Sprachpfleger Amazonas – so orientieren Sie sich im Begriffsdschungel

Von Mark Salvisberg

5.9.2019

Der Amazonas brennt? Nicht wirklich!
Der Amazonas brennt? Nicht wirklich!
Bild: Keystone

Waren Sie schon im Amazonas in den Ferien? – Das bezweifle ich. Wüten derzeit nicht grossflächige Brände im Amazonas? – Genau genommen nicht. Wo liegt das Problem? Der Sprachpfleger klärt auf.

Der Amazonas ist ein weltbekannter Strom in Brasilien. Er misst fast sechseinhalbtausend Kilometer und hat mit Abstand das grösste Einzugsgebiet aller Flüsse der Erde.

Wegen seiner riesigen Ausdehnung und der besorgniserregenden Rodung des ihn umgebenden Regenwaldes erscheint sein Name regelmässig in den Medien. Diesen hat der Strom aufgrund einer Eroberungsfahrt des Spaniers Francisco de Orellana erhalten. Denn auf dessen strapaziöser Flussreise im Jahr 1542 wurden er und seine Truppen immer wieder von Indios angegriffen – und von furchteinflössenden, athletischen Frauen mit Pfeil und Bogen. Amazonen, sozusagen ...

Der Amazonas fliesst, er ist kein Gebiet

Wenn nun jemand erzählt, er habe zehn Tage im Amazonas zugebracht, würde ich ihn fragen, ob seine Haut davon denn nicht völlig schrumpelig geworden sei. Genauso wenig kann es im Amazonas brennen, es sei denn, man ist mit dem Boot unterwegs und wurde, zwischendurch schwimmend neben diesem, von einem Moskito erwischt.

Mit dem Amazonas, so viel steht fest, ist immer der Fluss gemeint. Dies ist kein so schlimmer Fehler, aber ein häufiger. Selbst erfahrene Autoren geraten hier, einmal unter Zeitdruck, rechtschreibtechnisch ins Schwimmen.

Waldbrand- und Verwechslungsgefahr

Bei Amazonas, ohne Artikel, handelt es sich um den Namen des brasilianischen Bundesstaats. Amazonas liegt – nicht zufällig – im Amazonasbecken. Man schreibt also: Wir waren in Amazonas, nicht im. Es heisst ja auch nicht Wir waren im Italien. Alle Staaten haben zwar einen Artikel, meistens den sächlichen, dieser kommt aber nur in bestimmten Fügungen zum Vorschein: im Italien, im Polen des 19. Jahrhunderts (aber stets mit Artikel: in der Schweiz, in den USA).

Das Amazonasbecken wiederum ist das Gebiet, das alles Erwähnte geografisch einschliesst, es wird auch Amazonien genannt. Ist man am Amazonas, ist man in Amazonien (umgekehrt natürlich nicht, denn der Amazonas hat viele Nebenflüsse).

Ihre Bekannten oder Verwandten, die angeblich aus dem Amazonas grüssen, erfreuen sich somit intakter Haut, von Insektenstichen einmal abgesehen. Aber die sind in Amazonien weit verbreitet.

Zur Person: Mark Salvisberg war unter anderem als Werbetexter unterwegs. Der Absolvent der Korrektorenschmiede PBS überarbeitet heute
täglich journalistische Texte bei einer grösseren Schweizer Tageszeitung.

Bilder des Tages

Zurück zur Startseite