Schweizer Erfindung Jetzt ist der kompostierbare Sneaker im Anmarsch

Von Sulamith Ehrensperger

14.10.2019

Sneakers sind cool, bestehen aber zumeist aus umweltbelastendem Plastik. Nicht so diejenigen von Kilian Haselbeck: Seine Sneakers kann man kompostieren, wenn sie ausgelaufen sind.

Jeder Schuh erzählt eine Geschichte. Auch die von Kilian Haselbeck: Er hat einen wirklich biologisch abbaubaren Turnschuh entwickelt. Wenn der Schuh ausgetragen ist, kann man ihn quasi auf den Kompost werfen.

Mit dem Schuhprojekt betritt Haselbeck eine neue Bühne. Nie zuvor hat er einen Schuh kreiert. Doch mittlerweile glaubt er fest, «dass Kreativität dazu beitragen kann, unsere Umweltkrise zu mindern.»

Der 33-Jährige ist ein professioneller Tänzer und darstellender Künstler, der unter anderem die Welt bereist, um sozial benachteiligten Kindern das Tanzen beizubringen.



«Ecofreaks» heisst der Freizeitschuh – wie auch das Projekt, das Kilian Haselbeck zusammen mit Marco Reinard unter die Füsse nimmt. 50'000 Franken müssen die Umweltkünstler zusammenbekommen, um ihre biologisch abbaubaren Sneaker zu realisieren.

Er weigerte sich, Abfallsäcke über Bord zu werfen 

Angefangen hat ihre Geschichte vor vier Jahren in Indonesien, als die beiden wegen eines Unwetters festsassen und ins Gespräch kamen. Der 62-jährige Marco Reinard aus Luxemburg verlor mit 15 Jahren seinen ersten Job auf einem Handelsschiff. Er weigerte sich, Abfallsäcke mitten im Atlantik über Bord zu werfen. Seither reist er als Umweltaktivist durch die Welt.

Herr und Frau Schweizer kaufen laut Umfragen fünf bis sieben Paar Schuhe pro Jahr. Schuhe gehen eben mit der Mode und landen deshalb schnell mal im Abfall. Doch sie belasten die Umwelt nicht erst, wenn sie entsorgt werden müssen, sondern schon in der Produktion. Im Jahr 2015 wurden weltweit 23 Milliarden Paar Schuhe hergestellt. Das sind gut drei Paar pro Mensch auf der Erde.

Die «Ecofreaks» hinterlassen keine Spuren. Produziert werden die Turnschuhe bei einem Familienbetrieb in Portugal, der seit 60 Jahren Schuhe herstellt.
Die «Ecofreaks» hinterlassen keine Spuren. Produziert werden die Turnschuhe bei einem Familienbetrieb in Portugal, der seit 60 Jahren Schuhe herstellt.
Bild: Ecofreaks

Ausgetragener Schuh in den Kompost

Die «Ecofreaks» machen es jetzt anders: Alle verwendeten Materialien für die Sneakers sind biologisch abbaubar, also wie gesagt: Kompost-kompatibel. Laut Haselbeck sollen sie innerhalb von vier bis sieben Jahren zersetzt sein – und keine Rückstände hinterlassen.

Während es für Kleidung schon etliche nachhaltige Alternativen gibt, sind bei den meisten Sportschuhen sowohl Sohlen als auch Oberstoff aus erdölbasierten Kunststoffen hergestellt. Das «Ecofreaks»-Obermaterial hingegen ist aus Hanf, die Fäden aus Leinen und die Sohle aus Naturlatex.

Um wirklich konsequent aus natürlichen Materialien zu produzieren, brauchte es einen Effort von zwei Jahren: «Eine Sohle zu finden, die 100 Prozent biologisch und strapazierfähig ist, war die grösste Herausforderung.» Fündig wurden die beiden in einem Manufakturbetrieb in Frankreich, die die Sohlen in über 30 handwerklichen Arbeitsschritten fertigt. 

Ein Postauto wird zur Öko-Studie auf Rädern 

Der Schuh ist ein erster Schritt einer Vision: Mit einem Schweizer Postauto wollen die «Ecofreaks» sodann durch Europa touren und auf Umweltprobleme aufmerksam machen.

«Wir fahren mit rezykliertem Speiseöl, später mit Elektroantrieb und Solarenergie – und haben unsere selbst entwickelten, biologisch abbaubaren Turnschuhe im Gepäck», sagt Haselbeck. Habe früher das Postauto Nachrichten in Briefform überbracht, soll es sie nun in zukunftsweisenden Projekten überbringen.

«Unser Bus wird in eine Öko-Studie auf Rädern verwandelt», so die Vision der beiden Idealisten. Sie wollen Künstler, Forscher und Umweltaktivisten in ihren Bus einladen, um neue Wege für ein nachhaltigeres Leben zu entwerfen.

Kilian Haselbeck ist Tänzer und darstellender Künstler. Er leitet zusammen mit Meret Schlegel die Performancegruppe «zeitSprung».
Kilian Haselbeck ist Tänzer und darstellender Künstler. Er leitet zusammen mit Meret Schlegel die Performancegruppe «zeitSprung».
Bild: Ralpee Belushi, ChuChu Photography

50'000 Franken bis zur Realisation

Damit der innovative Schuh in Portugal in Produktion gehen kann, haben die beiden eine Crowdfunding-Kampagne lanciert. Bisher sind rund 18'000 von 50'000 Franken zusammengekommen. Die Kampagne läuft noch bis zum 19. Oktober. Laut Haselbeck haben bereits 90 Personen Sneakers bestellt. Sie werden um die 100 Franken kosten, kann also preislich mit anderen bekannten Markenturnschuhen gut mithalten.



«Wir geben nicht auf. Wir sind immer wieder an den Punkt gekommen, wo wir merkten, dass es doch geht», gibt sich Haselbeck zuversichtlich, dass «Ecofreaks» bald aus den Kinderschuhen herausgewachsen ist.

Bilder des Tages

Zurück zur Startseite