Am Wochenende ereignete sich zum wiederholten Mal ein mutmasslicher Rassismus-Eklat in einem Schweizer Fussballstadion. Wie gross ist das Problem hierzulande wirklich? «blue Sport» hat mit Gelson Fernandes, Ridge Munsy und Gilles Yapi gesprochen.
Als «Affe» soll Sion-Goalie Timothy Fayulu am Samstagabend von FCSG-Fans beschimpft worden sein. Auch wenn der Fall noch ungeklärt ist und die fehlbaren Personen noch nicht ausfindig gemacht werden konnten, so ist es längst nicht der erste Fall von Rassendiskriminierung in einem Schweizer Fussballstadion.
Ebenfalls in St.Gallen wurde FCZ-Stürmer Aiyegun Tosin im Juni 2020 als «Scheiss Mohrenkopf» beleidigt. Im April 2021 wurde der damalige FCB-Profi Aldo Kalulu von einem TV-Techniker als «Bananenpflücker» bezeichnet. Ebendieser Kalulu wurde im Letzigrund auch schon mit einer Banane beworfen.
Im Zuge der «Black Lives Matter»-Bewegung findet das Thema Rassismus immer mehr Aufmerksamkeit. Dass dunkelheutige Menschen hierzulande aber schon seit Jahrzehnten mit Vorurteilen und Diskriminierung zu kämpfen haben, schildern auch Gelson Fernandes, Ridge Munsy und Gilles Yapi. Im Gespräch mit «blue Sport» erzählen die drei Fussballer (Fernandes und Yapi sind nicht mehr aktiv) im Frühling dieses Jahres, wie sie Rassismus in der Schweiz erleben und erlebt haben.
Rassismus auf und neben dem Platz
«Ich bin im Wallis aufgewachsen. Anfang der 90er-Jahre gab es da noch nicht viele Schwarze, es war nicht immer einfach. Als ich mit den Junioren auswärts gespielt hatte, wurde mir manchmal zu spüren gegeben, dass ich anders sei», sagt Ex-Nati-Spieler Gelson Fernandes.
Anfeindungen wegen seiner Hautfarbe erlebte auch Ridge Munsy auf dem Platz: «Meine Gegenspieler sahen im Rassismus ein Mittel, um mich zu destabilisieren. Mit Affengeräuschen oder sonstigen Bemerkungen, die nicht okay waren. Das ging schon recht früh los.»
Im Gespräch mit den Fussballern wird rasch klar, dass sie nicht nur auf dem Platz mit Rassismus konfrontiert werden, sondern auch im Alltag. Wenn auch unbewusst, wie der heutige Hansa-Rostock-Profi Munsy anhand eines Beispiels schildert: «Es gibt diese Situationen, in denen eine Person auf dich zukommt und ganz langsam auf Hochdeutsch auf dich einredet, weil sie davon ausgeht, dass du nicht Deutsch kannst. Dann antwortest du auf Schweizerdeutsch und die andere Person ist völlig verblüfft.»
Ein konkretes Beispiel für Alltagsrassismus hat auch Gilles Yapi, der zwischen 2011 und 2013 mit dem FC Basel dreimal Meister wurde: «Ich sass mal im Zug in der 1. Klasse. Ein Mann hat mich dann angesprochen und gesagt, dass ich hier nicht willkommen sei und in die 2. Klasse gehen soll. Als ich ihm dann das gültige Billett gezeigt habe, machte er einen enttäuschten Eindruck und konnte es kaum glauben.»
Eine Portion Mut und die nötige Ruhe
Wie reagiert man am besten in einer solchen Situation? «Wenn du mit Rassismus konfrontiert wirst, musst du Ruhe bewahren und Klasse zeigen. Du musst der fehlbaren Person klarmachen, dass das schlecht ist – ohne dabei nervös oder aggressiv zu werden. Ruhe und Ausstrahlung ist der Schlüssel», meint Fernandes.
Für Munsy ist klar, dass sich nicht nur die direkt Betroffenen wehren müssen: «Wenn jemand belästigt oder diskriminiert wird, muss man den Mut haben und zeigen, dass das nicht in Ordnung ist. Je mehr Leute das machen, desto besser können wir alle in eine Richtung gehen. Sei das im Sport oder im alltäglichen Leben.»
Yapi sagt: «Wir müssen unseren Kindern in den Familien und in der Schule bewusst machen, dass die Hautfarbe keinen Unterschied macht. Wir sind alle Menschen und alle wertvoll. Wir müssen alle respektieren und gleich behandeln. Nur so kann das Problem eingedämmt werden.»
Für den 39-Jährigen von der Elfenbeinküste ist Rassismus ein Problem der Unwissenheit und der Erziehung. Und auch die Medien würden eine Teilschuld daran haben, dass viele Menschen ein falsches Bild von Dunkelhäutigen hätten. «Wenn man hier im Fernsehen etwas über Afrika sieht, geht es immer darum, was in Afrika schlecht ist. Seien es die armen Leute oder sonstige Probleme. Das gibt den Leuten ein falsches Bild. Man sollte auch mal die guten Seiten von Afrika zeigen», so Yapi.
Bleibt die Frage, ob der Rassismus eines Tages komplett aus unserem Leben verschwinden wird. Während sich Yapi das nicht vorstellen kann, blickt Fernandes durchaus hoffnungsvoll in die Zukunft: «Die Schweiz ist heute so multikulturell. Wenn ich meine Tochter von der Schule abhole, sehe ich Kinder aus Portugal, Italien, Albanien, Bosnien, Kroatien – überall. Die Schweiz von vor 30 Jahren ist nicht die Schweiz von heute. Es wird besser werden.»
Dieser Artikel wurde bereits im April 2021 in anderer Form publiziert.