Die Kolumne Beziehungskiller oder Rettung? Plädoyer für getrennte Betten

Kerstin Degen

15.4.2018

Schnarchen gehört zu den meistgenannten Störfaktoren im Schlafzimmer.
Schnarchen gehört zu den meistgenannten Störfaktoren im Schlafzimmer.
Bild: Getty Images

1:45 Uhr, 2:50 Uhr, 3:30 Uhr, 5 Uhr – endlich! Fünf Uhr morgens ist mein Limit, bin ich dann wach, stehe ich auf. Es sind diese Nächte, nach denen ich wie in Watte gepackt durch den Tag gehe und mich nach nichts mehr sehne, als nach ungestörtem Schlaf: Ohne Schnarchen von meinem Mann, ohne Kuscheln, ohne verbitterte Kämpfe um die Bettdecke.

Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zum Thema «Schlaf». Ist er mir vergönnt, liebe ich ihn über alles. Doch meistens zeigt er sich mir in stundenlangem Dämmerzustand und dem verzweifelten Versuch, vor dem Anspringen des Weckers noch ein paar Minuten Tiefschlaf zu ergattern.

Das war nicht immer so. Ich erinnere mich an meine Teenie-Tage, als ich die halben Sonntage schlafend im Bett verbrachte. Dann die Jahre, in denen ich zwar gerne im Bett rumlümmelte, aber nach 9 Uhr nicht mehr an Schlaf zu denken war, und dann, mit der Mutterschaft, nahte das endgültige Ende von ewiglangen Tiefschlaf-Nächten.

Clever ist er ja schon, dieser Urinstinkt, der uns Mütter beim leisesten Hüsteln unserer Kinder aus dem Tiefschlaf reisst. Denn natürlich mussten unsere Ahnen Tag und Nacht auf der Lauer liegen, um ihre Brut vor den Fängen reisserischer Tiere zu schützen.

Alle schlafen, nur ich nicht

Doch heute, im Schutze eines gut gepolsterten Beistellbettchens, lauern wenig Gefahren. Da dürfte man auch als Mutter schon mal das eine oder andere Geräusch überhören. Nur, diese Nächte liegen nun schon bald sechs Jahre hinter mir, und ich werde noch immer beim leisesten Anzeichen zarter Kinderfüsse auf dem Parkett hellwach.

Während der Rest der Familie innert kürzester Zeit wieder friedlich schlummert, liege ich danach im Bett und versuche mich davon zu überzeugen, dass der Schlaf sich meiner schon gleich annehmen wird.

«Die Schlaflosigkeit ist ein draufgängerisches Wesen, das man nicht so leicht wieder los wird.»

 
Marianne Keyes, irische Bestseller-Autorin

Die irische Schriftstellerin Marian Keyes veröffentlichte vor einigen Jahren in einer Kolumne der «Sunday Times Style» einen äusserst treffenden Artikel zum Thema. Darin beschrieb sie den Schlaf als scheues, fast mythisches Geschöpf, das sich nur gelegentlich zeigt, und das man jeden Tag aufs Neue mit Koffeinentzug, Baldriantabletten und langweiliger Lektüre anlocken muss.

Die Schlaflosigkeit hingegen beschrieb Keyes als draufgängerisches Wesen, das auftritt, wann und wie es ihm behagt und das man kaum wieder los wird.

Schlaflosigkeit weckt Egoismus

Keyes spricht mir aus dem Herzen. Und darum werden Sie, lieber Leserinnen und Leser, es sicher verstehen, wenn ich mich am liebsten von nichts und niemandem daran hindern lassen möchte, für ein paar Stunden im süssen Nichts abzutauchen.

Schlaflosigkeit weckt kompromisslosen Egoismus. Ich habe nichts gegen Kuscheln und Zweisamkeit. Aber wenn es hart auf hart kommt, überwiegt die Sehnsucht nach der wohlverdienten Nachtruhe, ungestört von zuckenden Lenden und Schnarchgeräuschen meines Mannes.


Angeblich schnarchen rund 60 Prozent der Männer, bei den Frauen sind es 42 Prozent. Wir stellen Ihnen die besten (und kuriosesten) Anti-Schnarch-Hilfen vor:

Doch der Wunsch nach getrennten Schlafzimmern stösst häufig auf Unverständnis und das über alle Generationen hinweg. Denn ein Paar, das in getrennten Schlafzimmern übernachtet, steht bereits mit einem Fuss vor dem Scheidungsrichter, so das gängige Vorurteil.

