Internationale KrisenDie langen Schatten des Jahres 2019
phi
28.12.2019
Abgehakt? Von wegen: Fast alle internationalen Konflikte oder Krisen des Jahres 2019 werden uns auch im kommenden Jahr wieder beschäftigen: In der Regel bleiben die Grundursachen ungelöst.
Mögen Sie sich noch an Theresa May erinnern? Dass die frühere britische Premierministerin mit ihrem Brexit-Vorschlag im Parlament eine krachende Niederlage kassiert hat, ist kein Jahr her. Im Jahr 2019 ist Grossbritannien von May auf Boris Johnson umgeschwenkt, der trotz Pannen, Pech und Populismus im Dezember das vollbringt, woran seine Vorgängerin im Januar gescheitert ist: Sein Brexit wird uns auch 2020 noch leidlich beschäftigen.
Seit Januar ist auch Jair Bolsonaro im Amt, weniger jedoch in Würden: Der rechte Hardliner bestätigt in seinem ersten Jahr als Präsident die Befürchtung, dass der Umweltschutz mit seinem Wahlsieg verloren hat.
«Bolsonaro, der Regenwald gehört nicht dir»: Demonstranten am Freitag in Zürich.
Bild: Keystone/Melanie Duchene
«Unsere Lunge brennt»: Kundgebung für einen besseren Klimaschutz in Zürich und anderen Schweizer Städten. Die politischen Akteure werden zum Handeln aufgefordert.
Bild: Keystone/Melanie Duchene
Klartext an der Klimaschutzkundgebung in Zürich.....
Bild: Keystone/Melanie Duchene
Mehrere 100 Personen nahmen am Protest in Zürich gegen die Amazonas-Politik des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro teil.
Bild: Keystone/Melanie Duchene
Nachdem der Ex-Militär die Strafen für Brandrodung senkt, steht der Regenwald in dem südamerikanischen Land in Flammen. Zuletzt wurden Pläne von Brasiliens starkem Mann öffentlich, in der Amazonas-Region im grossen Stil zu verhindern, dass Gebiete unter Naturschutz gestellt werden. Fortsetzung folgt...
Wahl-Qual
Gewählt worden war Ende März auch in Istanbul, doch das Ergebnis hat offenbar nicht überzeugt: Wegen angeblicher Wahlmanipulation musste der Urnengang im Juni wiederholt werden. Die AKP, die Partei von Präsident Recep Tayyib Erdogan, verlor dabei im Vergleich zur Vorwahl knapp drei Prozentpunkte, während der Wahlgewinner Ekrem Imamoglu bestätigt wurde.
Im März wurde nicht nur in der Bosporus-Metropole abgestimmt, sondern auch in der Ukraine: Ein Mann, der bisher Politiker nur gespielt hat, entscheidet auch die Stichwahl im April für sich. Wolodymyr Selenskyj wird schon bald erfahren, dass Intrigen und Zickenkrieg in einem Schauspiel-Ensemble ein Zuckerschlecken sind – verglichen mit der Härte, die auf internationalem Parkett auf den Mann wartet, der mit dem Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump in den Fokus der Öffentlichkeit rückt.
Autokraten unter sich: Die Präsidenten der Türkei und Russlands, Recep Tayyip Erdogan (l.) und Wladimir Putin nehmen es mit der Gewaltenteilung in ihren Staaten nicht allzu genau.
Bild: Keystone
Erdogan habe mit der Niederschlagung von regierungskritischen Protesten in Istanbul 2013 gezeigt, dass er ein Autokrat sei – das sagt Politikwissenschaftlerin Anna Lührmann vom Forschungsinstitut V-Dem im schwedischen Göteborg.
Bild: EPA/Keystone
V-Dem veröffentlicht jährlich einen Report zur politischen Weltlage. Die Grafik zeigt, wie frei das politische System in einzelnen Ländern ist. Je dunkler, desto demokratischer.
Bild: V-Dem
Der Befund der Forscher für 2018: Der globale Trend geht in Richtung autokratischer Tendenzen – und erfasst neuerdings auch starke Demokratie. Das treibt – wie hier in London – zunehmend erzürnte Bürger auf die Strasse.
Bild: Keystone
Denn auch der britische Premier Boris Johnson möchte das Parlament am liebsten aushebeln, um den EU-Austritt nach eigenem Gusto durchzudrücken.
Bild: Keystone
Anderer Schauplatz, gleiches Phänomen: In Hongkong kämpfen die Menschen ebenfalls darum, die Regierung in die Schranken zu weisen. Die Massenproteste sorgen schon seit Monaten für Schlagzeilen.
Bild: Keystone
Die Forscher von V-Dem erkennen auch in den USA Anzeichen einer Autokratisierung. Weil das dortige System aber gefestigt sei, könne Präsident Donald Trump trotz aller Machtgelüste nicht einfach walten, wie er wolle.
