Sprachpfleger «Der No-Deal» – ein sprachlicher Schnitzer

Mark Salvisberg

18.4.2019

Für viele Briten ist der Westminster-Palast längst zu einem Narrenhaus geworden. 
Für viele Briten ist der Westminster-Palast längst zu einem Narrenhaus geworden. 
Bild: Keystone

Wie soll er denn serviert werden, der Brexit? «Sunny side up» oder «saignant»? Der Schlingerkurs im Palace of Westminster nervt. Und die Presse? Sie schreibt von «dem No-Deal». Der Sprachpfleger ruft: «Order!»

Seit Monaten spielen London und Brüssel Pingpong. Immer wenn die Lösung für den Brexit wieder einmal neu formuliert werden soll, geht das Raunen der Gelangweilten durch die Wohnzimmer der Welt. Und Premierministerin May wird im Parlament wieder geröstet.

Verhandelt wird über die Intensität des Abschiedsschmerzes: Darf es ein sanfter Brexit sein, einer mit vielen Zückerchen fürs Vereinigte Königreich, die zusammen einen flauschigen Deal ergeben? Oder dräut May und dem Unterhaus, ja der ganzen Nation, die harte Landung, zu der viele Medien neuerdings «der No-Deal» sagen?

Man lasse sich diesen halbbatzigen Ausdruck auf der Zunge zergehen und übersetze: der kein-Deal. Natürlich haben die Briten auch umständliche Wörter, zum Beispiel «without», also «mitohne». Aber «the no deal» würden sie nicht sagen, vielmehr verwenden sie Fügungen wie «the no deal solution».

Eine falsche Annahme und viele korrekte Vorschläge

Aber warum denn nicht «der No-Deal»? Es heisst ja auch «das No-Go», und das steht so im Duden. Richtig, ebenso im «Oxford Dictionary» und im «Merriam Webster», und das Wortpaar wird sowohl adjektivisch wie auch als Nomen gebraucht: «This is a no-go area» würde eine Frau über ein finsteres Parkhaus sagen oder «This is a no go for a takeoff» der Pilot bei schlechter Sicht.

Doch wo findet sich «the no deal» im englischen Sprachschatz, der immerhin rund 620'000 Stichwörter umfasst? Nirgends, ebenso wenig wie die Pseudoanglizismen Showmaster und Mobbing.

Der Begriff Deal ist eingedeutscht und korrekt. Anstatt ihm aber ein «no» voranzustellen und ihn damit zum deutsch-englischen Bastard zu stempeln, ersetze man ihn, je nach Zusammenhang, durch Folgendes: Es kommt kein Deal zustande, es endet ohne Deal, es wird kein solcher erreicht, es gibt keinen. Oder wir nennen es einen No-Deal-Brexit, das No-Deal-Szenario, die ausbleibende Abmachung, das Nichtzustandekommen einer solchen; einen vertragslosen, ungeregelten, ungeordneten Brexit.

Der gesamte deutsche Sprachschatz umfasst sagenhafterweise Millionen von Wörtern. Ohne Not ein neues, fehlerhaftes Konstrukt zu erfinden, das wäre doch wirklich ein No-Go.

Zur Person: Mark Salvisberg war unter anderem als Werbetexter unterwegs. Der Absolvent der Korrektorenschmiede PBS überarbeitet heute
täglich journalistische Texte bei einer grösseren Tageszeitung.

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