Verrückte Karrieren Angel Di Maria – vom Holzkohlenträger zum WM-Finalisten

Von Tobias Benz

5.5.2020

Spielte 102-mal für die «Albiceleste» und erzielte dabei 20 Tore.
Spielte 102-mal für die «Albiceleste» und erzielte dabei 20 Tore.
Bild: Getty

In einer fünfteiligen Serie blickt «Bluewin» auf aussergewöhnliche Tellerwäscher-Karrieren von heutigen Fussball-Stars. Teil 2: Angel Di Maria. Seinem Vater half der Argentinier einst als Kohlenträger – nun ist der 32-Jährige ein absoluter Weltstar. Zu verdanken hat er seine Fussballkarriere ursprünglich einem durch und durch argentinischen Arzt.

Di Maria ist fast noch ein Baby, als er das Geschäft seiner Eltern ruiniert. Der Entdeckersinn nimmt Überhand, als seine Mutter eines Tages die Tür zu dem kleinen Laden in ihrer Wohnung in Rosario in Argentinien offen lässt und der junge Angel aus dem Haus mitten auf die Strasse stürmt. Nachdem sie ihn vor den heranbrausenden Autos retten kann, spricht sie mit seinem Vater und die Familie kommt zum Schluss, dass die Situation zu gefährlich ist. Der Laden muss geschlossen werden.

Eigentlich geht es den Di Marias finanziell lange sehr gut. Weil der Vater aber aus Gutmütigkeit für die Hypothek eines Freundes bürgt und dieser prompt mit den Zahlungen zurückfällt und schliesslich untertaucht, muss die Familie plötzlich für zwei Häuser bezahlen – es muss Geld her. Aus der Not beginnt der Vater hinter dem Haus Holzkohle zu verarbeiten, um diese dann zu verkaufen.

So kommt es, dass Angel, bevor und nachdem er zur Schule geht, seinem Vater als Kohlenträger zur Seite steht. Es ist harte Arbeit im Freien, häufig bei Regen und kalten Temperaturen. Er freut sich, zur Schule gehen zu können, weil es dort warm ist und leidet mit seinem Vater, der dieser Arbeit den ganzen Tag nachgeht. «Irgendwann ändert sich alles zum Guten», sagt er sich jeweils.

Dass es ihn später über Benfica Lissabon zu Real Madrid, Manchester United und Paris Saint-Germain ziehen wird, davon kann der junge Angel nur träumen.

In Rosario ist Di Maria mittlerweile eine lebende Legende.
In Rosario ist Di Maria mittlerweile eine lebende Legende.
Bild: Getty

Wenn Fussball vom Arzt verschrieben wird

Das runde Leder entdeckt Di Maria als er vier Jahre alt ist. Weil er ständig auf Achse ist, bringt er seine Mutter derart auf die Palme, dass sie irgendwann mit ihm beim Doktor vorbeischaut. Nachdem sie vom ständigen Herumgerenne ihres Sohnes berichtet, fällt dem durch und durch argentinischen Mediziner natürlich sofort eine Lösung ein: Fussball.

Schon kurze Zeit später spielt er so oft, dass seine Mutter alle zwei Monate seine Schuhe zusammennähen muss. Neue Treter kann sich die Familie nicht leisten. Mit sieben Jahren gibt Di Maria sein erstes Interview im lokalen Radio. Die Leute wollen wissen, was es mit dem kleinen Jungen auf sich hat, der für seine Juniorenmannschaft in einer Saison 64 Tore erzielt hat. «Ich muss ziemlich gut gewesen sein», erinnert sich Di Maria bei «The Players Tribute».

Wenig überraschend klopft bald Rosario Central bei den Di Marias an und möchte Angel in die Jugendmannschaft aufnehmen. Ab diesem Zeitpunkt tut die Mutter alles menschenmögliche, um dem Sohnemann den Fussballtraum zu verwirklichen. Weil die Distanz zum Training für den kleinen Angel zu gross ist, fährt sie ihn jeden Tag per Fahrrad quer durch die Stadt und wieder zurück. Weil sie gleichzeitig auch auf seine Schwester aufpassen muss, fährt diese auch mit. Alle drei auf demselben Fahrrad. Die Mutter fährt, Angel sitzt hinten und für die Schwester fixiert der Vater eine Holzplattform an der Seite des Drahtesels.

Ein «Magier» namens Messi

Der Durchbruch in die erste Mannschaft lässt aber auf sich warten und Di Maria erhält von seinen Eltern ein Ultimatum – sollte es mit dem Profivertrag nicht klappen, muss er wieder für seinen Vater arbeiten. Aber der wirblige Angreifer setzt sich durch und feiert noch im selben Jahr sein Debüt in der höchsten argentinischen Spielklasse.

Der finale Schritt gelingt Di Maria laut eigener Aussage aber nur dank einem «Magier» namens Lionel Messi. Nach seinem Wechsel zu Benfica Lissabon findet sich Di Maria fast nur noch auf der Bank wieder. Sein Vater gibt seine Arbeit auf, um ihn nach Portugal zu begleiten und die beiden vermissen ihre Familie so sehr, dass sich der damals 19-Jährige ernsthaft überlegt, nach Argentinien zurückzukehren. Doch dann trifft er Messi.


In Portugal läuft es Di Maria zu Beginn überhaupt nicht.
In Portugal läuft es Di Maria zu Beginn überhaupt nicht.
Bild: Getty

Der Lupfer ins Glück

Obwohl Di Maria bei Benfica nicht zum Einsatz kommt, wird er für die Olympischen Spiele 2008 mit der argentinischen Nationalmannschaft aufgeboten. «Das änderte mein ganzes Leben», erinnert sich der Angreifer. «Es war das erste Mal, dass ich mit Messi spielte, dem Ausserirdischen, dem Genie. Ich hatte beim Fussball noch nie so viel Spass. Alles, was ich zu tun hatte, war in den freien Raum zu laufen. Ich lief los und der Ball erschien an meinen Füssen. Es war wie Magie.»

Ohne grössere Probleme erreicht Argentinien den Final gegen Nigeria, den Di Maria mit einem herrlichen Lupfer zugunsten der Südamerikaner entscheidet. Der Pass kommt natürlich von Messi.


Di Maria schiesst Argentinien 2008 zur olympischen Goldmedaille.

Quelle: Youtube


Dank dieses Tores gehört Di Maria ab sofort zum Stammpersonal bei Benfica und wechselt schon bald für 33 Millionen Euro zu Real Madrid. Dort etabliert sich der Argentinier zu einem der besten Angreifer seiner Zeit und erreicht mit der Nationalmannschaft 2014 sogar das Endspiel der Weltmeisterschaft.

Trotz all des Erfolgs, vergisst Di Maria nicht, woher er kommt und wem er alles zu verdanken hat. «Mein Traum war so oft kurz vor dem Ende. Aber mein Vater hat nie aufgehört zu arbeiten, meine Mutter hat nie aufgehört in die Pedalen zu treten und ich habe nie aufgehört in den freien Raum zu laufen.»

Zurück zur StartseiteZurück zum Sport