Nic Talbott wünscht sich nichts mehr, als bei den US-Streitkräften seinem Land zu dienen. Doch sein Land will ihn nicht, denn Talbott ist transgender.
Nic Talbott lebt auf dem Hof seiner Grossmutter, in einem Nebengebäude. Vor der Veranda weht eine amerikanische Flagge im Wind.
Talbott tut alles, um für den Militärdienst fit zu sein.
Er will für seinen Platz im Militär kämpfen: «Ich weiss, das ist es, was ich machen will, und ich weiss, dass es Tausende andere Transgender-Menschen wie mich gibt. Wir sollten uns nicht mit einem Plan B zufriedengeben müssen.»
In der Zwischenzeit hilft er auf der Farm seiner Grossmutter aus ...
... und kümmert sich liebevoll um sie.
Ein Transgender-Mann darf seinem Land nicht dienen
Nic Talbott wünscht sich nichts mehr, als bei den US-Streitkräften seinem Land zu dienen. Doch sein Land will ihn nicht, denn Talbott ist transgender.
Nic Talbott lebt auf dem Hof seiner Grossmutter, in einem Nebengebäude. Vor der Veranda weht eine amerikanische Flagge im Wind.
Talbott tut alles, um für den Militärdienst fit zu sein.
Er will für seinen Platz im Militär kämpfen: «Ich weiss, das ist es, was ich machen will, und ich weiss, dass es Tausende andere Transgender-Menschen wie mich gibt. Wir sollten uns nicht mit einem Plan B zufriedengeben müssen.»
In der Zwischenzeit hilft er auf der Farm seiner Grossmutter aus ...
... und kümmert sich liebevoll um sie.
Schon seit seiner Kindheit träumt Nic Talbott vom Dienst beim Militär. Doch weil er als Mädchen geboren wurde, muss ihn die US-Armee ablehnen. Dabei haben die Kommandanten überhaupt keine Einwände.
Nic Talbott hat eigentlich genug zu tun. Er arbeitet als Vertretungslehrer, besucht Seminare für seinen Master-Abschluss und hilft seiner Grossmutter auf ihrer Farm in Ohio. Dennoch hält er einen strikten Fitness-Plan ein und treibt täglich Sport. Der 26-Jährige will bereit sein, wenn er endlich eine Chance auf seinen Traumjob bekommt.
Er wünscht sich nichts mehr, als bei den US-Streitkräften seinem Land zu dienen. Doch sein Land will ihn nicht, denn Talbott ist transgender.
2016 sah Talbott seinen Traum in greifbare Nähe gerückt: Der damalige Präsident Barack Obama kündigte an, dass Transgender-Menschen, die bereits Mitglieder der Streitkräfte sind, ihre Geschlechtsidentität nicht länger verstecken sollten. Sein Nachfolger Donald Trump verkündete jedoch im Juli 2017, sechs Monate nach seinem Amtsantritt, in einem Tweet, er werde diese Richtlinie zurücknehmen. Transmenschen sollten in keiner Funktion bei den Streitkräften dienen dürfen.
Gegen diesen Beschluss wurden vor Bundesgerichten vier Klagen erhoben. Einer davon hat sich auch Talbott angeschlossen. Über die Klagen ist noch nicht entschieden, aber der Oberste Gerichtshof der USA beschloss im vergangenen Jahr, dass das Verbot vorerst in Kraft treten kann. Damit gilt es seit dem 12. April 2019.
Ein Plan B kommt nicht infrage
Einige Transmenschen haben ihre ursprünglichen Pläne aufgegeben und verfolgen nun andere Karriereziele. Talbott will seinen Kindheitstraum jedoch unbedingt wahr werden lassen. «Derzeit sehe ich mich nicht nach anderen Möglichkeiten um», erklärt er. «Ich weiss, das ist es, was ich machen will, und ich weiss, dass es Tausende andere Transmenschen wie mich gibt. Wir sollten uns nicht mit einem Plan B zufriedengeben müssen.»
Talbott machte 2015 seinen Abschluss an der Kent State University, rund eine Stunde Fahrt von seiner Heimatstadt Lisbon im Osten Ohios entfernt. Derzeit arbeitet er an der Kent State an seinem Master-Abschluss in Kriminologie mit Schwerpunkt globale Sicherheit. Vor dem Verbot durch Trump nahm er an einem Ausbildungsprogramm der Streitkräfte an Colleges und Universitäten teil, mit dem Offiziere rekrutiert werden.
«Er arbeitet extrem hart»
Talbott will entweder zum Heer oder zur Luftwaffe, idealerweise als Militärpolizist oder als Mitglied einer Aufklärungseinheit. Er hält sich fit mit dem Ziel, die körperlichen Anforderungen jeder ihm möglicherweise angebotenen Position mehr als erfüllen zu können.
An seiner Seite weiss er seinen Freund aus Kindertagen, Jesse Liggitt, der gemeinsam mit ihm an der Southern Local High School arbeitet. «Er ist einer der stärksten Menschen, die ich kenne», sagt Liggitt. «Er arbeitet extrem hart und will immer noch besser werden.»
Talbott lebt auf dem Hof seiner Grossmutter, in einem Nebengebäude. Vor der Veranda weht eine amerikanische Flagge im Wind. Drinnen zeigen Fotos den jungen Mann in seiner Militäruniform aus Ausbildungszeiten.
«Grundlose Angriffe auf Transgender-Menschen»
Die Anwältin Jennifer Levi setzt sich im Namen der Organisation GLBTQ aus Boston vor Gericht für Talbott sein. Gemeinsam mit ihren Kollegen versuche sie derzeit, Zugang zu Dokumenten und anderen Informationen zu bekommen, auf die sich die Entscheidung der Trump-Regierung für ein Verbot von Transgender bei den Streitkräften stützten könnte, sagt Levi.
