Abstimmungen Zwei deutliche Ja – doch nun fängt die Arbeit erst an

SDA/aka/tjb

19.5.2019 - 15:50

Zwei Drittel der Stimmberechtigten sagen Ja zur AHV-Steuerreform. Damit bekommt die Schweiz in zwei wichtigen Dossiers eine Verschnaufpause. Doch wie geht es jetzt weiter?

Aus zwei Verliererabstimmungen eine gemeinsame Gewinnervorlage zimmern – das ist am Sonntag geglückt. Die Stimmberechtigten haben die «Steuerreform und AHV-Finanzierung» Staf überaus deutlich gutgeheissen. Selbstverständlich ist das nicht, denn mit der Vorlage wurden zwei Geschäfte verknüpft, die inhaltlich nichts miteinander zu tun haben. Und bereits beide einzeln an der Urne gescheitert waren.

Demokratiepolitisch gesehen sei diese Verknüpfung heikel, kritisierten die Gegner. Damit sei den Stimmenden die Möglichkeit genommen worden, sich einzeln zu den Vorlagen zu äussern. Im Gegenzug wurde dafür die Gefahr gebannt, dass die Schweiz wegen ihren Steuerpraktiken auf eine schwarze Liste der EU und der OECD kommt.

Nun ist es an den Kantonen

Doch nach dem Ja an der Urne beginnt die Umsetzung erst: Nun sind die Kantone am Zug, die die Steuerreform umsetzen. In 19 Kantonen haben die Regierungen dazu einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) hervor. Genf hat einer Umsetzungsvorlage am Sonntag zugestimmt, Solothurn lehnte eine solche ab.

Laut Bund führt die Staf zu geschätzten Steuerausfällen mit zwei Milliarden Franken. Je nach Umsetzung in den Kantonen aber variiert der Betrag. Denn fast alle Kantone senken die Gewinnsteuern für Unternehmen, teilweise fast um die Hälfte. Auch aus dem Werkzeugkasten der Unternehmenssteuerreform etwa mit der Patentbox bedienen sich die Kantone ausgiebig, zusätzliche Abzüge für Forschung und Entwicklung wollen sie ebenfalls zulassen. Die SP kündigte bereits Widerstand gegen einen ausufernden Steuerwettbewerb an.

Nächste AHV-Revision steht an

Auch der AHV-Teil des Pakets wurde kritisiert, denn die Altersvorsorge wurde mit dem Ja vom Sonntag keineswegs nachhaltig saniert. Zwar bekommt das Sozialwerk damit jährlich rund zwei Milliarden mehr – bezahlt von Bund, Arbeitgeber und -nehmer. Doch das ist lediglich ein Tropfen auf den heissen Stein. Es braucht weitere Anpassungen, auch strukturelle. Politisch umstrittene Forderungen beispielsweise nach einer Erhöhung des Frauenrentenalters dürften bald breit diskutiert werden. SP-Innenminister Alain Berset hat die nächste AHV-Reform bereits aufgegleist.

Die Schweiz hat sich heute in zwei wichtigen Dossiers etwas Luft verschafft, allerdings auf eine Art und Weise, die auf viel Kritik stiess. Und gerade bei der AHV bleibt der Reformdruck hoch – Zeit zum Zurücklehnen bleibt also nicht.


Der Abstimmungstag im Überblick

15.42 Uhr: Das Endresultat steht
Als letzter Kanton hat auch Zürich noch seine Resultate mitgeteilt: Im grössten Schweizer Kanton sagen die Stimmenden mit 66 Prozent Ja zum AHV-Steuer-Deal, und der Ja-Stimmen-Anteil zur Revision des Waffenrechts liegt bei 71 Prozent.

Auf nationaler Ebene sagen damit gut 66 Prozent Ja zum AHV-Steuer-Deal (Staf). Bei der Anpassung des Waffenrechts an die EU fällt die Zustimmung mit knapp 64 Prozent etwas weniger deutlich aus.

15.28 Uhr: Bern lehnt Kürzung der Sozialhilfe ab
Im Kanton Bern wird die Sozialhilfe doch nicht gekürzt. Das Stimmvolk lehnt eine entsprechende Gesetzesänderung des Grossen Rats mit 47 Prozent Nein ab. Sie hätte es ermöglicht, den Grundbedarf um acht bis 30 Prozent unter die Skos-Richtlinien zu senken.

