Der andere Profi Tsitsipas – der 20-Jährige mit der aufsehenerregenden Vergangenheit

Patrick Lämmle

25.10.2018

Stefanos Tsitsipas ist der erfolgreichste griechische Tennis-Spieler in der Geschichte.
Stefanos Tsitsipas ist der erfolgreichste griechische Tennis-Spieler in der Geschichte.
Bild: Keystone

«Ich weiss, dass ich Glück habe, noch am Leben zu sein und Tennis spielen zu können», sagt der 20-jährige Grieche Stefanos Tsitsipas, der bereits der erweiterten Weltspitze angehört und eine grosse Zukunft vor sich haben dürfte.

Als wir Ende Mai über Tsitsipas berichteten, da war der damals noch 19-Jährige die Weltnummer 40. Fünf Monate später ist er bereits im 16. Rang klassiert. Er gehört zu jenen jungen Spielern, denen man zutraut, dass sie einst in die Fusstapfen von Federer und Co. treten können. Doch der 20-Jährige ist auch abseits des Platzes eine äusserst interessante Persönlichkeit, der schon in jungen Jahren mehr erlebt hat als manch ein alter Hase.

Der Vater hat ihm das Leben gerettet

Das prägendste Erlebnis liegt rund vier Jahre zurück. Nach einem Turnier auf Kreta wollte er sich mit einem Kollegen nach dem Saunagang erfrischen. Wegen der starken Strömung gerieten die beiden in Lebensgefahr, Stefanos Vater Apostolos, er stürzte sich selbst in die Wellen, konnte den beiden mit letzter Kraft das Leben retten. «Wir kämpften sicher zehn Minuten in den Wellen ums Überleben. Ich trank unglaublich viel Wasser, doch plötzlich spürte ich wieder Boden unter den Füssen. Am Strand kollabierte ich, aber die Jungs überlebten. Stefanos hatte danach viele Nächte lang Albträume», sagt Apostolos.

Stefanos läuft es heute noch kalt den Rücken runter, wenn er sich zurückerinnert. «Ich fühlte mich derart schlecht, dass ich zu visualisieren begann, dass ich sterben würde. Ich hatte das Gefühl, mich nicht mehr auf der Erde zu befinden, sondern im Nirgendwo zu schweben. Ich weiss, dass ich Glück habe, noch am ­Leben zu sein und Tennis spielen zu können.»

Der steile Aufstieg von Tsitsipas

Als kleiner Junge wurde er gemobbt, wie er selber sagt. Das lag wohl auch daran, dass er immer nur auf dem Tennisplatz sein wollte – und war. Diese Erfahrungen hätten ihn aber zusätzlich motiviert – er habe den Leuten zeigen wollen, wozu er fähig sei. Das hat er längst unter Beweis gestellt. In Toronto hat er im August mit vier Siegen gegen Top-10-Spieler die Fans aus den Sitzen gerissen. Und am vergangenen Wochenende hat er in Stockholm seinen ersten ATP-Titel gewonnen.

Auch an den Swiss Indoors in Basel ist er auf Kurs, heute trifft er im Achtelfinal auf den 29-jährigen Deutschen Peter Gojowczyk (ATP 60). Tsitsipas hat alles, um ein Publikumsliebling zu werden. Sein spektakuläres Powertennis – aber auch sein ganzes Auftreten – wirken erfrischend anders.

Auch abseits des Courts engagiert

Auf seinem eigenen Youtube-Kanal unterhält er seine Fans, berichtet neben dem Sport auch über seine Reisen und spricht über umweltpolitische Probleme. «So kannst du Leute motivieren. Videos sind das beste Medium, um die Realität wiederzugeben. Ich mag es, zu meinen Fans zu sprechen. Und wenn sie die Welt verändern wollen, wäre das fantastisch.»

Auch deshalb bewundert er Elon Musk, der unter anderem in den Elektroautohersteller Tesla investierte. Musk werde die Welt verändern, ist sich Tsitsipas sicher, «weil er eine andere Denkweise habe als alle anderen». Geht Tsitsipas steiler Aufstieg weiter, so wird er einst womöglich die Strahlkraft besitzen, um auch persönlich die Welt ein kleines Stück weit zu verändern. «Ich möchte Kinder inspirieren, nicht nur griechische, auch solche aus anderen Ländern.»

Auch sportlich hat er grosse Ziele, kurzfristig wäre das die Qualifikation für die ATP-Finals in London (11. bis 19. November). Um den Traum von der Qualifikation am Leben zu erhalten, muss er in Basel noch die eine oder andere Glanzleistung zeigen.

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