Mit YB als Titelverteidiger und Favoriten beginnt am Samstag die Schweizer Fussballmeisterschaft. In den ersten zwei Runden werden die Stadien fast leer sein, danach wieder bis zu zwei Dritteln voll.
Wenn am Samstag die 18. Saison nach dem Modus der Super League anfängt (alle Spiele live auf Teleclub), sind die Kader der zwölf Teilnehmer nur provisorische Kader. Prognosen sind immer nur Spielereien, und in diesem Fall könnten sie noch mehr fehlschlagen als sonst. YBs Sportchef Christoph Spycher formulierte es in dieser Woche so: «Es wäre für jeden Sportchef wunderbar, wenn er seine Arbeit schon ein paar Wochen vor dem Ende der Transferperiode verrichtet hätte.»
Tatsächlich gehen die sogenannten Transferfenster erst im Oktober zu: am 5. Oktober in den grossen Ligen, in die starke Spieler aus der Super League abwandern könnten, und eine Woche später für den Schweizer Binnenhandel. Bis dorthin geht viel Wasser die Aare und den Rhein hinunter.
Gerade in Bern erwartet man ein grosses Transfergeschäft mit Vor- und Nachteilen. Der Wegzug nach drei Jahren von Jean-Pierre Nsame, der in der letzten Meisterschaft für 32 von 80 Toren firmierte, würde eine Schwächung bedeuten, die YB auch mit noch so viel Geschick nicht ausgleichen könnte. Die wirtschaftliche Seite des Vereins würde sich demgegenüber über den Zustupf von vielen Millionen Franken freuen. Nsame ist 27 Jahre alt. Schon in zwei Jahren wäre er im Markt bei weitem nicht mehr so viel wert. Und auf dem Platz hat er seine Schuldigkeit längst getan.
Andere Händel von dieser Bedeutung und Tragweite dürfte es in den nächsten Wochen in der Super League nicht mehr geben. Trotzdem ist noch vieles möglich, und wie stark die Mannschaften und die Kader für die Meisterschaft tatsächlich sind, wird sich erst Mitte Oktober einigermassen schlüssig beurteilen lassen.
YB scheint gefestigt zu sein
Während vieler Jahre hatte man jeweils vor der Saison nach möglichen seriösen Herausforderern für den FC Basel gesucht. Neuerdings ist der FCB selber der seriöse Herausforderer. Er fordert eine Mannschaft heraus, die sich – Nsame hin oder her – in einem sehr gefestigten Verein bewegt.
Vor Kurzem betätigte sich YB als klein Bayern, indem es einem der härtesten Konkurrenten einen der besten Spieler abluchste: Silvan Hefti kam vom FC St. Gallen. Es war der inländische Königstransfer. Aber YBs mittlerweile dauerhafter Erfolg in der nationalen Konkurrenz beruht auch auf Vorausdenken und Flexibilität. Die rollende Planung, in die das Scouting-Team unter Chefscout Stéphane Chapuisat stark einbezogen ist, greift Monate voraus. Gewichtige Abgänge wie zuletzt jene der Aussenverteidiger Jordan Lotomba und Saidy Janko werden vorweggenommen. Gehandelt wird nicht erst im Nachhinein. Silvan Hefti und der aus Sitten geholte Quentin Maceiras könnten die Lücken schliessen.
Dank ihrer Weitsicht und ihrem Geschick dürften die Berner auch in dieser Saison über das beste Kader verfügen. Über ein Kader, mit dem YB auch wieder wie in der letzten Saison einer langen Verletztenliste trotzen könnte. Die Young Boys haben aus jetziger Sicht ausgezeichnete Voraussetzungen, um zum vierten Mal am Stück Meister zu werden und den Vereinsrekord aus den späten Fünfzigerjahren einzustellen. Es wäre wiederum die zweitlängste Serie im Schweizer Fussball nach den acht Titeln des FC Basel von 2010 bis 2017.
Das Innenleben des FCB
Auf dem Platz wird der FC Basel wohl sehr konkurrenzfähig sein. Der mögliche Störfaktor könnte von innen kommen, vom Innenleben des Vereins, über den es in der langen Zeit von Präsident Bernhard Heusler und Sportchef Georg Heitz kaum je etwas Negatives zu berichten gab, und schon gar nichts von Skandalen und Verfeindungen.
Die Basler waren so erfolgreich und so leise, wie es die Berner jetzt sind. Die Fehler, die sich die Leitung unter Präsident Bernhard Burgener und Burgener selbst seit dem Sommer 2017 geleistet haben, sind offensichtlich und nicht wegzudiskutieren. Je früher der Klub im Inneren zur Ruhe kommt, desto eher bekommt der Trainer Ciriaco Sforza eine Chance, seine erste Saison mit dem FCB mit einem Triumph zu krönen: mit der Rückkehr zu Meisterehren.
St. Gallen geschwächt! Geschwächt?
Der FC St. Gallen war mit seinem Jungbrunnen von Mannschaft die Bereicherung der letzten Saison. Nach den Abgängen von Silvan Hefti, Cedric Itten und Ermedin Demirovic scheint die Mannschaft markant geschwächt zu sein. Aber Trainer Peter Zeidler, der sich vertraglich bis 2025 zum FCSG bekannt hat, brachte schon letztes Jahr etwas Wunderbares hervor aus einem Kader, dem man nicht zugetraut hatte, dass es bis in die letzten Runden um den Titel würde mittun können. Vielleicht gelingt dem Deutschen wieder Ähnliches.
Wird Lausanne-Sport ein ähnlich starker Aufsteiger sein wie Servette vor einem Jahr? Kann Servette diesmal sogar ins Meisterrennen eingreifen? Wo steht der FC Luzern, wo steht der FC Zürich? Kann der überraschende Aufsteiger Vaduz den sofortigen Abstieg verhindern? Werden die Sittener den Erwartungen ihres Präsidenten endlich gerecht? Es gibt diese Fragen und viele mehr. Im Lauf der Monate werden sie beantwortet werden.