14.30 Uhr: 23 Ja in den Kantonen zur Staf
Inzwischen sind die eidgenössischen Vorlagen in den meisten Kantonen ausgezählt, und zur Staf gab es bisher kein einziges Nein. Es fehlen noch die Kantone Bern, Genf und Zürich, wobei auch dort mit einem klaren Ja zu rechnen ist. Ein leicht anderes Bild zeigt sich bei der Revision des Waffenrechts: Hier sagt mit dem Tessin immerhin ein Kanton Nein.

14.10 Uhr: Grüne verfehlen Wahl in Luzerner Regierung
Die Frauen und die Linke sind auch in den nächsten vier Jahren nicht in der Luzerner Kantonsregierung vertreten. Der parteilose Marcel Schwerzmann und Paul Winiker von der SVP schaffen die Wiederwahl, Korintha Bärtsch (Grüne) hat das Nachsehen.

Wie erwartet, erzielte Justiz- und Sicherheitsdirektor Winiker das beste Resultat. Er kam auf 65'887 Stimmen. Im ersten Wahlgang hatte er das absolute Mehr nur knapp verpasst. Die Ausmarchung um den letzten der fünf Regierungsplätze fiel klar aus. Im Gegensatz zum ersten Wahlgang konnte sich Finanzdirektor Schwerzmann dieses Mal vor der grünen Herausforderin Bärtsch platzieren. Er kam auf 59'746 Stimmen, sie auf 51'640 Stimmen. Die Stimmbeteiligung betrug 40,8 Prozent.

14.05 Uhr: Beni Würth holt St. Galler Ständeratssitz
Benedikt Würth (CVP) hat im Kanton St. Gallen den Ständeratssitz von Karin Keller-Sutter (FDP) erobert. Der 51-jährige St. Galler Finanzdirektor schaffte den Sprung in die kleine Kammer mit 50'669 Stimmen. Würth überflügelte Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP), die auf 36'550 stimmen kam. Mike Egger (SVP) erhielt 27'146 Stimmen. Ohne Chance blieb der parteilose Andreas Graf mit 8'113 Stimmen. Die Wahlbeteiligung betrug 39.6 Prozent.

14.02 Uhr: Tessin sagt Nein zum Waffengesetz
Der Kanton Tessin sorgt für das erste kantonale Nein zu einer nationalen Vorlage: Die Südschweizerinnen und Südschweizer lehnen das reividierte Waffengesetz mit 55 Prozent Nein ab. Die Staf nehmen aber auch sie mit 65 Prozent Ja deutlich an. Abgesehen vom Südkanton haben alle bisher ausbezahlten Stände zu beiden Vorlagen Ja gesagt.

13.30 Uhr: Knapper Ausgang beim Berner Sozialhilfegesetz erwartet
Gemäss Trendrechnung des Regionaljournals von SRF ist im Kanton Bern ein knappes Resultat zur Kürzung der Sozialhilfe zu erwarten. Abgelehnt wird demnach wohl der Volksvorschlag, der einen Ausbau der Sozialhilfe vorsieht.

Die umstrittenen Änderungen des Sozialhilfegesetzes ermöglichen es, den Grundbedarf um acht bis 30 Prozent unter die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) zu senken. Bei einer Annahme wäre Bern der erste Kanton, der die nationalen Skos-Richtlinien unterschreitet.

13.22 Uhr: Pro Tell zeigt sich enttäuscht
Die Waffenvereinigung ProTell hat sich über das deutliche Ja zum neuen Waffengesetz enttäuscht gezeigt. Es sei schade, dass die Bevölkerung dem Argument der Angst vor einem Schengen-Austritt gefolgt sei, sagte ProTell-Vizepräsidentin Olivia de Weck auf Anfrage. «Wir wussten, dass es schwierig werden wird», sagte de Weck zu Keystone-SDA. Doch ProTell werde das Resultat akzeptieren, denn die Demokratie stehe über allem. Ihre Organisation werde die weitere Entwicklung eng verfolgen und hoffen, dass der Bundesrat die Beweggründe der EU bei der nächsten Verschärfung verstehe und «dann Stopp sagt».

