Sprachpfleger Das am häufigsten falsch verwendete Wort

Von Mark Salvisberg

22.1.2020

Wenn kein Grund vorliegt – ist demnach falsch.
Wenn kein Grund vorliegt – ist demnach falsch.
Bild: iStock

Dieser Ausdruck hat es in sich: demnach. Er nistet sich genauso unauffällig wie häufig wie regelwidrig in Kurznachrichten ein. Nicht unauffällig genug, brummt der Sprachpfleger.

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Das Wort demnach bedeutet: deshalb, somit, also. Es ist demzufolge nur korrekt, wenn eine Schlussfolgerung ausgedrückt werden soll: Ihr Zug hatte Verspätung, demnach kam sie zu spät zur Arbeit. Dein Magen knurrt, demnach hast du Hunger.

Leider wird es von der Mehrzahl der Journalisten gern wie eine Art verbale Knautschzone zwischen zwei Sätzen eingefügt:

Ein Ermittler wurde überfallen und verletzt. Demnach sind die Täter mit einem Auto geflüchtet. – Wie meinen? Weil ein Ermittler überfallen und verletzt wurde, sind die Täter mit einem Auto geflüchtet? Korrekt heisst es: (...) Laut Polizeiangaben sind die Täter ... Oder: Die Täter sind offenbar mit einem Auto geflüchtet.

Etliche Beispiele und simple Lösungen

Trotzdem wird das Wort eisern immer wieder verwendet in der irrigen Annahme, demnach bedeute nach dem, wie verlautete oder gemäss Angaben:

Die Schweizer Gletscher schrumpfen weiterhin rasant. Dies zeigt ein neuer Expertenbericht. Demnach sind seit Oktober 2018 zwei Prozent des Eises geschmolzen. – Tatsächlich?



Weil ein Expertenbericht gezeigt wurde, sind genau zwei Prozent verschwunden? Richtig wäre: Laut diesem (Bericht) sind seit Oktober ...

Weiter geht’s:

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums werden noch 27 Menschen in Spitälern behandelt. Mindestens zehn von ihnen befinden sich demnach in kritischem Zustand. – 27 Menschen wurden verletzt; dies ist aber nicht der Grund dafür, dass zehn in kritischem Zustand sind. Richtig wäre: Demnach einfach weglassen oder indirekte Rede verwenden: Zehn von ihnen befänden sich in kritischem Zustand.

Die Beratungsfirma hat die finanziellen Folgen der Reform eruiert. Demnach würden sich die Gesamtkosten halbieren. – Es geht hier erneut nicht um Ursache und Wirkung. Also viel besser: Laut oder gemäss Berechnung halbieren sich die Gesamtkosten ...

Wie wird es mit dem Wörtchen demnach weitergehen? Es ist nicht auszuschliessen, dass aufgrund des überwiegend falschen Gebrauchs einst die kausale Zusatzbedeutung deswegen/somit toleriert werden wird.



Demnach sind die Journalisten quasi Vorreiter, Visionäre, Sprachpioniere! Und demnach ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Wort – neben vielen anderen – falsch im Duden steht.

Zur Person: Mark Salvisberg war unter anderem als Werbetexter unterwegs. Der Absolvent der Korrektorenschmiede PBS überarbeitet heute
täglich journalistische Texte bei einer grösseren Tageszeitung.

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