Bild: Keystone
Das Gute an Trumps polarisierender Art sei, dass das zu einer zunehmenden Politisierung der Gesellschaft führe, sagt Forscherin Anna Lührman.
Bild: Keystone
Naher Osten bleibt Pulverfass
Apropos: Hart geht es für gewöhnlich auch am Persischen Golf zu und her. Mitte des Jahres fragt sich die Welt, ob es bald Krieg geben wird: Im Mai werden vier Tanker in dem Gebiet angegriffen, was eine diplomatische Krise auslöst und zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch zwischen Teheran und Washington führt.
Im September gerät der Iran erneut ins Visier: Jemenitische Huthi-Rebellen überraschen Saudi-Arabien mit Drohnenangriffen auf Erdölanlagen, doch der Westen ist sicher, dass sie bei ihrer Attacke vom Iran unterstützt wurden. Fakt ist: Teheran ist auf der Arabischen Halbinsel eine Regionalmacht, die dem Weissen Haus (weiterhin) ein Dorn im Auge ist.
Iran beginn mit Urananreicherung in Atomanlage Fordo
Bild: Bild: Iranian State Television Irib //epa/dpa
Ein Techniker arbeitet in einer Uranumwandlungsanlage vor den Toren der Stadt Isfahan im Iran.
Während hier der Ausbruch eines Waffengangs befürchtet werden muss, ist der Krieg in Syrien schon lange im Gange. Es scheint, als wären die Fronten hier verhärtet – bis zum Herbst 2019. Am 9. Oktober überschreiten türkische Truppen in Absprache mit den USA die Grenze im Süden und richten sich in Nordsyrien ein, um gegen Kurden vorzugehen. Donald Trump verkündet daraufhin, die USA würden ihre Soldaten abziehen, die zuvor eng mit den Kurden zusammengearbeitet haben.
Während Washington sich im Nahen Osten rarer machen will, dürfen die USA auf der anderen Seite der Welt nur zusehen: Venezuela leidet in vielerlei Hinsicht, aber bei der US-Regierung verhasste Präsident Nicolas Maduro sitzt anscheinend relativ fest im Sattel. In Bolivien dagegen muss Präsident Evo Morales nach Wahl-Unregelmässigkeiten und Protesten seinen Hut nehmen, während es in Chile ab Oktober zu Ausschreitungen kommt. Die Demonstrationen dauern bis Ende des Jahres an.
Die USA selbst fahren aussenpolitisch einen Zickzackkurs: Während frühere Schurkenstaaten wie Nordkorea und Technokraten wie Recep Tayyib Erdogan bei Donald Trump einen Stein in Brett haben, geht der US-Präsident auf Konfrontationskurs zu NATO, zur EU und zu supranationalen Organisationen wie der WTO.
Einerseits kündigt er einen Truppenabzug aus Syrien an, was prompt zu einem Wiedererstarken radikaler Muslime führt, andererseits besetzen US-Truppen vom Irak aus Ölfelder im Osten des vom Bürgerkrieg erschütterten Landes. Truppenaufstockungen in Saudi-Arabien konterkarieren seine Trumps Versprechen, die GIs nach Hause zu holen.
Ein Brennpunkt bleibt Hongkong, wo die Bewohner hartnäckig ihre Freiheiten gegen die Zentralmacht in Peking verteidigen. Hier und in Taiwan, wo Wahlen anstehen, dürfte es auch 2020 wieder hoch hergehen.
Hongkongs Polizei versucht, Universität zu stürmen
Nein, das ist nicht Marty McFly aus «Back to the Future» – diese Person ist real und trägt nicht ohne Grund eine Atemmaske: Die Aufnahme zeigt, wie dick in Hongkong…
Bild: Keystone
… die Luft ist, als die Polizei am 17. und 18. November 2019 die Polytechnische Universität stürmt. Hier hatten sich die Protestierenden…
Bild: Keystone
… verschanzt – hier ist der Eingang der Universität mit Bereitschaftspolizisten im Hintergrund zu sehen. Was die Staatsmacht erzürnt hat:
Bild: Keystone
Auch ein Tunnel unter der Universität, der für den Verkehr der Stadt vital ist, wurde von Demonstranten dicht gemacht, so dass kein Auto mehr durchkam, wie dieses Bild zeigt.
Bild: Keystone
Was hier wie Lagerfeuerromantik aussieht, ist für die Studenten und Demonstranten ein heisser Ritt gewesen: Die Ausschreitungen begannen in der Nacht auf Montag, als Molotowcocktails flogen, die auf dem Campus hergestellt worden sind.
Bild: Keystone
Nach der Herstellung in der Chemieküche konnten die Demonstranten im Schwimmbad der Uni sogar das Werfen der Feuergranaten üben.
