Kulturgut Symbol Russlands – eine Kreuzfahrt zum Kloster Walaam

Von Friedemann Kohler, dpa

30.5.2019

Das weite Russland lässt sich gut vom Schiff aus erkunden. Von St. Petersburg im Norden führt diese zweitägige Flusskreuzfahrt zu einer entlegenen Insel mit frommen Mönchen – und einem prominenten Gast.

Jede Kreuzfahrt beginnt mit der Begrüssung der Passagiere, und so hält es auch Kapitän Nikolai Paramonow in St. Petersburg. Sein Törn zur Klosterinsel Walaam dauert nur zwei Nächte – ein Wochenendausflug zu einem der religiösen und kulturellen Schätze im Norden Russlands.

Der Dampfer «Leonid Sobolew» schiebt sich in der Abendsonne den Fluss Newa hinauf. Gegen Mitternacht erreicht er Europas grössten See: Der Ladogasee ist ein beeindruckendes Binnenmeer. Für Pilger und Touristen ist die abgeschiedene Inselgruppe nur im Sommer mit dem Schiff erreichbar.

Felseninseln und Kiefernwald

Am nächsten Morgen zum Frühstück legt das Schiff schon in Walaam an. Wie aus dem Nichts sind die typischen, mit Kiefern bewaldeten Felsinseln aufgetaucht. Gleich drei Kreuzfahrtschiffe machen nebeneinander fest. Walaam gehört zu den beliebtesten Anlaufstellen auf der Flussfahrt zwischen Moskau und St. Petersburg.

In geführten Kleingruppen erkunden die Touristen zu Fuss die Insel. Das orthodoxe Mönchskloster Walaam hat seit dem 14. Jahrhundert eine wechselvolle Geschichte erlebt. Es wurde mehrfach zerstört und blühte wieder auf. Nach dem Zerfall des Zarenreiches 1917 gehörte es zu Finnland. Im finnisch-sowjetischen Winterkrieg 1940 flüchteten die letzten Mönche vor der Roten Armee. Sie gründeten nahe der finnischen Stadt Heinävesi das Kloster Uusi Valamo (Neu-Walaam).

1944 kamen die Inseln endgültig wieder zur Sowjetunion. Über Jahrzehnte nutzte die atheistische Staatsmacht die weitläufige Klosteranlage als Lagerhalle, Offizierskasino und Behindertenheim. Erst 1989 kehrten sechs Mönche nach Walaam zurück.

Honig und Käse im Kloster

Heute zählt das wiederaufgebaute Kloster etwa 200 russisch-orthodoxe Mönche. Es gibt leckeren Honig und Käse. Trotz der nördlichen Lage gedeihen auch Früchte gut auf Walaam. Die grosse Wasserfläche des Ladoga sorgt für ein mildes, wenn auch unbeständiges Klima.

Nachmittags schippert ein Kutter die Touristen vom Kreuzfahrtanleger in die Klosterbucht mit der Hauptkirche. Präsident Putin hat Walaam mehrfach besucht, stets Mitte Juli zum Fest der Heiligen Sergej und German. Für den Kremlchef ist die Wiedergeburt des Klosters ein Symbol der neuen Grösse Russlands. «Walaam ist verbunden mit der Wiederherstellung des russischen Staates», sagte er in einem Film (russ.).

Zum Hauptgebäude des Klosters steigt man durch einen Apfelgarten einen kleinen Hügel hinauf. In Russland sind Barockkirchen nicht zartgelb bemalt wie in Westeuropa. Die Verklärungs-Kathedrale hat rostrote Wände und reckt ihre hellblauen Kuppeln in den Himmel.

Berühmt ist Walaam auch für seinen Kirchengesang. Meditativ und tief ergreifend klingen die orthodoxen Liturgien. Doch aus diesen Sphären bringt die «Leonid Sobolew» ihre Passagiere schon bis zum nächsten Morgen zurück in die Millionenstadt St. Petersburg.


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