13.10 Uhr: Nein zur Solothurner Umsetzung der Staf
Im Kanton Solothurn sagt das Stimmvolk mit 51 Prozent knapp Nein zur kantonalen Umsetzung der AHV-Steuer-Vorlage, die zeitgleich mit der nationalen Vorlage zur Abstimmung kam. Die Staf selber wird mit 59 Prozent Ja indes klar angenommen. Und auch die Revision des Waffenrechts erzielt einen Ja-Stimmen-Anteil von 59 Prozent.

13.00 Uhr: Hochrechnung prognostiziert Ja auch zur Staf
Nun liegt auch eine SRG-Hochrechnung zur Staf vor: Laut dieser dürfte auch der AHV-Steuer-Deal mit 66 Prozent Ja klar angenommen werden. 

12.52 Uhr: Nachfolge von Karin Keller-Sutter in den Ständerat
Um die Nachfolge von Bundesrätin Karin Keller-Sutter geht es heute im Kanton St. Gallen. Im zweiten Wahlgang treten vier Kandidierende an. Dabei hat CVPler Beni Würth die Nase vorn und hängt seine Mitbewerber ab. Der St. Galler Regierungsrat Würth kommt nach der Auszälung von 62 der 77 Gemeinden auf 28'989 Stimmen, die FDPlerin Susanne Vincenz Stauffacher auf 21'010 Stimmen und Mike Egger von der SVP erhält 18'577 Stimmen. Weit abgeschlagen auf Platz vier liegt aktuell der parteilose Andreas Graf mit 4'658 Stimmen.

12.41 Uhr: Nicht alle Kantone sagen Ja
Schwyz könnte gemäss ersten Zwischenresultaten der erste Kanton sein, der das Waffengesetz ablehnt. Ausgezählt sind 20 von 30 Gemeinden – es kann sich also noch ändern.

12.30 Uhr: Klares Ja zum neuen Waffenrecht
Laut der Hochrechnung im Auftrag der SRG sagen
landesweit 67 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer Ja zum neuen Waffenrecht.

12.25 Uhr: Basel sagt Nein zum Ozeanium
Die Vorlage für das Grossaquarium Ozeanium des Basler Zollis wurde im Vorfeld kontrovers diskutiert. Nun wurde sie deutlich abgelehnt: Bei den brieflich Stimmenden kam die Vorlage auf eine Nein-Mehrheit von 54,25 Prozent. Damit ist das Resultat so gut wie sicher. 



Eine Überraschung gibt es bei einer Initiative der JuSo: Die Initiative für eine «Topverdiener-Steuer» wird voraussichtlich angenommen. Sie kam auf 52,35 Prozent der brieflichen Ja-Stimmen. Damit muss, wer mehr als 200'000 Franken Einkommen versteuert, mehr Steuern zahlen.

12.20 Uhr: Auch Basel sagt voraussichtlich zweimal Ja
Die Staf-Vorlage befürworten bislang knapp 70 Prozent der brieflich Stimmenden, beim Waffenrecht sind es bisher 74 Prozent. Im Kanton Basel-Stadt beträgt der Anteil der brieflichen Stimmen jeweils 95 Prozent. An der Zustimmung zu beiden Vorlagen ist damit im Stadtkanton nicht mehr zu zweifeln.

12.10 Uhr: Ja-Trend auch in Luzern
Das Luzerner Stimmvolk sagt wohl Ja zum AHV-Steuerdeal. Ebenso scheint die neue EU-Waffenrichtlinie im Kanton Luzern eine Mehrheit zu finden. Ausgezählt sind über 57 der 83 Gemeinden. Die Staf-Vorlage befürworten bislang knapp 69 Prozent der ausgezählten Stimmen. Beim Waffenrecht sind es 59 Prozent. Ausstehend ist noch die Stadt Luzern.

12.08 Uhr: Nationaler Ja-Trend beim Waffenrecht
Gemäss der Trendrechnung im Auftrag der SRG hat das Stimmvolk die Vorlage am Sonntag angenommen. Das sagte Lukas Golder von gfs.bern auf SRF. Von einem Ja-Trend spricht das Forschungsinstitut, wenn der erwartete Ja-Anteil über 55 Prozent liegt. Gemäss Golder dürfte der Ja-Anteil über 60 Prozent liegen

12.00 Uhr: Trendrechnung aus Zürich deutet auf Ja
Die Zürcher Stimmberechtigten werden wohl beide eidgenössischen Vorlagen deutlich annehmen. Die Hochrechnung vom Mittag zeigt, das die Steuervorlage auf einen Ja-Anteil von 67,7 Prozent kommen dürfte. An diesem deutlichen Ergebnis wird sich auch kaum mehr etwas ändern. Das Vertrauens-Intervall der Ja-Stimmen liegt zwischen 62 und 72 Prozent.