Bild: Keystone
Im Fall dieses Polizeifahrzeugs vor dem Eingang des Tunnels muss man konstatieren, dass sich das Üben für die Protestierenden gelohnt hat.
Bild: Keystone
Die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Wasserwerfern und setzte ausserdem…
Bild: Keystone
… massiv Tränengas ein. Dutzende junge Leute wurden festgenommen.
Bild: Keystone
Im Angersicht des Wasserwerfers: Die Polizei bestritt, dass sie das Gelände habe «stürmen» wollen. Eine Erklärung sprach gleichwohl von einem anhaltenden Einsatz, um…
Bild: Keystone
… Demonstrationen aufzulösen und Festnahmen zu machen. «Aufrührer, die sich auf dem Gelände versammelt haben, legten Feuer und richteten schwere Schäden an», teilte die Polizei mit.
Bild: Keystone
Weiter hiess es: «Explosivstoffe, brennbare Materialien und gefährliche Güter stellen dort auch eine Gefahr für alle dar.» Im Bild: Demonstranten vor brennenden Barrikaden an der Uni.
Bild: Keystone
Die Polizei forderte jeden auf, das Universitätsgelände zu verlassen
Bild: Keystone
Allein im Stadtviertel Tsim Sha Tsui wurden rund 100 Personen festgenommen, berichtete die «South China Morning Post».
Bild: Keystone
Die Polizei habe mitgeteilt, sie seien von der Polytechnischen Universität geflüchtet, ...
Bild: Keystone
... hätten Strassen blockiert oder sich illegalerweise versammelt. Der Protest hat sogar die Volksbefreiungsarmee mobilisiert.
Bild: Keystone
Die Sopldaten kamen allerdings nur bei Aufräumarbeiten zum Zuge, wie hier zu sehen ist.
Bild: Keystone
Studenten fliehen aus der umstellten Universität.
Bild: Keystone
Die Proteste in Hongkong richten sich gegen die Regierung, harsches Vorgehen der Polizei sowie den wachsenden Einfluss der kommunistischen Pekinger Führung.
Bild: Keystone
Ein bekannter Wortführer der Proteste rechtfertigt den Einsatz von Gewalt.: «Mit rein friedlichem Protest werden wir unser Ziel nicht erreichen«, erklärte Joshua Wong der «Süddeutschen Zeitung».
Bild: Keystone
Er fügte gleichwohl hinzu an: «Allein mit Gewalt allerdings auch nicht. Wir brauchen beides.»
Bild: Keystone
Wong war der einzige Kandidat der Demokratiebewegung für die geplanten, kommenden Kommunalwahlen. Er wurde von der Wahl ausgeschlossen, ...
Bild: Keystone
... weil er angeblich für die Unabhängigkeit Hongkongs getrommelt haben soll.
Bild: Keystone
Insgesamt sollen bis zu 200 Studenten und Demonstranten festgenommen worden sein. Nach den Zusammenstössen erwägt die Lokalregierung…
... die für Sonntag angesetzte Kommunalwahl zu verschieben. Die Polizei zog sich nach dem Einsatz an der Uni zurück, das Gelände bleibt aber eingekesselt. Sogar Schleppnetze…
... wurden aufgestellt, um zu verhindern, dass weitere Unibesetzer fliehen. «Die Konfrontation ist vorerst ausgesetzt», sagte der demokratische Abgeordnete Ted Hui,…
... der seit Sonntag mit den Studenten ausharrte, der «South China Morning Post». «Die Polizei kann nicht rein, aber die Demonstranten können auch nicht raus.» Dass der Westen nun hilft, dürfte dabei eine blosse Hoffnung bleiben.
Retter finden Kinder und Frauen in geheime Kammern
In Gruppen durchkämmen Retter das Militärgefängnis Saidnaya: Assads Folter-Knast entpuppt sich als Vernichtungslager mit geheimen Kammern im Untergrund, die von einem hochrangigen Nazi inspiriert sein könnten.
10.12.2024
Syrien: Zwischen Freude und Ungewissheit
Mitglieder der Rebellengruppen, die den Sturz des syrischen Präsidenten Assad herbeigeführt hatten, zeigten sich am Montag in der syrischen Hauptstadt Damaskus in Siegerpose. Die Rebellen hatten am Sonntag die Kontrolle über Damaskus übernommen.
09.12.2024
See-Schnee-Effekt: In 30 Minuten können bis zu zwei Meter Schnee fallen
Manche US-Bundesstaaten sind von heftigen Schneefällen betroffen. In Pennsylvania schneite es am 30. November bis zu 70 Zentimeter. Das hat mit einem Wetterphänomen zu tun, dem «Lake snow effect».
02.12.2024
Retter finden Kinder und Frauen in geheime Kammern
Syrien: Zwischen Freude und Ungewissheit
See-Schnee-Effekt: In 30 Minuten können bis zu zwei Meter Schnee fallen