Letzte Credit-Suisse-GV Auch wenn Rohner nicht vor Ort ist, wird er dem Ärger kaum entkommen

Von Andreas Fischer

4.4.2023

Verwaltungsratspräsident Axel P. Lehmann muss sich den Aktionären vor Ort im Zürcher Hallenstadion stellen: Es wird die letzte Generalversammlung der Credit Suisse vor der Übernahme durch die UBS sein.
Verwaltungsratspräsident Axel P. Lehmann muss sich den Aktionären vor Ort im Zürcher Hallenstadion stellen: Es wird die letzte Generalversammlung der Credit Suisse vor der Übernahme durch die UBS sein.
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Die Credit Suisse lädt zur allerletzten Generalversammlung: Eine gemütliche Abwicklung mit Apéro wird der Anlass im Zürcher Hallenstadion aber nicht. Dafür sind die Aktionäre viel zu aufgebracht.

Von Andreas Fischer

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Vor der geplanten Übernahme durch die UBS lädt die Credit Suisse zu ihrer allerletzten Generalversammlung.
  • Der Anlass findet im Zürcher Hallenstadion statt: Schlagkraft haben die Kleinaktionäre der Credit Suisse dabei kaum noch.
  • Es wird aber erwartet, dass sie ihrem Ärger Luft machen.
  • Zudem gilt die Wiederwahl des Verwaltungsrates als gefährdet.

Zu bereden gibt es viel, aber zu sagen haben die Aktionäre der Credit Suisse fast nichts: An der letzten Generalversammlung der Grossbank in Abwicklung werden hitzige Reden enttäuschter Kleinaktionäre erwartet. Selbst Tumulte werden nicht ausgeschlossen, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA mutmasst. Doch im Prinzip ist die letzte Generalversammlung in der 166-jährigen Geschichte der Bank nicht viel mehr als ein Abgesang.

Wenngleich einer mit Misstönen, auf die sich Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann und CEO Ulrich Körner einstellen müssen: Der Zorn der kleinen und grossen Aktionäre dürfte ihnen gewiss sein. Die «Neue Zürcher Zeitung» erwartet eine Welle der Wut von «verärgerten Aktionären, deren Papiere nach der Übernahme durch die UBS praktisch nichts mehr wert sind. Die den Durchhalteparolen der Führung geglaubt haben und nun ihr Geld verlieren.»

Drei Jahre lang konnten die Aktionäre coronabedingt die CS-Generalversammlungen zwar online mitverfolgen. Eine Möglichkeit zu intervenieren oder Fragen zu stellen, hatten sie jedoch nicht. Nun findet der Anlass wieder im Zürcher Hallenstadion statt: Bis zu 2000 Kleinaktionäre werden erwartet. Sie kommen nicht nur wegen des abschliessenden Apéro riche.

«Aufgrund der Notverordnung braucht es bekanntlich keine Fusionsbeschlüsse der Generalversammlungen von CS und UBS», erläutert Harald Bärtschi, Experte für Unternehmens- und Finanzmarktrecht an der ZHAW School of Management and Law, gegenüber blue News. Auch Bärtschi erwartet, dass bei der GV «kritische Stimmen zur Fusion geäussert werden».

Neuanfang von der Realität geschluckt

«Wir wollen, dass die neue Credit Suisse eine verlässliche und vertrauenswürdige Partnerin für alle unsere Stakeholder ist», hatte Axel Lehmann in der Einladung vom 14. März 2023 geschrieben. «Im Namen des gesamten Verwaltungsrats danken wir Ihnen für Ihre Unterstützung und Ihr anhaltendes Vertrauen in die Credit Suisse.» Im Rückblick betrachtet der blanke Hohn: Nur fünf Tage später wurde die Übernahme durch die UBS und damit das Ende der CS bekannt gegeben.

Lehmann und Körner konnten den Absturz der CS nicht mehr verhindern, begonnen hatte er schon viel früher. Unter der Ägide von Urs Rohner, Verwaltungsratspräsident von 2011 bis 2021. «In Rohners Dekade bröckelte das Fundament der Bank weg», analysiert die «NZZ».

Auf der einen Seite standen hohe Boni und Saläre für das Management, auf der anderen Seite ein stetiger Sinkflug der CS, begleitet von zahlreichen Skandalen. Die Beschattungsaffäre zerstörte das Image der Bank nachhaltig, dazu kamen unter anderen Steuerstreitigkeiten mit den USA und nicht zuletzt die Milliarden Franken teuren Debakel mit dem Finanzdienstleister Greensill und dem Pleitefonds Archegos.

Kommt es zur grossen Abrechnung mit Rohner?

Rohner hatte sich bei seinem Abgang 2021 zwar entschuldigt, aber keine Verantwortung übernommen. Harald Bärtschi stellt klar, dass die Verantwortlichkeitsfrage komplex ist. «Hierfür müsste bestimmten Organpersonen eine Pflichtverletzung nachgewiesen werden, welche zu einem Schaden der Gesellschaft beziehungsweise eines Aktionärs (oder eines Gläubigers) geführt hat. Dass ein allgemeiner Vertrauensverlust zum Abzug von Kundengeldern geführt und die Existenz der Gesellschaft bedroht hat, würde nicht genügen.»

Bei der letzten GV wird er wohl nicht auftauchen. Nach der Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS hatte ein Bekannter berichtet, Rohner fürchte die «gesellschaftliche Ächtung». Das Gerücht, er wolle einen Teil seiner Bezüge von 52 Millionen Franken zurückzahlen, hatte sich allerdings nicht bewahrheitet.

Auch wenn sich die Aktionäre nicht persönlich an Rohner abarbeiten können, dem Ärger wird er wohl nicht entkommen. Doch mehr als Dampf abzulassen, bleibt den Aktionären kaum. Grosse Schlagkraft jedenfalls hat die Generalversammlung nicht.

Zumal einige Traktanden nach der Übernahme wieder von der Agenda genommen wurden: die Entlastung des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung? Gestrichen. Dividendenantrag? Obsolet. «Transformationsbonus» für die Geschäftsleitungsmitglieder? Obsolet.

Ein neuer Verwaltungsrat muss gewählt werden

Abstimmen können die Aktionäre am Dienstag nach wie vor über die Jahresrechnung 2022 und über die Vergütungen. Auch der Verwaltungsrat muss gewählt werden, weil die CS bis zur endgültigen Übernahme durch die UBS ein eigenständiges Unternehmen bleibt und entsprechend Führungsorgane braucht. Dass sich die bisherigen Verwaltungsräte zur Wiederwahl stellen, ist fragwürdig.

Ex-CS-VR-Präsident Urs Rohner fürchtet laut Vertrauten die «gesellschaftliche Ächtung». (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Ex-CS-VR-Präsident Urs Rohner fürchtet laut Vertrauten die «gesellschaftliche Ächtung». (KEYSTONE/Ennio Leanza)
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Die Frage, welche Konsequenz eine Wahl oder Nicht-Wahl hätten, ist laut Harald Bärtschi in den Statuten der Credit Suisse und im Gesetz klar geregelt: «Bei gescheiterter Wiederwahl von Verwaltungsratsmitgliedern würde die Amtsdauer bei Abschluss der ordentlichen Generalversammlung ablaufen.»

Zudem müsse der Verwaltungsrat nach den Statuten der CS aus mindestens sieben Mitgliedern bestehen. «Würde kein einziges Mitglied wiedergewählt, wäre der Verwaltungsrat nicht mehr handlungsfähig. Es bestünde ein Organisationsmangel.»

In diesem Fall, erläutert Bärtschi, müsste eine ausserordentliche GV abgehalten werden. «Theoretisch wäre es möglich, dass auf Antrag das Gericht direkt einen Verwaltungsrat ernennt. Üblicherweise würde ein Gericht aber bloss einen vorübergehenden «Sachwalter» einsetzen, der eine GV einberufen müsste.»

Einige Aktionäre haben bereits angekündigt, gegen die die Wiederwahl von Axel Lehmann und anderen Verwaltungsratsmitgliedern zu stimmen. Eine ablehnende Haltung kommt zum Beispiel vom norwegischen Staatsfonds. Begründung: «Die Aktionäre sollten das Recht haben, Änderungen im Vorstand zu verlangen, wenn dieser nicht in ihrem besten Interesse handelt.»

Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

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