Ebenfalls ein deutliches Ja dürfte es für das Waffengesetz geben: Hier sagt die Hochrechnung einen Ja-Stimmenanteil von 69,9 Prozent voraus. Das Vertrauens-Intervall der Ja-Stimmen liegt hier sogar bei 64 bis 74 Prozent.

11.50 Uhr: Erste Resulate aus dem Aargau
Aus dem Aargau sind bereits erste Gemeinderesultate verfügbar. Wie SRF berichtet, stehen bei der Staf die Zeichen auf ein Ja. Bei der Revision des Waffenrechts sieht es weniger klar aus, hier sagen einige Gemeinden auch Nein.

Worüber abgestimmt wird

Mit der Staf sollen die heutigen Steuerprivilegien für Holdings abgeschafft werden. Damit diese nicht abwandern, sollen international akzeptierte Anreize eingeführt werden. Dazu gehören Abzüge für Forschung und Entwicklung oder die Patentbox. Die meisten Kantone wollen ausserdem die Gewinnsteuersätze senken.

Ein Zustupf von jährlich einer Milliarde Franken aus der Bundeskasse gibt ihnen den nötigen finanziellen Spielraum. Als politische Gegengeschäfte werden auf der anderen Seite die steuerfreien Rückzahlungen von Kapitaleinlagen und die Teilbesteuerung von Dividenden eingeschränkt.

Ausserdem sollen als Ausgleich zwei Milliarden Franken pro Jahr in die AHV fliessen. Die AHV-Zusatzfinanzierung wird teils durch höhere Beiträge, teils aus der Bundeskasse finanziert. Es handelt sich um den zweiten Anlauf für eine Reform der Unternehmensbesteuerung. Die erste Vorlage war 2017 an der Urne gescheitert. Die bürgerlichen Parteien machten daraufhin Konzessionen an die Linke.

Anpassung an die EU

Der Grund für die Revision des Waffengesetzes ist die neue EU-Waffenrichtlinie, die unter dem Eindruck von Terroranschlägen entstand. Die Schweiz muss die Richtlinie umsetzen, wenn sie Teil des Schengen-Raums bleiben will. Das Referendum haben die Schützen ergriffen.

Von den Änderungen betroffen sind vor allem Käufer halbautomatischer Waffen mit grossem Magazin. Solche Waffen – beispielsweise Sturmgewehre – gelten neu als verbotene Waffen. Im Schiessport könnten sie weiterhin verwendet werden, doch bräuchte es für den Kauf eine Ausnahmebewilligung statt wie heute einen Waffenerwerbsschein.

Sachvorlagen in elf Kantonen

In elf Kantonen wird zudem über Sachvorlagen abgestimmt. Dabei interessiert insbesondere jene im Kanton Bern. Dort soll erstmals in der Schweiz der Grundbedarf in der Sozialhilfe generell um acht Prozent gekürzt werden, für junge Erwachsene um 15 bis 30 Prozent.

Gegen diese Gesetzesänderung, die im Widerspruch zu den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) steht, wehrt sich ein Komitee mit einem eigenen Volksvorschlag. Dieser will 55-Jährige besser unterstützen, die nach dem Verlust ihrer Arbeitsstelle ausgesteuert werden.

Im Kanton Basel-Stadt ist vor allem das geplante Gross-Aquarium für den Basler Zoo umstritten. Das Ozeanium für Meerestiere soll 100 Millionen Franken kosten und würde vollständig durch Private finanziert.

Die Tessiner Stimmberechtigten werden über die Zukunft der SBB-Werkstätte in Bellinzona entscheiden. Die Initianten sehen ihr Volksbegehren als einzig mögliche Alternative zu einem geplanten Neubau der SBB in Castione bei Bellinzona.

Im Kanton Graubünden steht das seit Jahrzehnten praktizierte, zweistufige Jagdsystem auf dem Prüfstand. Eine mit der Rekordzahl von über 10'000 Unterschriften eingereichte Volksinitiative will den zweiten Teil der Jagd, die Sonderjagd, liquidieren.

Bilder aus der Schweiz

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