosse Mug gefüllt werden muss.

Der Kaffeesatz aus den Kapseln landet im Kompost oder wird zur Energiegewinnung verbrannt.
Der Kaffeesatz aus den Kapseln landet im Kompost oder wird zur Energiegewinnung verbrannt.
Bild: Keystone
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