Kolumne Zeugma – sprachliches Recycling
für die Lachmuskeln

Markus Daniel Gessner

5.3.2019

Wörter sollten mit Bedacht wiederverwertet werden, findet der Sprachpfleger.
Wörter sollten mit Bedacht wiederverwertet werden, findet der Sprachpfleger.
Bild: iStock

Wir Schweizer sind Meister der Wiederverwertung. Diese wollen wir manchmal sogar in unserer Sprache aufscheinen lassen – das kann gutgehen oder auch nicht. Der Sprachpfleger stellt das rhetorische Stilmittel der Einsparung vor: das Zeugma.

Corinne Suter holt zweimal Edelmetall und für die Schweiz die Kastanien aus dem Feuer. – Sie merken, da ist etwas faul. Da mit «holt» im ersten Teil des Satzes eigentlich «erringt» gemeint ist, wirkt der zweite komisch, denn wer erringt schon Kastanien?

Würde der Satz mit «und Wendy Holdener Gold» enden, wäre alles in Ordnung, es handelte sich dann um ein «holen» mit derselben Bedeutung; das Einsparen des Verbs wäre somit sinnvoll.

Erweitert man also die Bedeutung eines Wortes mutwillig auf in einem anderen Kontext stehende gleichlautende Wörter und spart diese noch ein, ist das quasi illegales Recycling.

Genauso wenig lupenrein ist folgendes Zitat aus der Bibel: «Die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Schreien.» Wer Ohren hat zum Hören, der ... sehe? Ein weiteres biblisches Wunder? Nein, nur unfreiwilliger Humor biblischen Ausmasses.

Schräge Zeugmata, diesmal mit Absicht «angerichtet»

Mir gefällt dieses Paradebeispiel eines deutschen Schauspielers besonders: «Ich heisse nicht nur Heinz Erhardt, sondern Sie auch herzlich willkommen.»

«Heisse» kann vieles heissen: Ich heisse Heinz, ich mag heisse Marroni, ich heisse euch willkommen, er fragte sie, was es heisse, reich zu sein, man heisse mich endlich diesen Satz zu beenden.

Aber dem, der ein Zeugma zeugt, ist der Sinn eben egal, Hauptsache, das eingesparte Wort wird gleich geschrieben wie das stehende: «Ich fror vor mich hin, denn nicht nur meine Mutter, auch der Ofen war ausgegangen.»

Eine zeugmatische Ultrakurzgeschichte

Seine attraktive Arbeitskollegin steht plötzlich vor ihm und er total auf sie. Vor dem Bürogebäude schüttet es und er ihr schliesslich sein Herz aus. Doch sie wirft ihre Zigarette auf den Boden, danach einen gelangweilten Blick auf ihr Handy. Dabei hält er eine Liaison mit ihr für das einzig Wahre – sie es mit ihm aber nicht länger aus. Er schlägt ihr spontan ein gemeinsames Essen vor, sie jedoch lieber den Nachhauseweg ein. Plötzlich erscheint sein Chef – und ihm das ziemlich ungewöhnlich. Dieser wirft ihm zu seinem Entsetzen Unterschlagung vor, ihn alsdann hinaus und es ihn völlig aus der Bahn.

Sollten Sie einmal versucht sein, Wörter einzusparen, überlegen Sie sich, ob diese in ihren grammatischen Merkmalen und ihrer Bedeutung übereinstimmen oder ob ausser den Wörtern zu guter Letzt nicht auch die Sprache unterdrückt wird.

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