Ist dem wirklich so? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Wo die einen das Anklopfen an des Partners Zimmertüre als erotisches Abenteuer sehen, empfinden die anderen den fehlenden Körperkontakt als Todesurteil für die liebevolle Beziehung.

Innige Zweisamkeit oder erholsame Bettruhe?

Was führt zum Wunsch nach getrennten Schlafzimmern? Neben Schlafproblemen zählen ein unterschiedlicher Schlafrhythmus, Schichtarbeit oder hartnäckiges Schnarchen zu den meist genannten Faktoren. Auch das nächtliche Gerangel um die Bettdecke oder sperrangelweit geöffnete Fenster versus vollaufgedrehte Heizung spalten die Gemüter.

Fakt ist: Frauen schlafen ohne ihren Partner weitaus besser. Bei Männern verhält es sich genau umgekehrt: Ihr Schlaf ist ruhiger und erholsamer, wenn sie die Nacht neben ihrer Partnerin verbringen. Das zumindest ergab das Ergebnis einer Studie des Departements für Verhaltensbiologie an der Universität Wien.

Dieses Ergebnis deckt sich mit Umfragen in meinem eigenen Freundeskreis. Doch Paartherapeuten warnen vor voreiligen Schritten, da sich mit dem getrennten Schlafzimmer eine Entfremdung einschleicht, sei dieser Schritt recht gründlich zu überlegen und nicht ganz einfach rückgängig zu machen.

Dennoch, sagen selbst Therapeuten, kann konstanter Schlafmangel eine Beziehung übermässig auf die Probe stellen. Und liegt der Grund für die Schlaflosigkeit im Bett nebenan, konzentriert sich die daraus resultierende Gereiztheit eben häufig auch auf das Gegenüber. Zoff ist vorprogrammiert!

Fluchtbett als Alternative

Alternativ bietet sich ein sogenanntes «Fluchtbett» an, ein Gästebett oder Bettsofa, das in besonders turbulenten Zeiten, bei Krankheit oder Schichtarbeit dafür sorgen kann, dass beide Partner zur notwendigen Erholung kommen. Ohrstöpsel können das nächtliche Gesäge dimmen, der Kauf einer zweiten Bettdecke verhindert unnötiges Kräftemessen.

Für meinen Mann aber war schon der Schritt zur zweiten Decke ein schwerer Kompromiss, den er bis heute nur grummelnd akzeptiert. Getrennte Schlafzimmer stehen für ihn nicht zur Debatte. Und da unsere derzeitige Wohnsituation auch kein separates Schlafen erlaubt, können wir diese Diskussion getrost aufschieben.

Zwei Menschen haben selten den gleichen Schlafrhythmus: Gemeinsames Schlafen ist also ein ständiger Kompromiss, ein Abwägen zwischen Erholung und trauter Zweisamkeit.
Zwei Menschen haben selten den gleichen Schlafrhythmus: Gemeinsames Schlafen ist also ein ständiger Kompromiss, ein Abwägen zwischen Erholung und trauter Zweisamkeit.
Getty Images

Ein grosses Zugeständnis konnte ich ihm jedoch abringen. Schläft er mal wieder auf dem Sofa ein, bleibt er auch gleich bis zum ersten Sonnenstrahl dort liegen und ich kann bis zum Weckerklingeln in Stille und Einsamkeit vor mich hindämmern.

Fazit: Jedem Tierchen sein Pläsierchen

Also sparen Sie sich das Getuschel, wenn sich Freunde oder Nachbarn ein zusätzliches Bett anschaffen. Denn wer an welcher Matratze horcht, gibt noch lange kein Aufschluss über den Zustand einer Beziehung.

Vielmehr ist dieser Schritt ein Entgegenkommen, ein Kompromiss, der von Liebe und Verständnis zeugt und damit auch nächtlichen Besuchen neues Feuer verleihen kann.

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In der Rubrik «Die Kolumne» schreiben Redaktorinnen und Redaktoren von «Bluewin» regelmässig über Themen, die sie bewegen. Leserinnen und Leser, die Inputs haben oder Themenvorschläge einreichen möchten, schreiben bitte eine Mail an: redaktion@bluewin.ch

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