Mehr Kaffee, mehr AbfallNespresso brüht das Kapselsystem neu auf – mit altbekannten Folgen
Mara Ittig
24.8.2018
Nespresso bringt mit Vertuo eine neue Kapselgrösse auf den Schweizer Markt. Die neue Kapsel verspricht Kaffeegenuss im Grossformat. Versucht der Schweizer Kaffeehersteller damit, den Problemen im angestammten Markt etwas entgegenzusetzen?
Lange Zeit schrieb Nespresso ein wahres Erfolgsmärchen und konnte Wachstumsraten im zweistelligen Bereich vermelden – Jahr für Jahr. Was anfänglich intern für einen Rohrkrepierer gehalten wurde, entpuppte sich zum ersten Schritt einer Kaffeerevolution: «Nespresso - what else?».
Seit einigen Jahren wird dem Kapsel-Hersteller allerdings immer mal wieder ein schlechter Geschäftsgang nachgesagt. Stimmt das? Genaue Geschäftszahlen gibt die Firma keine bekannt.
Unbestritten ist, dass das enorme Wachstum eingebrochen ist, die Wachstumskurve fällt deutlich flacher aus. Man wächst zwar noch, aber im mittleren einstelligen Bereich. Vor allem in Schwellenländern.
Der Kapsel-Boom ebbt ab
Schuld daran ist unter anderem das umständliche Vertriebssystem und Nestlés strikte Weigerung, die Kapseln im Detailhandel anzubieten. Seit man juristisch die Segel strecken und die Monopolstellung aufgeben musste, fluten Kopien von Chicco D'Oro, Jacobs oder La Semeuse die Regale. Und wer ohnehin schon wegen Salat, Shampoo und Salz im Coop steht, kauft auch gleich den Kaffee dort.
Hinzu kommt, dass der Kapsel-Boom langsam abebbt. Plötzlich sind Getränke wie Filterkaffee (heisst jetzt ganz hip Pour Over) und Cold Brew gefragt sowie nachhaltige Kaffee-Produkte aus kleinen Mikro-Röstereien. Auch Vollautomaten legen an Marktanteil zu, weil sie erschwinglicher geworden sind. Apropos Nachhaltigkeit: Auch da leidet Nespresso. Das Kapselprodukt generiert viel Abfall – einigen zu viel, sie steigen um auf umweltfreundlichere Möglichkeiten, ihren Kaffee zuzubereiten.
Das Monopol ist zurück...
Nun also die Gegenoffensive: Nespresso Vertuo ist im angelsächsischen Raum – wo man den Kaffee gerne in grösseren Dimensionen trinkt – schon seit 2014 erhältlich. In Europa machte neben Grossbritannien Frankreich 2016 den Anfang. Die neuen Kapseln ergeben nicht nur mehr Kaffee (die Variante Alto füllt einen 414-Milliliter-Becher), sondern verfügen auch über eine neue Technik, mittels derer der Kaffee durch ein neuartiges Rotationsverfahren aus der Kapsel gepresst wird, statt wie bis anhin mit Druck.
Insgesamt 61 Filialen in der Schweiz und gut 100 Selbstbedienungs-Automaten an Valora-Standorten sorgen dafür, dass inzwischen auch im letzten Winkel der Schweiz Starbucks-Kaffee erhältlich ist.
Bild: Getty Images
Was steckt in den Kaffee-Getränken? Wir haben die Nährwertangaben genauer angeschaut.
Bild: Starbucks
Der kalt aufgebrühte «Cold Brew» ist etwas für Linienbewusste: Mit 29 Kcl auf die Venti-Grösse (590 ml bei warmen, 770 bei kalten Getränken) schlägt er kaum zu Buche. Dafür macht er mit 266mg Koffein ganz ordentlich wach.
Bild: Starbucks
Etwas weniger schlank wirds beim Frappucino: Die haben je nach Grösse und Milchsorte zwischen 83 und 527 Kcl.
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Ein kalter Caffe Latte mit teilentrahmter Milch in der mittleren Grösse Grande (470ml) kommt auf 126 Kcl und 150 mg Koffein.
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Schlanker Wachmacher: Ein grosser Filterkaffee kommt auf 6 Kalorien, ist frei von Zucker und Fett und weckt mit 400mg Koffein.
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Der Cappucino bewegt sich mit 150mg Koffein und 71 - 200 Kcl (je nach Grösse und Milch) im Mittelfeld.
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Koffein-König: Der Nitro Cold Brew hat ganze 469 g Koffein. Dafür weder Fett noch Zucker. Zum Vergleich: Ein doppelter Espresso kommt auf 150mg Koffein.
Bild: Starbucks
Der Chai Latt - ein Tee, der es in sich hat: Die mittlere Grösse hat 239 Kalorien, 80mg Koffein und gut 40 Gramm Zucker. Das entspricht in etwa dem empfohlenen Tagesbedarf.
Bild: Starbucks
Frappucinos enthalten bis zu 82 Gramm Zucker. Und 40 Gramm Fett.
Bild: Starbucks
Wenig überraschend: Die ultimative Kalorienbombe sind die heissen Schokoladen. Deie grosse Premium Hot Chocolate mit Sahne und Vollmilch kommt auf 690 Kalorien. Da sind wir in der Tat fast bei der Pizza.
Bild: Starbucks
Laut Nespresso entspreche die grössere Füllmenge von bis zu fast einem halben Liter einem Kundenbedürfnis: Fast ein Fünftel der Befragten in der Schweiz wünsche sich grössere Portionen. Preislich wird eine Kapsel zwischen 48 und 65 Rappen liegen - das ist mehr als die herkömmlichen kosten; ist ja auch mehr drin. Die Vertuo-Kapsel braucht eine eigene Maschine, beides soll ab Ende September auch in der Schweiz erhältlich sein.
... und der Abfallberg wächst
Es gibt allerding auch mehr Abfall - und auch eine neue Maschine muss her für all jene, die in den Genuss der Vertuo-Kapseln kommen wollen. Das ist nicht wirklich ökologisch, auch wenn die neue Kapsel ebenfalls aus Aluminium ist und recycelt werden kann. Zurück bleibt der fahle Nachgeschmack, dass durch die neue Kapsel mehr Müll anfällt.
Es sei die Frage gestattet, wieso man bei Nestlé nicht mehr Geld in die Entwicklung nachhaltiger Lösungen steckt, statt sich auf die Aufrechterhaltung des Monopols zu fokussieren?
Die Kapseln gibt es vorerst nur bei Nespresso zu kaufen. Und damit das so bleibt, ist jede Kapsel mit einem Strichcode versehen, der nicht nur Infos über die richtige Zubereitung an die Maschine weitergibt, sondern auch vor Klonen schützt. Man hat also wieder ein Kapsel-Monopol.
Wer seinen Kaffee lieber mit aufgeschäumter Milch trinkt, bleibt lieber beim alten System. Man kann ja auch zwei Kapseln nehmen, wenn mal der grosse Mug gefüllt werden muss.
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