NachhaltikgeitLorenz Isler: «Freiwilligkeit reicht nicht, rechtliche Massnahmen sind nötig»
Meret Meier, Nachhaltigkeitsblog
6.3.2018
Grosse Möbelhersteller sind nicht gerade bekannt dafür, ihren Fokus aufs Thema Nachhaltigkeit zu legen. Branchenriese Ikea will das ändern.
Doch wie lässt sich das bewerkstelligen? Wir haben mit Lorenz Isler, Nachhaltigkeitsverantwortlichem bei Ikea Schweiz gesprochen.
Bluewin: Herr Isler, was ist Ihr Job bei Ikea?
Lorenz Isler: Ich setze gemeinsam mit meinem Team die globale Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens um. Ikea verfügt über eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsagenda, welche nicht nur Umwelt-, sondern auch soziale Themen umfasst. Die Schweiz kann hier einen relevanten Beitrag leisten.
Wie gelingt es einem Unternehmen, seine Kunden zu einem nachhaltigen Konsum zu bewegen?
Indem der Kunde gar nicht gross überlegen muss, sondern automatisch nachhaltig einkauft. Wir beachten Nachhaltigkeit entlang der kompletten Wertschöpfungskette und möchten gute Produkte für alle erschwinglich machen. Ikea war beispielsweise 2015 das erste Geschäft, wo nur noch LED-Lichtquellen erhältlich waren, keine herkömmlichen Glühbirnen, Halogen oder Energiesparbirnen mehr. Auch bei den Batterien ist geplant, von Produkten mit mangelhafter Nachhaltigkeitsbilanz wegzukommen. In unseren Restaurants sind bereits Kaffe, der Fisch und viele andere Produkte allesamt zertifiziert. Bis 2020 wird 100 Prozent unseres Holzes, Kartons und Papiers aus FSC-zertifizierten oder rezyklierten Quellen stammen. Heute sind wir bei 76 Prozent, alles legal geschlagen. Bis 2030 ist das selbe mit Plastik geplant.
Als gewinnorientiertes Unternehmen muss es Ikea doch in erster Linie darum gehen, dass die Kunden jedes Jahr ihre Wohnung komplett neu möblieren. Wie können Sie da glaubwürdig nachhaltiges Engagement vertreten?
Es geht meiner Meinung nach darum, Produkte herzustellen, die einen tiefen Umweltfussabdruck haben – unter Verwendung erneuerbarer, zertifizierter oder rezyklierter Materialien. Wir sind auch daran, unser Geschäftsmodell in Richtung Kreislaufwirtschaft umzustellen, um unsere Produkte und die Materialien wiederzuverwenden. Wir müssen Wachstum vom Umweltfussabdruck entkoppeln. Wenn uns dies sowohl als Unternehmen, als auch als Wirtschaft und Gesellschaft nicht gelingt, haben wir ein Problem. Dass wir auf dem richtigen Weg sind, zeigt beispielsweise die WWF-Studie zu nachhaltiger Baumwolle, die uns zum zweiten Mal als bestes Unternehmen weltweit eingeschätzt hat.
Nach zweimal Zügeln können die meisten Ihrer Möbel entsorgt werden. Ist das nicht so gewollt, damit die Kunden baldmöglichst wieder in der nächsten Filiale vorbeischauen und Ersatz besorgen?
Tiefer Preis und gute Qualität sind kein Widerspruch. Ikea bietet eine Qualität, die dem Gebrauch des Produkts angemessen ist. Dies zeigt auch eine Metastudie von «K-Tipp» und «Saldo», die die verschiedenen Tests der letzten zehn Jahre analysiert und zum Schluss kommt, dass Ikea bezüglich Qualität top abschneidet. Aus einer Umweltperspektive betrachtet, ist Massenproduktion dank optimierter Abläufe und hoher Effizienz sehr gut. Kommt hinzu, dass wir auch Kundinnen und Kunden ohne grosses Portemonnaie einen besseren Alltag ermöglichen möchten. Seit Januar nehmen wir darum in unserer Filiale in Spreitenbach gebrauchte Ikea-Möbel gegen Einkaufsgutscheine zurück, möbeln sie wieder auf und bieten sie anschliessend in unserer Fundgrube zum Verkauf.
Nicht nur die Möbelherstellung, auch die Anreise der Kunden zu Ihren Geschäften hat einen Einfluss auf die Umwelt ...
Nur zirka fünf Prozent unseres Fussabdrucks wird durch Kundentransporte verursacht. Den grössten Fussabdruck generieren die Rohstoffe für unsere Produkte. Wir beteiligen uns jeweils an der Finanzierung von Buslinien zu unseren Geschäften. Und schon heute ist es möglich, sich seine Einkäufe anschliessend nach Hause oder an eine unserer Abholstationen liefern zu lassen. Ausserdem fördern wir die E-Mobilität mit Stromtankstellen vor unseren Geschäften.
Wenn Sie in die Zukunft blicken, wie sollte sich unsere Welt entwickeln?
Mit ihrem heutigen Verhalten steuert die Menschheit auf eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur um drei Grad zu. Darum braucht es jetzt starke Veränderungen von allen. Es braucht einen bewussteren Umgang mit Produkten im Allgemeinen sowie mehr Transparenz und Kommunikation seitens der Hersteller. Dafür muss man aber die Wirtschaft in die Pflicht nehmen. Nur Freiwilligkeit reicht nicht, es sind rechtliche Massnahmen nötig, um beispielsweise Reduktionsziele für CO2 zu erreichen.
Sie befürworten strengere Gesetze für die Wirtschaft?
Klimawandel und Ressourcenknappheit sind eine Realität. Wir müssen als Gesellschaft und Wirtschaft einen Beitrag leisten. Leider genügt das aktuelle Engagement noch nicht. Wir möchten ambitionierte Ziele für CO2 und erneuerbare Energie, damit die Wirtschaft Planungssicherheit hat. So werden Innovationen ermöglicht. Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung, wenn wir in 50 oder 100 Jahren auch noch hier sein wollen. Transformation findet nur mit dem nötigen rechtlichen Rahmen statt und grosse Unternehmen spielen dabei eine Rolle, sonst kommen wir nicht ans Ziel. Bislang waren Unternehmen oft eher apolitisch, aber wir sind im Aufbau von Kontakten zu Politik und relevanten Gremien, denn rechtliche Bedingungen haben eine Einfluss, wie Beispiele aus der Vergangenheit zeigen. Denken wir an den Gewässerschutz. Abschliessend lässt sich sagen: Wir sind auf dem Weg, aber noch nicht am Ziel. Wir haben noch viel zu tun.
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