Internationale Krisen Die langen Schatten des Jahres 2019

phi

28.12.2019

Keine einheitliche Linie: Nato-Treffen in England Anfang Dezember 2019.
Keine einheitliche Linie: Nato-Treffen in England Anfang Dezember 2019.
Bilds: Keystone

Abgehakt? Von wegen: Fast alle internationalen Konflikte oder Krisen des Jahres 2019 werden uns auch im kommenden Jahr wieder beschäftigen: In der Regel bleiben die Grundursachen ungelöst.

Mögen Sie sich noch an Theresa May erinnern? Dass die frühere britische Premierministerin mit ihrem Brexit-Vorschlag im Parlament eine krachende Niederlage kassiert hat, ist kein Jahr her. Im Jahr 2019 ist Grossbritannien von May auf Boris Johnson umgeschwenkt, der trotz Pannen, Pech und Populismus im Dezember das vollbringt, woran seine Vorgängerin im Januar gescheitert ist: Sein Brexit wird uns auch 2020 noch leidlich beschäftigen.

Seit Januar ist auch Jair Bolsonaro im Amt, weniger jedoch in Würden: Der rechte Hardliner bestätigt in seinem ersten Jahr als Präsident die Befürchtung, dass der Umweltschutz mit seinem Wahlsieg verloren hat.

Proteste gegen Bolsonaro in der Schweiz

Nachdem der Ex-Militär die Strafen für Brandrodung senkt, steht der Regenwald in dem südamerikanischen Land in Flammen. Zuletzt wurden Pläne von Brasiliens starkem Mann öffentlich, in der Amazonas-Region im grossen Stil zu verhindern, dass Gebiete unter Naturschutz gestellt werden. Fortsetzung folgt...

Wahl-Qual

Gewählt worden war Ende März auch in Istanbul, doch das Ergebnis hat offenbar nicht überzeugt: Wegen angeblicher Wahlmanipulation musste der Urnengang im Juni wiederholt werden. Die AKP, die Partei von Präsident Recep Tayyib Erdogan, verlor dabei im Vergleich zur Vorwahl knapp drei Prozentpunkte, während der Wahlgewinner Ekrem Imamoglu bestätigt wurde.

Im März wurde nicht nur in der Bosporus-Metropole abgestimmt, sondern auch in der Ukraine: Ein Mann, der bisher Politiker nur gespielt hat, entscheidet auch die Stichwahl im April für sich. Wolodymyr Selenskyj wird schon bald erfahren, dass Intrigen und Zickenkrieg in einem Schauspiel-Ensemble ein Zuckerschlecken sind – verglichen mit der Härte, die auf internationalem Parkett auf den Mann wartet, der mit dem Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump in den Fokus der Öffentlichkeit rückt.

Demokratie in der Krise?

Naher Osten bleibt Pulverfass

Apropos: Hart geht es für gewöhnlich auch am Persischen Golf zu und her. Mitte des Jahres fragt sich die Welt, ob es bald Krieg geben wird: Im Mai werden vier Tanker in dem Gebiet angegriffen, was eine diplomatische Krise auslöst und zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch zwischen Teheran und Washington führt.

Im September gerät der Iran erneut ins Visier: Jemenitische Huthi-Rebellen überraschen Saudi-Arabien mit Drohnenangriffen auf Erdölanlagen, doch der Westen ist sicher, dass sie bei ihrer Attacke vom Iran unterstützt wurden. Fakt ist: Teheran ist auf der Arabischen Halbinsel eine Regionalmacht, die dem Weissen Haus (weiterhin) ein Dorn im Auge ist.

Iran beginn mit Urananreicherung in Atomanlage Fordo

Während hier der Ausbruch eines Waffengangs befürchtet werden muss, ist der Krieg in Syrien schon lange im Gange. Es scheint, als wären die Fronten hier verhärtet – bis zum Herbst 2019. Am 9. Oktober überschreiten türkische Truppen in Absprache mit den USA die Grenze im Süden und richten sich in Nordsyrien ein, um gegen Kurden vorzugehen. Donald Trump verkündet daraufhin, die USA würden ihre Soldaten abziehen, die zuvor eng mit den Kurden zusammengearbeitet haben. 

Riots in Südamerika, Unberechenbarkeit im Norden

Während Washington sich im Nahen Osten rarer machen will, dürfen die USA auf der anderen Seite der Welt nur zusehen: Venezuela leidet in vielerlei Hinsicht, aber bei der US-Regierung verhasste Präsident Nicolas Maduro sitzt anscheinend relativ fest im Sattel. In Bolivien dagegen muss Präsident Evo Morales nach Wahl-Unregelmässigkeiten und Protesten seinen Hut nehmen, während es in Chile ab Oktober zu Ausschreitungen kommt. Die Demonstrationen dauern bis Ende des Jahres an.

Die USA selbst fahren aussenpolitisch einen Zickzackkurs: Während frühere Schurkenstaaten wie Nordkorea und Technokraten wie Recep Tayyib Erdogan bei Donald Trump einen Stein in Brett haben, geht der US-Präsident auf Konfrontationskurs zu NATO, zur EU und zu supranationalen Organisationen wie der WTO.

Einerseits kündigt er einen Truppenabzug aus Syrien an, was prompt zu einem Wiedererstarken radikaler Muslime führt, andererseits besetzen US-Truppen vom Irak aus Ölfelder im Osten des vom Bürgerkrieg erschütterten Landes. Truppenaufstockungen in Saudi-Arabien konterkarieren seine Trumps Versprechen, die GIs nach Hause zu holen.

Ein Brennpunkt bleibt Hongkong, wo die Bewohner hartnäckig ihre Freiheiten gegen die Zentralmacht in Peking verteidigen. Hier und in Taiwan, wo Wahlen anstehen, dürfte es auch 2020 wieder hoch hergehen.

Polizei stürmt Uni in Hongkong

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