Frauenstreik «Rückständig trotz Wohlstands» – so blickt das Ausland auf die Schweiz

gbi

14.6.2019

Die Aktionen der Schweizer Frauen – wie hier in Bern – finden grosse Beachtung. 
Die Aktionen der Schweizer Frauen – wie hier in Bern – finden grosse Beachtung. 
Bild: Keystone/Peter Klaunzer

Wenn die Frauen in der Schweiz auf die Strasse gehen, strahlt das über die Landesgrenzen aus. Was schreiben Medien im Ausland heute über den Frauenstreiktag? Sie sind nicht zimperlich. Eine Übersicht.

Die Nutzer der News-App der britischen BBC verfolgen den Schweizer Frauenstreiktag mit grossem Interesse. Ein Bericht mit dem Titel «Schweizer Frauen streiken für mehr Geld, Zeit und Respekt» rangierte am Morgen unter den meistgelesenen Nachrichten. In dem ausführlichen Artikel wird unter anderem daran erinnert, wie lange die Schweizer Frauen für ihr Stimmrecht kämpfen mussten, und mehrere Streikteilnehmerinnen kommen zu Wort. 

Das Londoner Wirtschaftsblatt «Financial Times» titelt: «Schweizer Frauen streiken wegen wachsender Empörung über Ungleichheit» und hält fest: Trotz des hiesigen Wohlstands gebe es grosse Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern, etwa beim Lohn.

«Historischer Rückstand»

Der italienische «Corriere della Sera» sieht das ähnlich: «Trotz des hohen Lebensstandards und Einkommens hinkt die Schweiz, eines der reichsten Länder der Welt, anderen Industrieländern in Bezug auf Lohngleichheit und Gleichstellung der Geschlechter hinterher. Ein historischer Rückstand.»

Die französische Tageszeitung «Le Monde» hebt hervor, dass die Frauen auch für die Anerkennung von Haushaltstätigkeit sowie gegen Gewalt auf die Strasse gingen. Beim französischen TV-Sender France24 kommt Anne Rothenbüler, eine Forscherin an der Universität Paris Ouest, zu Wort. Sie erklärt, dass allein schon das Wort «Feminismus» in der Schweiz lange ein Tabu gewesen sei. «In meiner Jugend war es ein Schimpfwort. Es bedeutete, dass du nicht auf deine Kindern aufpasst.»

Die «Süddeutsche Zeitung» greift das Thema in einem Interview mit Corinne Schärer, der Zentralsekretärin der Gewerkschaft Unia, auf. Auf die Frage, was sie zuversichtlich mache, dass der Streik zu mehr Gleichberechtigung führen werde, antwortet sie: «Was mir sehr grosse Hoffnung macht, ist, dass die jungen Frauen wahnsinnig aktiv sind. Sie wollen sich diesen tagtäglichen Sexismus einfach nicht mehr gefallen lassen.»

«Absurde Diskussionen»

Das deutsche Magazin «Der Spiegel» zählt die Schweiz in einem ausführlichen Bericht gar zu «den rückständigsten Ländern Europas». Darin hält die Autorin fest, dass Streiks hierzulande seltener vorkämen als in Italien, Frankreich oder Deutschland. «Das hat im Vorfeld zu absurden Diskussionen darüber geführt, ob Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen den Streik erlauben oder die Angestellten einen Ferientag beziehen müssen, um zu streiken. Der Konsensgedanke ist typisch Schweizerisch, das gesamte demokratische System ist auf der Idee des Kompromisses aufgebaut.»

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