Söldner und Propaganda Russland triumphiert in Afrika über den Westen

tgab

5.3.2023

Russlands Aussenminister Sergej Lawrow trifft seine südafrikanische Amtskollegin Naledi Pandor bei seinem Afrika-Besuch im Januar 2023. 
Russlands Aussenminister Sergej Lawrow trifft seine südafrikanische Amtskollegin Naledi Pandor bei seinem Afrika-Besuch im Januar 2023. 
IMAGO/ITAR-TASS/ Sipa USA

Auffällig viele afrikanische Länder haben sich bei der UNO-Abstimmung gegen Russland enthalten. Mehrere Staaten des Kontinents werfen die französischen Truppen raus. Dafür kommt vielerorts Russland ins Spiel.

tgab

5.3.2023

Anfang Dezember war Burkina Fasos Premierminister Apollinaire Kyélem de Tambèla «privat» nach Moskau gereist. Im Januar erwiderten russische Diplomaten den Besuch in Ouagadougou. Kurz darauf die Ansage: Burkina Faso will die langjährige militärische Partnerschaft mit Frankreich beenden. Die französischen Truppen sollen das Land binnen Monatsfrist verlassen.

Es ist nach Mali und der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) der dritte mehr oder weniger erzwungene Abzug der französischen Armee in Afrika. Frankreich hat nun eine «neue Sicherheitspartnerschaft mit weniger französischen Soldaten» auf dem afrikanischen Kontinent angekündigt.

Der französische Präsident Emmanuel Macron skizziert seine neue Afrika-Strategie im Élysée-Palast am 27. Februar 2023.
Der französische Präsident Emmanuel Macron skizziert seine neue Afrika-Strategie im Élysée-Palast am 27. Februar 2023.
Keystone

Macron sagte in seiner Rede am Montag im Élysée-Palast in Paris, Frankreich dürfe sich in den Ländern, die es einst als Kolonialmacht beherrschte, nicht länger einmischen. Afrika sei nicht mehr der Hinterhof Frankreichs. Eine Einsicht, die angesichts wachsender antifranzösischer Stimmung keinen Tag zu früh kommt. In mehreren west- und nordafrikanischen Ländern gab es in den letzten Monaten Strassenproteste.

Mehr Terror trotz französischer Truppen

Der Hintergrund: Viele Jahre lang waren die französischen Truppen eine wichtige Kraft im Kampf gegen islamistische Terrorgruppen vor allem in der Sahelzone. Ausbleibende Erfolge und Strategiefehler hätten das Ansehen der Franzosen geschwächt, sagt Experte Yvan Guichaoua von der Brussels School of International Studies der Zeitung «Libération». Die Bevölkerung glaube nicht mehr, dass die französischen Truppen ihnen die Islamisten vom Hals schaffen, sondern brächten deren fortdauernden Attacken mit der Präsenz französischer Soldaten in Zusammenhang.

Die antifranzösischen Ressentiments seien zu grossen Teilen von Moskau gesteuert, wo eine Propagandaabteilung die sozialen Medien Afrikas mit Parolen gegen die «französischen Kolonialisten» überschwemme, analysiert die «Frankfurter Rundschau». Laut dem Pariser Afrikaspezialisten Antoine Glaser führt der Kreml demnach in Afrika wie zu Zeiten des Kalten Krieges eine konzertierte Kampagne gegen den Westen.

Auch das afrikanische Institute for Security Studies (ISS) kommt in einer aktuellen Studie zu dem Schluss, Russland nutze Afrika als gezielt einsetzbares Instrument im Kampf gegen den Westen. Wobei Putin an historisch gewachsene Beziehungen anknüpfen und den russischen Einfluss schneller als andere Akteure ausbauen konnte.

Russland grösster Waffenlieferant Afrikas

Im Vergleich zu anderen aufstrebenden Mächten bleibe Russland dabei ökonomisch eher unbedeutend, schreiben die ISS-Autoren. Das wirtschaftliche Engagement Russlands konzentriere sich in erster Linie auf Waffenexporte und militärische Zusammenarbeit. Daten des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) zeigen, dass Russland mit 44 Prozent aller Waffenimporte nach Afrika in den Jahren 2017 bis 2021 der grösste Waffenlieferant des Kontinents war.

Der Handel mit Waffen werde von Moskau als Weg gesehen, den politischen und wirtschaftlichen Einfluss auszubauen, analysieren die ISS-Studienautoren weiter. Projekte und Kooperationen im Energie- und Bergbausektor seien dabei oft das Ziel. Dies sei etwa im Sudan und in der ZAR klar zu sehen: Zunächst habe sich Russland durch Waffenverkäufe und militärische Unterstützung eingebracht, um schliesslich in den Bergbausektor einzusteigen und Gold im Sudan und Diamanten in der ZAR zu schürfen.

Wagner-Söldner zur politischen Einflussnahme

«Russland spielt eine wichtige Rolle als Waffenlieferant, als Käufer und lizenzierter Schürfer von wertvollen Rohstoffen, als Exporteur von landwirtschaftlichen Geräten», sagt Philani Mthembu vom «Institute for Global Dialogue», einem südafrikanischen Thinktank, der «Berliner Morgenpost».

Der weltgrösste Diamantenhersteller, die russische Alrosa-Gruppe, schürft demnach in Angola. Der russische Aluminiumriese Rusal baut den Aluminium-Rohstoff Bauxit in Guinea ab. Auch in Südafrika, Madagaskar und Burkina Faso sind russische Firmen aktiv. Dabei geht es um die Verteilung von Ressourcen, nicht zuletzt finanziert Russland mit den Gewinnen aber auch seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin dirigiert seine Söldnertruppe auch in Afrika. (Archivbild)
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin dirigiert seine Söldnertruppe auch in Afrika. (Archivbild)
Sergei Ilnitsky/Pool EPA via AP/dpa

Die Sicherheitsdienste vieler dieser Unternehmen stellt die Wagner-Truppe, jene Privatarmee, die unter der Führung von Jewgeni Prigoschin in der Ukraine an vorderster Front kämpft.

Der Generalstabschef der französischen Streitkräfte, Thierry Burkhard, bezeichnete die russische Söldnergruppe jüngst als einen wichtigen Faktor für die Destabilisierung in Afrika.

Wagner werde oft als privates Militärunternehmen oder Söldnertruppe beschrieben, die militärische Dienstleistungen anbiete, schreibt die Hanns Seidel Stiftung. Tatsächlich umfasse die Organisation neben einem militärischen Arm auch ein Netzwerk von Organisationen zur propagandistischen, politischen und wirtschaftlichen Einflussnahme. Und dies auch mit illegalen Mitteln wie Desinformationskampagnen, Wahlmanipulation oder Schmuggel von natürlichen Ressourcen im industriellen Massstab.

Für den Westen nicht verloren

Ein in der ISS-Studie vorgenommener statistischer Abgleich aller UNO-Abstimmungen in den vergangenen zwanzig Jahren macht aber auch deutlich, dass afrikanische Staaten insgesamt in Fragen der internationalen Friedenssicherung eher auf der Seite westlicher Partner stehen.

Der Leiter der früheren französischen Militärmission «Licorne» an der Elfenbeinküste, Bruno Clément-Bollé, dazu in einem Beitrag in «Le Monde»: «Historisch gesehen befinden wir uns in einer Zeitenwende von einem dominierten zu einem souveränen Afrika. Heute entscheiden die Afrikaner selbst, sie haben ihre eigenen Lösungen, und dies zu ihren Konditionen.» Der Westen könne in Afrika nur bestehen, wenn er das akzeptiere.

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa