Seit 31 Jahren wartet Bayer Leverkusen auf einen Titelgewinn. Nati-Captain Granit Xhaka, der frühere Geschäftsführer Reiner Calmund und der ehemalige Torjäger Oliver Neuville erklären, warum «Vizekusen» bald Geschichte sein könnte.
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- Bayer Leverkusen ist auf gutem Weg, erstmals seit 31 Jahren einen Titel zu gewinnen. In der Bundesliga steht man an der Tabellenspitze, zudem ist man im DFB-Pokal und in der Europa League nach wie vor vertreten.
- Im exklusiven Gespräch zeigt sich Ex-Geschäftsführer Reiner Calmund zuversichtlich, will sich mit Verweis auf die Vergangenheit aber keinesfalls zu früh freuen.
- Auf den Begriff «Vizekusen» wird Calmund, der sich bestens an die bitteren Momente um die Jahrtausendwende erinnert, nach wie vor nicht gern angesprochen.
Der Wind in Fussball-Deutschland hat gedreht. Nach 23 Spieltagen grüsst das nach wie vor ungeschlagene Bayer Leverkusen in der Bundesliga von der Tabellenspitze und ist auf bestem Weg, Serienmeister Bayern München abzulösen und erstmals seit 31 Jahren einen Titel zu gewinnen.
In Leverkusen hütet man sich aber davor, sich zu früh zu freuen. «Wenn man in der Vergangenheit mit viel Pech so oft Zweiter geworden ist, prägt einen das. Ich hoffe, das hat nur mich so geprägt», sagt Reiner Calmund im exklusiven Gespräch mit blue Sport. Der 75-Jährige war zwischen 1976 und 2004 als Geschäftsführer der starke Mann des Klubs – und musste um die Jahrtausendwende bittere Momente hautnah miterleben.
Die Entstehung von «Vizekusen»
Am 20. Mai 2000 reist Leverkusen am letzten Bundesliga-Spieltag als Spitzenreiter und mit drei Punkten Vorsprung auf die Bayern nach Unterhaching. Ein Remis gegen den Aufsteiger würde zum Titelgewinn reichen. Doch Bayer verliert die Partie unter anderem nach einem Eigentor von Michael Ballack mit 0:2 und verspielt die Meisterschale.
«Da guckst du blöd aus der Wäsche. Wir waren punktgleich, aber Bayern hat ein bisschen das bessere Torverhältnis», erinnert sich Calmund bestens und fügt an: «Es ging direkt weiter. Wir haben es ja 2002 noch einmal straffer wiederholt.» Damals geht die Werkself im DFB-Pokal, in der Champions League und in der Bundesliga als Zweiter hervor – und erhält so den Namen «Vizekusen».
Daran wird Calmund bis heute nicht gerne erinnert. «Jetzt wirst du eklig. Jetzt hast du doch so schön angefangen. Ich kann das Vizekusen nicht hören. Aber natürlich muss man damit leben», macht er klar. Und die Hoffnung ist gross, dass man den unbeliebten Übernamen in diesem Jahr loswerden kann.
«Wir sind jetzt mal dran»
«Das ist ein Spitzname, den der Verein leider seit Jahren hat», weiss auch Granit Xhaka. «Wir sind diejenigen, die das hoffentlich verändern. Es ist einfacher gesagt als gemacht, aber wir sind auf einem guten Weg.»
Selbst der durch das Schicksal geprägte Calmund versprüht Zuversicht. «Ich drücke alle Daumen und Zehen, dass wir es schaffen», unterstreicht er und zeigt sich insbesondere von Trainer Xabi Alonso beeindruckt: «Was ich grossartig finde und noch nie erlebt habe: Alonso spricht keinen Satz darüber, wer fehlt. Das ist für mich vorbildlich. Das ist klasse. Damit machst du auch deinen nachrückenden Spieler stark.»
Noch sind elf Spieltage ausstehend. Aber was, wenn die Meisterschale dann endlich in Leverkusener Händen wäre? «Ich will nicht daran denken und das nicht kommentieren», so Calmund. «Ich sage einfach: Wir sind jetzt mal dran.»