Abstimmung vom 9. Februar Sinkende Mieten – was man zur Wohnraum-Initiative wissen sollte

Von Julia Käser

22.1.2020

Am 9. Februar stimmt die Schweiz über die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnugen» ab. 
Am 9. Februar stimmt die Schweiz über die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnugen» ab. 
Bild: Keystone

Mehr bezahlbare Wohnungen – das fordern die Unterstützer der gleichnamigen Initiative. Worum es geht, und welche Argumente Befürworter und Gegner sich an den Kopf werfen, sei hier erklärt.

Worum geht es bei der Volksinitiative?

Wie der Name schon sagt: um mehr bezahlbaren Wohnraum. Mindestens zehn Prozent der neuen Wohnungen sollen künftig in Besitz von Wohnbaugenossenschaften – oder weiteren Träger des gemeinnützigen Wohnens – sein. Heute macht der gemeinnützige Wohnungsbau rund vier Prozent des Marktanteils aus.

Um dieses Ziel zu erreichen, fordern die Initianten für Kantone und Gemeinde ein Vorkaufsrecht für geeignete Grundstücke. Auch für Landstücke des Bundes oder bundesnaher Unternehmungen sollen Kantone und Gemeinden ein Vorkaufsrecht erhalten. Sie erhalten Vorrang vor anderen Investoren.

Das erworbene Land muss dann für den gemeinnützigen Wohnungsbau genutzt werden – das heisst: Eine Wohnbaugenossenschaft erhält das Recht, darauf zu bauen.

Zu guter Letzt verlangt die Initiative, dass das Fördern von ökologischen Wohnungssanierungen nicht mit einem Verlust von billigem Wohnraum einhergehen darf. Heute führen Sanierungen nach ökologischen Standards zu Wertsteigerungen und so zu höheren Mieten. Diese Wertsteigerungen sollen eingeschränkt werden.

Was sagen die Befürworter?

Die Initiative stammt aus den Federn des Mieterinnen- und Mieterverbandes. Auch der Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz, der Schweizer Gewerkschaftsbund (SGB) und die Arbeitnehmerorganisation Travail Suisse stellen sich hinter die Vorlage. Von den Parteien zählen SP und Grüne zu den Befürwortern.

Die Initiative soll den «Renditenhunger der Spekulanten» stoppen, so die Initianten. In der Bundesverfassung sei verankert, dass jedem eine «angemessene Wohnung unter tragbaren Bedingungen» zustehe. Dass zunehmend mehr Immobilienfirmen in zunehmend luxuriösere Wohnungen investierten, führe zu steigenden Mietpreisen, die das Portemonnaie der Mieter stark belasteten.



Tatsächlich sind Dreizimmer-Mietwohnungen im Schnitt 16,5 Prozent teurer als entsprechende Genossenschaftswohnungen – bei den Vierzimmerwohnungen beträgt der Unterschied 15,5 Prozent. Das zeigt eine zweijährige Studie des Bundesamts für Wohnungswesen (BWO). Die Initianten sprechen gar von 20 Prozent Preisunterschied.

Wie argumentieren die Gegner?

Sowohl SVP, FDP, Economiesuisse als auch Parlament und Bundesrat stellen sich gegen die Volksinitiative. Sie argumentieren, deren Umsetzung sei zu teuer, und rechnen mit viel Verwaltungsaufwand sowie zusätzlichen Kosten – in der Höhe von 120 Millionen jährlich. Zudem würde die Vorlage einen unnötigen staatlichen Eingriff in den Wohnungsmarkt bedingen.

Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) etwa kritisierte die Zehn-Prozent-Quote vehement. Diese sei unrealistisch. Darüber hinaus habe sich der Anteil an gemeinnützigem Wohnungsbau nach Bedürfnissen und nicht nach einem starren Prozentsatz zu richten.

Weiter heisst es im gegnerischen Lager: Die Mietpreiserhöhung nach einer Sanierung einzuschränken, liefere zu wenige Anreize für ökologischere Instandsetzungen – und schade folglich dem Klima. Schliesslich habe sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt seit der Lancierung der Initiative 2015 deutlich entspannt.

Wie präsentiert sich der Wohnungsmarkt heute?

Gesamtschweizerisch gibt es seit zehn Jahren tatsächlich laufend mehr leer stehende Wohnungen, zuletzt lag der Anteil bei 1,66 Prozent. So standen im Sommer 2019 über 75'000 Wohnräumlichkeiten leer. Schaut man sich die Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS) genauer an, werden regional grosse Unterschiede deutlich. Vor allem in Städten ist leerer Wohnraum ein knappes Gut. So stehen in Zürich gerade einmal 0,2 Prozent aller Wohnungen leer, in Bern sind es 0,45 Prozent.

Auch die Mietpreise entwickeln sich regional unterschiedlich. Klar ist: In den letzten zehn Jahren sind die Mieten im Schnitt um 14 Prozent gestiegen, wie eine Erhebung von Homegate zeigt. Die Kantone Genf, Waadt und Zürich verzeichneten einen besonderen Preisanstieg.

Was passiert bei Ablehung der Initiative?

In der neuesten Tamedia-Umfrage gaben 60 Prozent der Befragten an, die Vorlage eher oder eindeutig zu befürworten – 37 Prozent stellten sich dagegen.

Sollte die Initiative am 9. Februar entgegen diesem Trend an der Urne scheitern, wird der sogenannte «Fonds de Roulement», der den hiesigen gemeinnützigen Wohnungsbau fördert, um 250 Millionen Franken aufgestockt. Das hat das Parlament bereits im Vorjahr beschlossen.

28. Januar 2020

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir den Begriff «Vorverkaufsrecht» verwendet, richtigerweise muss es heissen: «Vorkaufsrecht». 

Weitere Anmerkung: Es hatte in unserem Artikel auch geheissen: «Um dieses Ziel zu erreichen, fordern die Initianten etwa auf Landstücken des Bundes oder bundesnaher Unternehmungen ...» Das «etwa» stand hier für Beispielhaftes. Gern ersetzen wir aber «etwa auf Landstücken des Bundes oder bundesnaher Unternehmungen» durch «geeignete Grundstücke ...»  – dem originalen Wortlaut getreu.

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