Wenn dieser Prozess abgeschlossen sei, könnten die Klagen vor Gericht kommen – möglicherweise schon in diesem Herbst. «Wir glauben, wir haben einen unglaublich starken Fall», sagt die Anwältin. «Die Regierung hat nichts, ausser grundlosen Angriffen auf Transgender-Menschen.»
Tatsächlich erklärten die Kommandeure von vier Teilstreitkräften 2018 vor dem Kongress, sie sähen keine Schwierigkeiten, wenn Transmenschen beim Militär dienten. Zu einem ganz anderen Schluss kam 2018 das Pentagon in einem Bericht.
Rigorose Regierung
Darin hiess es, die Anwesenheit von Transgender könne die Einsatzbereitschaft der Einheiten behindern, weil die «klaren Linien, die männliche und weibliche Standards und Richtlinien abgrenzen, verwischen, wo sie existieren». Angeführt wurden die Bereiche Zusammenhalt der Truppe, Ordnung und Disziplin. Das würde dem Bericht zufolge auch zu höheren Kosten führen.
Die Regierung untersagte mit dieser Begründung allen Menschen, die sich einer Geschlechtsangleichung unterzogen haben, den Dienst bei den Streitkräften. Transgender, die bereits militärischen Dienst leisten, müssen dies als Mitglied ihres biologischen Geschlechts tun. Eine Ausnahme wird nur gestattet, wenn die Geschlechtsangleichung während der alten Regelung unter Obama begonnen wurde.
Das Höchstalter für den Beginn des Militärdienstes beträgt 35 Jahre beim Heer und 39 Jahre bei der Luftwaffe. Talbott bleibt also noch genug Zeit. Dennoch empfindet er das Warten als frustrierend. «Ich bin jetzt 26», sagt er. «Ich würde auf derselben Ebene einsteigen wie Leute, die 18, 19, 20 sind.»
«Ich wusste schon mit vier, dass ich im falschen Körper geboren bin»
Transgender-Mann Liam aus Zürich: «Ich wusste schon mit 4, dass ich im falschen Körper geboren bin»
Liam noch als Frau bei seinem Abschluss in den USA (l.) und heute.
Als junges Mädchen mit dem Vater, 1974.
Weihnachten 1974. Bereits da spürte die kleine Stefanie, dass sie anders ist.
Als Kind hasste sie es so sehr, Röckchen zu tragen, dass die Adoptiv-Grossmutter (im Bild) ihrem Enkelkind daraus extra Hosen nähen musste.
1988 bei einer Rede. Immer wieder eckte die Heranwachsende an und strauchelte. Die Hindernisse schienen unüberwindbar hoch.
1990 zog es sie zum ersten Mal in die grosse weite Welt. Sie wanderte nach Washington in die USA aus, wo sie bei einer Mormonen-Familie lebte und die High-School besuchte. Erstmals lernte sie verschiedene Kulturen und Ideologien kennen – doch am meisten lernte sie über Liebe, Akzeptanz und Integrität sowie mit Konflikten und dem Unbekannten umzugehen.
Selbstporträt 1995, kurz vor der Geschlechtsanpassung im Alter von 22 Jahren in der Schweiz. Die Brüste, Eierstöcke und die Gebärmutter werden dabei entfernt, er muss ein Leben lang Hormone spritzen. Doch das stört ihn nicht. Die Nachbildung eines künstlichen Penis aus Haut und Gewebe des Unterarms einschliesslich Nerven und Blutgefässen lehnt er ab. Er fühlt sich auch so wie ein richtiger Mann.
1997, als er in einem Kino in Zürich arbeitet. Ganz selbstverständlich bekommt er da eine neue Arbeitsuniform - einen Anzug für Männer.
Liam 2004 auf der ETH-Terrasse in Zürich. 2005 dann der nächste wichtige Schritt: In seinem Pass steht unter Geschlecht das lang ersehnte «M».
Endlich befreit von seinem «äusseren Gefängnis» bereist er von da an nochmals die Welt, lernt unzählige Menschen kennen, saugt alles in sich auf. Vier Jahre lang lebt er auf den Malediven als Tauchlehrer.
«Überall, wo ich war, haben mich die Menschen oft mit ihrer Grossherzigkeit überrascht.»
«Konservative, intolerante Menschen trifft man natürlich auch auf der ganzen Welt. Ich nehme mir aber auch die Freiheit, da zu filtern und mir auszusuchen, mit wem ich näheren Kontakt möchte.»
In Hongkong trifft er – völlig unerwartet – seine Seelenpartnerin und zukünftige Frau. Sie war es auch, die ihn ermutigte, sein bewegtes Leben auf Papier zu bringen und ein Buch zu schreiben. «Dieses Buch über mein Leben zu schreiben war schon seit meiner Kindheit ein Traum.»
Mittels Crowdfunding bekommt er das Geld zusammen, so dass er sich 14 Monate lang seinem Vorhaben widmen kann. 2016 hält er endlich sein Herzensprojekt auf Englisch mit dem Titel «Paralian – Not Just Transgender» in Händen. «Ein unglaubliches Gefühl», gesteht Liam. «Paralian» kommt aus dem Alt-Griechischen und bezeichnet eine Person, die am Meer lebt. «Für meine Lebens-Odyssee gibt es keinen besseren Titel», ist er überzeugt und lacht von ganzem Herzen. Endlich ist Liam angekommen.
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